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Die Welt erreisen: erschauen, erdenken, erschmecken, erlesen ... (Warnung: nur für Menschen, die auch Längeres lesen)

Veröffentlicht: 01.03.2019

Tut mir leid. Es ist lang geworden, aber wie soll man sechs Monate noch kürzer zusammenfassen?

Um die Welt wirklich zu erreisen, haben wir natürlich viel zu wenig von ihr gesehen, aber die lange Fahrt durch 14 Länder hat uns trotzdem eine ungeheure Vielfalt eröffnet: und zwar nicht nur bei den Kunstwerken, die wir alle programmgemäß (wirklich alle programmgemäß - merkt man eh, dass ich stolz bin?) besichtigen konnten, sondern auch bei Lebensstandard und -stil, Essen und Trinken, Landschaft und Klima, Aussehen und Kleidung, Effizienz und Versagen im Alltagsleben, Schicklichkeit und Höflichkeit sowie natürlich beim Umgang mit dem Massenphänomen Tourismus und den vielen Reisenden. Das klingt in der Zusammenfassung jetzt furchtbar trocken, aber gerade diese Vielfalt - das in jedem Land Neue, Fremde und (keineswegs stets positiv) Überraschende - hat die Reise die gesamte Zeit hindurch spannend gemacht und bildet den Kern dessen, was ich nach Hause mitnehme. Und es bestätigt mich in einer Grundhaltung, die mir mein Geschichtsstudium bescherte : Alles, was uns  selbstverständlich und unverrückbar erscheint, ist dies nur in unserem Lebensumfeld und zu einem bestimmten Zeitpunkt. Anderswo ist anderes "normal" und scheinbar unverrückbar und vor einem Jahrzehnt oder gar einem Jahrhundert  sah das Leben hier wie dort noch einmal ganz anders aus. Was für mich an dieser Erkenntnis wichtig ist: Nix ist fix - und es lohnt sich für Veränderungen zu kämpfen. 

Ok, genug der scheinphilosophischen Allgemeinheiten. Ich möchte hier ein paar Erinnerungen zusammenfassen, wie sie mir spontan in den Sinn kommen, und jenen Lesern und -innen, die auch noch den letzten Beitrag dieses Blogs lesen, etwas mitgeben: das Geheimnis, wie eine Weltreise wirklich erlesen wird.

Von den Sehenswürdigkeiten habe ich schon viel geschrieben. Deshalb nur kurz: Die großen positiven Überraschungen waren Bagan in Myanmar und die Osterinsel (da würden wir jederzeit wieder hin wollen), nicht mit den Erwartungen mithalten konnten die Maya-Stätten. Insgesamt haben uns die Bauwerke in Asien (Myanmar, Kambodscha, Indien) deutlich mehr überzeugt als jene in Mittelamerika.

Abraten würden wir von den Seychellen: Die schöne und einzigartige Landschaft kann nicht ausgleichen, dass man dort an keinem der Strände wirklich schwimmen kann (entweder zu seicht oder zu gefährliche Strömungen), dass die Einheimischen mehrheitlich unhöflich und herablassend bis zur Unverschämtheit sind, dass der Aufenthalt verrückt teuer ist und dass das Essen in den Lokalen und selbst die Zutaten fürs Selberkochen in der Regel ungenießbar sind. Also nur für reiche, dünne, masochistische Schnorchler und -innen geeignet.

Mit einer einzigen Ausnahme sind alle unsere Zielländer viel, viel ärmer als Österreich. Dem reicheren Land, nämlich Australien, geht es ökonomisch deutlich besser. Und das merkt man, insbesondere wahrscheinlich (wir waren ja nur dort) in Sydney. Wir haben noch nie eine Stadt erlebt, in der der Reichtum so vieler ihrer Bewohner und -innen derart mit Händen zu greifen war. Sydney ist eine schöne und lebenswerte Stadt, teuer und unheimlich freundlich. Es war ein Genuss, dort zu sein, und sehr angenehm, ganz kurz (fünf Tage lang) zwischendurch so zu leben wie zu Hause  (oder eigentlich noch besser). Auch nach Sydney würde wir jederzeit wieder fahren, obwohl es dort für uns rein gar nichts mehr zu besichtigen gibt.

Dass ich bisher die nun besuchten Länder gemieden habe, hat auch den Grund, dass ich mich als Touristin aus dem wohlhabenden Österreich schlicht vor der täglichen Konfrontation mit Armut in einer Ausprägung, wie sie bei uns nicht (mehr) besteht, gefürchtet habe. Für diese Reise habe ich mir das Konzept der professionellen Distanz zu eigen gemacht und dafür einen wissenschaftlichen Zugang genutzt. Und so hat uns das Ranking des Human Development Index (HDI), der neben Bruttonationalprodukt pro Kopf auch Lebenserwartung und Bildung berücksichtigt, auf unserer Reise begleitet, um Reichtum bzw. Armut in einem Land einschätzen zu können. 

Von allen Ländern, die wir besucht haben, sind Kambodscha und Myanmar am schlechtesten dran. Sie belegen die Plätze 146 bzw. 148 von insgesamt 183 gereihten Ländern. Zum Vergleich: Australien liegt auf Platz 3 und Österreich auf Platz 20. Als nächstes auf der Liste finde ich Chile (44), dessen Einstufung für die weit entfernte und vom Mutterland schlecht behandelte Osterinsel wenig aussagekräftig ist. Es folgen (Tourismus sei Dank) die Seychellen (62) und Georgien (70). Dass Georgien 50 Plätze hinter Österreich liegt, war für uns besonders gut nachvollziehbar, da es dort ganz europäisch aussieht und uns daher vertraut erscheint. Ein "armes" Österreich würde ungefähr so aussehen wie Georgien heute. Deshalb - so glaube ich wenigstens - fanden wir Georgien stellenweise (zB in Kutaisi) so besonders deprimierend, obwohl uns klar war, dass die Menschen in  Guatemala (127), Indien (130) oder Honduras (133) sich alle zehn Finger abschlecken würden, könnten sie zB so wohnen wie die Georgier und -innen. Nicht immer spiegeln die Zahlen unseren persönlichen Eindruck wider: Mexiko (74) wirkt im Vergleich zu Thailand (83) oder Usbekistan (105) geradezu elend und keinesfalls reicher als Kolumbien (90) oder Belize (106).

Doch all die distanzbringenden Zahlen helfen nicht: Menschen, die sich und ihre Wäsche im Fluss waschen (gesehen in Myanmar und Guatemala) oder winzige geflochtene bzw. hölzerne Bauten (Myanmar, Kambodscha, Belize, Guatemala, Kolumbien), und seien sie noch so hübsch, ordentlich und bunt, sind nicht idyllisch und exotisch, sondern Zeichen einfachster Lebensverhältnisse. Nicht zu sprechen von Wellblechhütten (viel zu oft), fensterlosen Holzverschlägen und feuchten alten Gemäuern (beides Indien), winzigen Betonrohbauten (Mexiko) oder gar den Obdachlosen in Delhi und Yangon. Kurz: Wir haben in allen Ländern mit Ausnahme Australiens deutlich besser gelebt als die durchschnittlichen Einheimischen. Hotel- und Restaurantangestellte, Kassierer und Kartenabreißerinnen bei den Sites - fast alle Leute, mit denen wir zu tun hatten, haben einen niedrigeren Lebensstandard als wir auf der Reise. Dieser Unterschied wird noch größer, wenn wir unser Leben in Wien in den Vergleich bringen. Vielleicht ist das jetzt zu lang geraten. Mir ist aber wichtig, angesichts der tollen Dinge, die man besichtigen kann, nicht zu vergessen, wie es dem Land und seinen Menschen geht.

Wie die Stimmung im Land ist, wie fröhlich und freundlich die Menschen sind, hat übrigens wenig mit dem Grad der Armut zu tun. In Georgien, Usbekistan, Indien, Myanmar, Kolumbien und Belize war man stets liebenswürdig und hilfsbereit, manchmal auch herzlich oder überschäumend fröhlich. Ich habe den Eindruck, dass für die Stimmung in einem Land dessen Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Fast alle besuchten Länder waren einst europäische Kolonien: Das furchtbarste Erbe hat wohl das katholische Spanien hinterlassen mit seiner brutalen und bornierten Auslöschung jeder "heidnischen" Kultur inklusive deren Träger und -innen, gefolgt von gezielter Entmenschlichung und ökonomischer Ausbeutung der übrig gebliebenen Indigenen. Belize ist ein Sonderfall: Es hatte sowohl Spanien (nur ganz kurz) als auch England (ungleich länger) als Kolonialherren. Bis heute sind dort die strengen Spanier verhasst und die liberalen Engländer geschätzt. Doch auch die Engländer hatten einen rassistischen Blickwinkel auf die Völker ihres Empires (was meine Literaturtipps, siehe unten, deutlich machen), und sie behandelten nicht alle Kolonien gleich. Letzteres gilt auch für die Franzosen und hat unabhängig von der Kolonialmacht bis heute Auswirkungen: Dort, wo nicht investiert wurde, keine Infrastruktur aufgebaut und der einheimischen Bevölkerung keine Bildungs- oder gar Partizipationsmöglichkeit geboten wurde, waren die politischen und ökonomischen Verhältnisse auch nach der Selbstständigkeit der Länder prekär - und sind dies oft bis heute: so in Myanmar (das einstige britische Burma), Kambodscha (einst französisch) und sämtlichen ehemals spanischen Kolonien. Die Nachbarkolonien, die mehr Unterstützung durch England bzw. Frankreich erhielten, sind deutlich stabiler: Indien, Vietnam oder eben Belize. Nachvollziehbar ist daher die - sagen wir einmal - kollektive psychische Beeinträchtigung in Kambodscha und Guatemala, wo bis in jüngste Zeit unvorstellbar grausame Systeme das Sagen hatten. Rätselhaft hingegen Myanmar, das viele Jahre harter Militärdiktatur hinter sich hat und auch heute alles andere als eine nette Demokratie ist, wovon Reisende allerdings gar nichts merken (zumindest solange sie nicht in die Gebiete der verfolgten Minderheiten vordringen). Rätselhaft auch Mexiko, das trotz Erdölvorkommen, relativem Reichtum und langer Unabhängigkeit (seit 1821) schlicht depressiv erscheint.

And now for something compleletly different: Mir war nicht klar, wie variantenreich Kleidungsstile und Körperumfang unserer Gastgeber und -innen sein würde. In Indien gab es viele wunderschöne Saris neben Jeans und T-Shirt, äußerst Wohlgenährte (meist auch Wohlhabende) neben Ausgemergelten. Auf den Seychellen dann muskulöse Rastalocken-Träger als Minderheit neben Fülligen beiderlei Geschlechts. So klein, schmal und zart wie in Burma waren die Menschen nirgendwo. Von Kambodscha kommend, wo Männer und Frauen zaundürr sind und dunkle, lange Hosen und Röcke tragen, war das erste, was mir in der U-Bahn in Sydney aufgefallen ist: Die Menschen sind hier ausnehmend gut genährt und tragen sehr wenig Stoff am Körper. Wie groß war meine Verwunderung dann auf der Osterinsel: Die Touristen stammen hauptsächlich aus Chile, wo man offensichtlich gerne viel isst und die Kleidung auf ein gerade noch schickliches Minimum beschränkt (unabhängig von Körperumfang und Alter). Die erfreuliche Verweigerung jeglicher Unterwerfung unter den BMI-Terror hielt in Lateinamerika an, ab Guatemala verschwand aber die Offenherzigkeit. Nur dort wurde traditionelle indigene Tracht getragen, in Mexiko dann bisweilen auch, aber eher für uns Touris (hatte ich den Eindruck). Belize war der lebenslustige Fremdkörper in Mittelamerika: wieder Rastalocken und Lässigkeit pur.

Übrigens: Eine westliche Frau kann sechs Monate überleben mit sechs Hosen, zwei Röcken, elf T-Shirts, einem Strandkleid, zwei Pullovern, zwei Paar Barfußschuhen und einem Paar Sandalen (als Luxus) - ohne sich ein einziges Mal die Haare zu färben und ohne sich ein einziges Mal auch nur ein bisschen zu schminken. Und fühlt sich pudelwohl dabei.

Eine westliche Frau überlebt auch sechs Monate ohne Sport, aber auf Dauer nicht ohne Schaden. Klettertouren auf und in Tempel und Pyramiden, lange Besichtigungen und ein bisschen Gymnastik sind kein Ersatz für Schwimmen und intensives Gehen mit meinen MBT-Schuhen. Die ganzen schönen Muckis schwinden, was dazu führt, dass die Figur zerrinnt (schließlich bin ich nicht mehr 20). Sehr unangenehmer Nebeneffekt der geringeren Muskelmasse: Frau nimmt beim Essen schneller zu.

Und damit sind wir bei einem unserer zentralen Reiseinhalte: dem Essen. Und hier gibt es wieder einmal eines unserer berühmten Rankings: 

Gewonnen hat eindeutig und auf ganzer Linie Indien. Eine hinreißende, vielfältige und interessante Küche, und wir haben mit zwei Ausnahmen immer so richtig gut gegessen, also auch hohes Restaurantniveau. Die Brotvielfalt ist bemerkenswert, der Reis gut - nicht alles, aber das meiste ist schon scharf.

Völlig unerwartet liegt Rapa Nui an zweiter Stelle: Kinder, Kinder, die haben Fisch und Meeresfrüchte (Slipper Lobster!!!) in einer Qualität, da legst du die Ohren an. Und kochen können sie auch. Ceviche kann soooo gut sein.

Platz drei geht an Georgien. Die Küche ist bodenständiger, nicht so raffiniert wie die indische, auch bei weitem nicht so vielfältig, aber die Gerichte sind schmackhaft und machen Spaß, die Zubereitung war vom Frühstück im B&B bis zum Gasthaus fast immer wunderbar, die Portionen kaum zu bewältigen.

Es folgt Myanmar mit einer völlig eigenständigen Küche, aus der die Salate herausstechen: zB mit fermentierten Teeblättern und fast immer mit vielen Erdnüssen. Hauptgerichte sind Currys (Fisch, Fleisch und vegetarisch), die immer mit Reis, einer intensiven, guten klaren Suppe als "Beilage" sowie einer Palette von Schüsselchen mit eingelegten oder gegarten Gemüsen serviert werden. Selbst bei den einfachsten Ständen am Straßenrand in der Regel ein Genuss.

Obwohl am guten fünften Rang gelandet, war Thailand trotzdem die große kulinarische Enttäuschung. Schuld ist Frau Sri Gumpoldsberger aus dem 3. Bezirk, die so gut kocht. Mir ihre mithalten konnten nicht viele der in Thailand verbliebenen Köche und Köchinnen. Normalerweise ist das viel gepriesene Streetfood uninteressant bis schlecht. Herausragende Ausnahme war der Wochend-Nachtmarkt von Chiang Mai. Immerhin brachte Thailand auch das beste einzelne Essen der Reise zustande: großartige, riesige Flußgarnelen in einem Luxusrestaurant in Ayutthaya.

Über die kulinarischen Reize Lateinamerikas möchte ich gerne den Mantel des Schweigens breiten - und sie eher rasch vergessen. Ja, ja, auch dort haben wir gut gegessen, aber so selten, dass die Finger einer Hand zum Zählen der erfreulichen Lokale ausreichen.

Neues Ranking, diesmal Obst: Wir haben uns unendlich auf die exotischen Früchte gefreut - und haben diese in Thailand in völlig unnachahmlicher Qualität und berauschender Vielfalt gefunden, und zwar sowohl zum Essen als auch zu frisch gepressten Säfte verarbeitet. Platz zwei geht an Georgien. Nicht exotisch, aber von hinreißender Qualität waren Zwetschken, Pfirsiche, Honigmelonen und vor allem Äpfel. Für die berühmten Persimonen waren wir leider zu früh dran und konnten nur eine einzige Sorte kosten. Bronze gewinnt Kolumbien, denn auch dort gibt es viele Sorten Obst zu entdecken und es ist gut (wir lieben Zapote). Indien wäre sicher auch ein heißer Tipp gewesen, doch dort waren wir zu feig zum Obstessen, aber immerhin haben wir es gewagt, die am Straßenrand unter zweifelhaften hygienischen Bedingungen gepressten Limettensäfte (mit Zucker und Salz) zu trinken - und das war eine hervorragende Idee. Die indischen Limetten waren mit Abstand die besten der Reise. Alles andere war vergleichsweise fad, weil für uns nicht neuartig. Okay, die kleinen Bananen waren fast überall gut (zumindest wenn man sie nachreifen ließ), Guaven können toll sein, die Qualität der Ananas war durchgehend wunderbar und Mangos können riesig Spaß machen, aber warum serviert man zum Frühstück immer und überall nur Wassermelone, Zuckermelone, Papaya und/oder Ananas?

Alkoholisches gab es nicht oft: Wein ist nur in Georgien von Bedeutung, und er kann dort hervorragend sein. Interessant ist Georgien zunächst für alle, die dem modernen Orange Wine huldigen, denn dort liegen seine Wurzeln: Die Qvevri-Weine (bei uns Amphoren-Weine genannt) dürfen nicht in die EU importiert werden, was ein Jammer ist, wie ich finde. Aber auch die klassisch ausgebauten Weine sind eine Reise nach Georgien wert. Beim Hochprozentigen kann kein Land auch nur annähernd mit dem Rum aus Guatemala mithalten (Zacapa und Botran), der eigentlich gute honduranische Bruder Flor de Caña ist im Vergleich dazu ganz schwach.

Ich wollte es ja nicht glauben, aber in Lateinamerika ist der Kaffee wirklich nicht gut. Wir waren in berühmten Kaffeeanbauländern wie Guatemala und Kolumbien - aber nix da. Alles Gute wird offenbar exportiert. Von allen Zielländern den besten und interessantesten Kaffee hat - unglaublich, aber wahr - Kambodscha zustande gebracht. Wir haben ihn auch gekauft (er hat uns viele Wochen begleitet und gerettet). ABER wir haben den wahrscheinlich besten Kaffee unseres Lebens entdeckt (und das, obwohl wir so viele und so gute italienische Kaffees kennen), einen aus Äthiopien, den wir bei einem Zwischenstop am Flughafen von Addis Abeba gekauft haben. Kennt jemand eine Stewardess oder einen Piloten von Ethiopian Airlines? Bitte dringend melden.

Dass sich die drei Mahlzeiten, die man täglich einnimmt, so klar voneinander unterscheiden wie bei uns, ist ungewöhnlich. Das habe ich gelernt. In fast allen unseren Reiseländern war der Speisezettel zu jeder Tageszeit gleich (selbst im europäisch geprägten Georgien). Ich habe das bei längeren Aufenthalten ziemlich eintönig gefunden und schätze meinen Frühstücksstriezel mit Marmelade jetzt mehr als zuvor.

Ich habe vor dieser Reise noch nie Insekten gegessen und sie jetzt zu schätzen gelernt. Sie sind oft eine geschmackliche Bereicherung (Ameisen), manchmal fad (Heuschrecken), manchmal auch ein bisschen streng im Geschmack (Würmer), aber niemals grauslich. Wirklich nicht!

Und jetzt kommt der große Abschluss

Lesen gehört für uns zum Reisen (und davor zum Planen) einfach dazu. Und so sind wir mit 15 Reiseführern im Gepäck aufgebrochen, von denen wir die meisten wieder abgeworfen haben, da sie sich in der Praxis vor Ort nicht bewährt haben. Wohltuende Ausnahme und sehr zu empfehlen: Archeological Mexico von Andrew Coe (unbedingt kaufen, auch wenn das nur per Internet in den USA möglich ist). Beim Reiseplanen und inzwischen auch beim Besichtigen ist das Internet ein wahrer Segen. Und so haben wir für manche Destinationen, für die die Reiseführer keine ausreichenden Angaben machten, unsere eigenen Führer aus Internetquellen gebastelt und auf dem E-Book-Reader zu den Sehenswürdigkeiten mitgenommen. Das Titel-Foto zeigt uns bei der Arbeit im Bayon-Tempel in Angkor.

Aber eigentlich wollte ich etwas anderes erzählen. Für die langen Abende (wenn spätestens um 20 Uhr alles außer uns schläft), die stundenlangen Wartezeiten (zB auf den nächsten Flieger) oder die Busfahrten bzw. Flugstrecken habe ich mir ein Begleitprogramm zur Reise vorgenommen: In jedem Land mindestens ein Buch von einem Autor oder einer Autorin zu lesen, die mit diesem Land eng verbunden ist. Belletristik hat Priorität, aber da es nicht überall Literatur in unserem Sinn gibt, waren auch Sachbücher dabei (die ich deswegen hintangereiht hatte, weil das Lesen wissenschaftlicher Literatur normalerweise mein täglich Brot ist). Meine Leseliste enthält vielleicht auch für Euch den einen oder anderen Tipp:

Georgien (hier hatte ich viel Zeit, und es gibt auch recht viele E-Books auf Deutsch, vielleicht weil Georgien 2018 Schwerpunktland der Frankfurter Buchmesse war)

Boris Akunin: Fandorin (der erste Krimi einer ganzen Reihe, spielt im 19. Jhdt. in Moskau; Fandorin ist der Detektiv, Akunin der Künstlername eines Georgiers, der in Russland eine ganz große Nummer ist; hat mich weder sprachlich noch von der Story her überzeugt, alles ein wenig sehr übertrieben, manieriert, unwahrscheinlich und gleichzeitig ausrechenbar)

Techno der Jaguare. Neue Erzählerinnen aus Georgien (Sammlung von Kurzgeschichten zeitgenössischer Autorinnen, u. a. von Superstar Nino Haratischwili; durchwachsen, wie halt oft bei solchen Anthologien, aber ein guter Einstieg)

Georgien. Eine literarische Reise (Wieder begegnen wir Nino Haratischwili, die die grenzgeniale Idee hatte, literarische Zweierteams zu bilden, die gemeinsam rund eine Woche lang eine Region Georgiens bereisen und dann darüber einen kurzen Text verfassen sollten. Was das Ganze so interessant und nett macht, ein Teil jedes Teams kam aus Deutschland, der andere aus Georgien. Ein dringende Empfehlung für alle, die nach Georgien fahren wollen.)

Archil Kikodze: Die Geschichte von einem Vogel und einem Mann (Kikodze hat meiner Meinung nach den besten Text für die "Literarische Reise" geschrieben, und auch seinen Roman fand ich ganz hervorragend.)

Abo Iaschaghaschwili: Royal Mary. Ein Mord in Tiflis (Auch diesen Krimi wählte ich aufgrund der "Literarischen Reise" - war keine so gute Idee. In jeder Hinsicht misslungen, eine Kopie der Akunin-Bücher mit Schauplatz Tiflis.)

Usbekistan (Das erste von mehreren Ländern, in denen Literatur in unserem Sinn keine Tradition hat, es also nur sehr wenige Romane, Kurzgeschichten etc. gibt und wenn doch, kaum Übersetzungen auf Englisch oder gar Deutsch.)

A Collection of Uzbek Stories (Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die in den USA auf Privatinitiative ins Englische übersetzt und veröffentlicht wurde. Eigenartig erratische Handlungsabläufe, mit denen ich nicht viel anfangen konnte.)

Seychellen (Keine einheimischen Autoren oder -innen auf Englisch oder Deutsch, also musste ich auf einen englischen Zuwanderer zurückgreifen, der mit einem Mitglied der persischen Schahfamilie nach der Übernahme des Iran durch die Mullahs auf eine der Inseln kam.)

Glynn Burridge: Voices. Short Stories from the Seychelles (Nicht die ganz große Literatur, aber kurzweilig zu lesen. Manches hilft, die Inseln besser zu verstehen.)

Indien (Hier habe ich mich für einen Klassiker entschieden, das angebliche Lieblingsbuch Nehrus.)

Rudyard Kipling: Kim (Mein erster Kipling, und ich bin begeistert: sprachlich toll, differenziert in der Kritik am Kolonialismus und kompetent in der Beschreibung des damaligen Britisch-Indien. Kipling ist übrigens in Bombay geboren.)

Myanmar (Und noch ein Klassiker, der heute bei den Tempeln von Straßenverkäufern angeboten wird, auch in deutscher, französischer, spanischer oder italienischer Übersetzung.)

George Orwell: Burmese Days (Orwell, wie Kipling in Britisch-Indien geboren, genauer in Lahore, hat in Burma gearbeitet und dort ganz offensichtlich die Briten in ihrer Rolle als Kolonialmacht zu hassen gelernt. Das Buch ist hemmungslos kritisch, ein bisschen sehr mit dem Holzhammer, aber kurzweilig und durchaus lesenswert.)

Thailand

Kukrit Pramoj: Four Reigns (Pramoj kam aus einer Politikerfamilie und war bekennender Royalist, das sollte man wissen, wenn man die umfangreiche Familiengeschichte in Angriff nimmt. Parteiisch und detailverliebt und daher auch langatmig beschreibt der Roman den Lebensweg einer Adeligen, die vier Könige und viel gesellschaftlichen Wandel erlebt. Kein Meisterwerk, aber für einen langen Thailand-Urlaub gut geeignet.)

Kambodscha (Sucht man nach einem Buch aus oder über Kambodscha, findet man eigentlich nur Literatur über die Zeit der Khmer Rouges, häufig die Berichte von Überlebenden dieses furchtbaren Regimes.)

Rithy Panh: Auslöschung (Auch Rithy Panh hat als Jugendlicher die Khmer Rouges überlebt. Später hat er international anerkannte Dokumentarfilme über diese Zeit gedreht und dafür die Akten aus dem berüchtigten Foltergefängnis S 21 studiert und dessen einstigen Leiter stundenlang interviewt. Er präsentiert sich abwechselnd als Zeitzeuge und Experte. Ein bedrückendes und informatives Buch, manchmal ein wenig wirr und sprachlich nicht immer überzeugend.)

Australien: Patrick White - The Eye of the Storm (wartet zu Hause, fünf Tage waren zu kurz für dieses dicke Buch.)

Kolumbien (Hier konnte ich einem lang gehegten Wunsch nachkommen und endlich einen García Marquez-Roman lesen. Ein Buch des aktuellen Stars Juan Gabriel Vásquez habe ich auf der Heimreise begonnen, bin aber noch nicht fertig.)

Gabriel García Marquez: Hundert Jahre Einsamkeit (Kurz und bündig: Nein, das war nicht mein Buch. Ich mag es eigentlich skurril, aber nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen, ohne für mich erkennbaren Witz oder Sinn.)

Guatemala (Eigentlich wollte ich Miguel Angel Asturias‘ „El señor presidente“ lesen, aber leider gibt es kein E-Book dieses indigenen Literaturnobelpreisträgers und Bürgerrechtlers. Und auch gedruckt war es auf Englisch in Guatemala nirgends zu kaufen. Also hielt ich mich an die Erinnerungen der berühmten Friedensnobelpreisträgerin des Landes.)

Elisabeth Burgos-Debray: I, Rigoberta Menchú (Noch so ein bedrückendes Selbstzeugnis. Menchú war 23 Jahre alt, als sie ihre Lebenserinnerungen erzählte. Sie hatte erst drei Jahre zuvor begonnen, Spanisch sprechen, schreiben und lesen zu lernen. Nicht nur die Geschichte ihrer politisch aktiven Familie (Vater bei einer Demonstration erschossen, Mutter zu Tode gefoltert, ein Bruder schwer gefoltert und dann bei lebendigem Leib auf einem Dorfplatz verbrannt, zwei Schwestern kämpfend bei den Guerilleros in den Bergen) ist informativ, sondern auch die vielen Details über das Leben der Indigenas in Guatemala. Ein schwieriges Land, das bestätigt sich beim Lesen, nicht nur beim Reisen.)

Honduras (Auch hier war mein Wunschbuch nicht als E-Book verfügbar. Zu Hause werde ich aber Green Prison von Ramón Amaya Amador lesen, der die dubiosen Praktiken der Standard Fruit Company - Dole Bananen! - anprangert. Die großen Obstproduzenten United Fruit Company - Chiquita! - und eben Standard Fruit Company haben in Mittelamerika eine sehr unangenehme Rolle gespielt.)

Belize (Wieder einmal keine E-Books und keine Buchgeschäfte vor Ort. Nach langer Suche fand Roby heraus, dass archive.org gedruckte Bücher einscannt und als E-Books zur Verfügung stellt. Das war die Rettung.)

Zee Edgell: Beka Lamb (1982, ein Jahr nach der Unabhängigkeit, erschienen, macht die nette Geschichte zweier heranwachsender Mädchen und ihrer dunkelhäutigen Familien klar, dass auch diesem sympathischen Land Rassismus nicht fremd war, wenn auch deutlich schaumgebremst im Vergleich zu den meisten anderen unserer Zielländer - und zeigt, wie unendlich arm das Land damals noch war. Ein nettes kleines Buch, das man in Belize mithaben sollte.)

Mexiko (Da gäbe es viele, die mich interessiert hätten: Juan Rulfo, Octavio Paz oder Carlos Fuentes zum Beispiel, aber kaum zu glauben, auch hier fehlen die E-Books entweder völlig, oder es gibt sie nur auf Englisch. Und eigentlich finde ich es suboptimal, wenn ich ein Buch, das ich ohnehin übersetzt lesen muss (weil ich nicht genügend Spanisch kann), dann nur in einer anderen Fremdsprache bekomme. Also wurde es ein Krimi, und was für einer.)

Paco Ignacio Taibo II: Vier Hände (Da habe ich ein neues Lieblingsbuch gefunden und einen Autor, von dem ich noch viel lesen muss. Hoffentlich sind seine anderen Bücher auch so klug, witzig, politisch engagiert und kunstvoll aufgebaut. Taibo kann auf einen unendlich großen Wissensschatz zurückgreifen. Da mischen sich aufs Allerbeste Erzählstränge über US-Geheimdienste, stalinistische Säuberungsaktionen, die Praktiken an den Unis und im großen Drogengeschäft in Mexiko, den spanischen Bürgerkrieg und vieles mehr. Und Stan Laurel und Houdini treten auch auf. Alles mit scharfem Blick beobachtet und gnadenlos treffend gezeichnet. Eine warme Empfehlung.)

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