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El Salvador: Panchimalco (& San Salvador Teil 3)

Veröffentlicht: 08.04.2018

In jedem Land hat man irgendwie so eine Stadt, wo man mehrmals immer wieder herkommt. Meist liegt das daran, dass es sich bei diesem Ort um einen Verkehrsknotenpunkt handelt, von wo aus man die besten Busverbindungen an andere Orte hat. Meist handelt es sich dabei nicht gerade um die schönsten Flecken des Landes, wo es auch noch viel zu sehen geben würde, und es sind oft auch nicht die sichersten Ecken. In Mexiko war das Merida, in Kolumbien Bogota, in Belize Belize City, in Guatemala Antigua und in El Salvador halt San Salvador. Wir kamen das dritte Mal nach San Salvador, um von hier aus nach Panchimalco zu fahren, doch dazu später mehr.

Nachdem wir mittags in der Stadt angekommen waren, entschlossen wir uns, nachmittags ins Museo de Arte zu fahren. Wir sind zwar nicht gerade Kunst-Fanatiker, aber etwas Abwechslung im Programm tut immer gut. Das Museum ist ganz nett und stellt hauptsächlich Werke salvadorianischer Künstler aus. Die Gemälde-Abteilung hat uns nicht besonders umgehauen obwohl schon einige spezielle Sachen dabei waren. Am Interessanten war die Abteilung über moderne Kunst, wo verschiedene Installationen gezeigt werden, die sich mit der salvadorianischen Kultur, dem Bürgerkrieg oder anderen aktuellen Themen in Salvador beschäftigen. Das eindrücklichste Werk für mich war die Imitation eines Mars-Rovers, an welchem mit Esswaren und Süssigkeiten vollbeladene Kisten und Bauchläden angebracht waren. Die Kisten und Bauchläden symbolisieren die «mobilen Verkäufer», die in El Salvador so typisch sind, und die einem immer und überall verschiedenste Güter und Waren zum Kauf anbieten. Die Parallele zum Mars-Rover stellt dabei das Prinzip «der Suche nach Leben» dar. So wie der Mars-Rover im Universum eingesetzt wird, um dort nach ausserirdischem Leben zu suchen, werden die Bauchläden hier in Salvador eingesetzt, um nach Leben für die lokalen Familien zu suchen.
Ein weiteres Ausstellungsstück, welches mich sehr bewegt hat, war die Fotographie eines Inszenierungskünstlers, der sich eine rote Linie auf den Oberkörper tätowiert hat, und zwar genau die Naht-Linie, die bei einer Autopsie entsteht. Ausserdem ist er auf dem Foto in der Pose von Christus am Kreuz aufgenommen. Er will damit auf die in Salvador herrschende Gewalt hinweisen und darauf aufmerksam machen, wie viele junge Leute am Ende ihres kurzen Lebens diese Naht tragen.
Es gab noch einige weitere sehr innovative und kreative Installationen, die sich auf eine sehr aufrichtige Weise mit traurigen Geschehnissen der Geschichte und mit schwierigen gesellschaftlichen Aspekten El Salvadors befassen. Das Museum ist zwar klein und der Besuch nicht gerade Tages-füllend, aber wenn man schon mal da ist, und etwas Zeit hat, sollte man es sich ansehen.

Sonntags wollten wir in das kleine Dorf Panchimalco ausserhalb von San Salvador fahren, um dort die Feierlichkeiten und Prozessionen zum Palmsonntag zu sehen, für welche der Ort offenbar berühmt ist.
Tags zuvor hatten wir ein deutsches Päärchen im Hostel kennengelernt, die sich uns anschliessen wollten. Allerdings waren sie noch weniger Frühaufsteher als wir, weshalb wir uns auf eine relativ späte Abfahrtszeit geeinigt hatten. Ich habe mich dann ziemlich geärgert, als sie uns am nächsten morgen zur vereinbarten Zeit schrieben, sie würden nun doch nicht mitkommen. Noch mehr habe ich mich geärgert, als wir dann endlich in Panchimalco angekommen waren und erfahren mussten, dass die morgendlichen Feierlichkeiten gerade vorüber seien. Nachmittags um 4 würde es weitergehen, also in ziemlich genau 4.5 Stunden. Haha.
Wir fielen ziemlich auf in diesem Dorf, da wir die einzigen Ausländer hier waren, und zudem wurden wir augenblicklich von irgendwelchen Betrunkenen belagert, die unverständliches Zeug in Spanisch lallten und wahrscheinlich Geld wollten. Was denn auch sonst. Es gibt in Salvador eigentlich verhältnismässig wenige Bettler, vor allem gibt es Wenige, die zielstrebig nur auf die Touristen zukommen, wie dies an anderen Orten üblich ist. Wahrscheinlich liegt das auch einfach daran, dass es hier kaum Touristen gibt. Aber es passierte uns immer mal wieder, das Betrunkene offenbar ihre Hemmungen verlieren und sich denken: Hey, den Weissen da, den könnte ich ja eigentlich noch um einen Dollar für ein weiteres Bier bitten. Und wie es für Stock-Betrunkene leider üblich ist, lassen sie sich meistens auch nicht so einfach abwimmeln, sondern labern hartnäckig weiter, obwohl man immer wieder deutlich zu verstehen gibt, dass man eigentlich kein Wort versteht.
Also flohen wir erstmal von diesem Hauptplatz und suchten uns eine schattige Bank im kleinen Park, wo wir die nächsten 4.5 h auf die Prozession warten würden. So wurde es uns gesagt: um 4 Uhr beginnt die Prozession. Also warteten wir…und warteten….und beobachteten ein wenig das Geschehen in dem verschlafenen Nest.
Etwa um 3 Uhr fanden wir uns wieder vor der Kirche ein, damit wir auch ja nichts verpassen würden, aber da gab es irgendwie gar nichts zu verpassen. Nichts geschah, nur wenige Leute waren dort. Also setzten wir uns wieder auf eine Bank. Und warteten…und warteten…irgendwann kam ein Pick-up mit einigen Leuten und Gerät. Sie luden den Krempel ab und begannen vor uns an der Strasse eine Pupuseria aufzubauen. Sehr gut, Futter für das Volk wurde vorbereitet, bald musste es also losgehen. Also warteten wir weiter…..und warteten……
Kurz vor 4 Uhr kamen tatsächlich einige Leute herbei mit Palmwedeln in der Hand und versammelten sich auf dem Kirchenplatz. Endlich! Es geht los! Die Kirchentür ging auf, ein Priester kam heraus, hinter ihm die Kirchendiener, die ein Kreuz trugen. Juhuu, die Prozession beginnt! Schnell standen wir auf und platzierten uns am Strassenrand. Und wir warteten…und warteten…. Aber nichts geschah. Wir gingen also mal näher hinauf zum Kirchenplatz und stellten fest, dass der Priester aus der Bibel vorlas. Aha. Ok. Nachher wird’s wohl weitergehen. Und tatsächlich! Anschliessend ging es weiter! Allerdings in die falsche Richtung! Der Priester machte nämlich kehrt und marschierte mitsamt Kirchendiener, Kreuz und Gefolge zurück in die Kirche. Häää?!
Nun gut, offensichtlich gab es zuerst noch einen Gottesdienst, bevor die Prozession starten würde. Also dachten wir uns, da wir ja nicht noch etwas Wichtiges verpassen wollten, dass wir wohl am Gottesdienst teilnehmen sollten. Interessanterweise war ich während unserer bisherigen Zeit hier in Lateinamerika schon einiges häufiger Zeuge von Gottesdiensten als in meinem ganzen bisherigen Leben. Allerdings haben wir auch keinen Gottesdienst je von Anfang bis Ende verfolgt, meistens sind wir einfach blöd mittenrein getrampelt, weil wir uns eigentlich die Kirche ansehen wollten, und gar nicht wussten, dass gerade eine Messe stattfindet.
Diesmal wohnten wir der Messe von Anfang an bei….allerdings hielten wir wieder nicht bis zum Ende durch. Die Kirche war ziemlich voll, es war drückend heiss und stickig, und viel verstanden vom Kirchen-Spanisch haben wir ohnehin nicht. Ganz abgesehen davon handelte es sich auch ehrlich gesagt um die hässlichste Kirche, die ich je gesehen hatte, jedenfalls von innen. Ausserdem dauerte die ganze Sache ziemlich lange, länger als erwartet, es war jedenfalls nicht abzusehen, wann hier jemals noch eine Prozession starten würde. Und wir machten uns langsam Sorgen, wie wir noch zurück nach San Salvador kommen würden, schliesslich würde es bald dunkel werden. Eineinhalb Stunden hielten wir in der heissen, stickigen Kirche durch, wir standen mit der Menge auf, wir setzten uns mit der Menge hin, auf das Niederknien mit der Menge verzichteten wir allerdings. Das Vater Unser sprachen wir einfach in Deutsch mit, das fiel gar nicht weiter auf. Spannenderweise singt die Kirchgemeinde hier in Lateinamerika nicht selber. Kirchenlieder werden von jemandem vorgetragen oder lediglich von einem Instrument gespielt. Jedenfalls gaben wir nach eineinhalb Stunden auf, schlichen uns raus und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Wir fragten unterwegs noch ein paar Leute nach der Prozession, und wann diese denn überhaupt stattfinden würde. Aber irgendwie sagte jeder irgendwas anderes, so dass wir irgendwann ernsthaft daran zu zweifeln begannen, dass es überhaupt eine Prozession gibt, und endgültig aufgaben.
Als der Bus dann endlich kam, hatte es schon angefangen einzudunkeln und bis wir endlich San Salvador erreichten, war es komplett Nacht. Nicht gerade die Tageszeit, zu der man sich wünscht, in dieser Stadt anzukommen. Ausserdem fuhr der Bus nicht zum Terminal, die Endstation befand sich mitten in der Innenstadt. Auch nicht gerade der Ort, wo man sich um diese Tageszeit wünscht, in dieser Stadt anzukommen. Nun ja, kaum aus dem Bus ausgestiegen, schnappten wir uns das nächste Taxi, worin sogar noch die Frau des Taxifahrers sein Kind am Stillen war, aber das war uns egal. Das Taxi fuhr uns jedenfalls sicher nach Hause.

Wir waren ziemlich enttäuscht über unseren Ausflug nach Panchimalco. Wenn wir das gewusst hätten, dass das so ein Reinfall wird, wären wir wohl nicht noch ein drittes Mal nach San Salvador zurückgekommen. Aber wie sagt man so schön: Im Nachhinein ist man immer schlauer.

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