Wir reisen, also sind wir
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Uruguay: Montevideo

Veröffentlicht: 10.03.2019

Wenn man so lange am Reisen ist, hört man irgendwann auf, lange im voraus zu planen. Wir haben normalerweise einen groben Plan, was wir von einem Land ungefähr sehen wollen, und planen dann jeweils die nächsten 1-2 Stopps grob voraus. Als wir von Iguazu abreisten, hatten wir erstmal überhaupt keinen konkreten Plan mehr. Wir wollten nach Uruguay, soviel war klar. Ursprünglich hatten wir ja vorgehabt, die Amethystminen in Artigas zu besuchen, hatten diesen Plan allerdings nach dem Besuch in Wanda verworfen. Als Alternative dachten wir uns zunächst einmal nach Salto zu reisen, da der Ort bekannt ist für Thermalbäder. Also buchten wir einen Nachtbus nach Concordia. Die Stadt liegt in Argentinien, an der Grenze zu Uruguay. Auf der anderen Seite des Flusses Rio Uruguay liegt Salto. Auf dem Weg dorthin kamen wir in eine Polizeikontrolle, die erste von vielen, die uns in Argentinien noch erwarten würde. Das Polizeiaufgebot entlang der Argentinischen Strassen ist wirklich bemerkenswert. Wirklich an jeder Ecke, zumindest an jeder Provinzgrenze gibt es solche Kontrollen. Die Polizei befahl uns, mitsamt all unserem Handgepäck aus dem Bus zu steigen. Draussen mussten wir uns in einer Reihe aufstellen, und unser Gepäck vor uns auf den Boden legen. Tatsächlich schwitzte ich Blut und Wasser, da wir noch etwas Coca-Tee aus Bolivien dabei hatten. Als die Polizisten dann meinten, wir sollen nun alle Esswaren aus dem Handgepäck entfernen und zu uns nehmen, schauten uns Jörg und ich zum ersten Mal etwas ungläubig an. Aber wir taten wie geheissen. Anschliessend kam der Hund ins Spiel, der alle Gepäckstücke abschnüffelte. Ausgerechnet bei der Tasche mit unseren Keramikpapageien wurde der Hund nervös. Komischerweise, denn in der Tasche war tatsächlich nichts drin ausser den vermaledeiten Keramikvögeln. Jörg und ich wurden daraufhin auch etwas nervös, nicht weil wir etwas zu befürchten hatten, sondern weil wir extra viel Zeitung und Klebeband besorgt hatten, um die Vögel einigermassen bruchsicher zu verpacken und wir uns schon die ganze Arbeit wiederholen sahen, wenn wir die Vögel auspacken müssten. Der Polizist trat zu uns und wollte wissen, was in den beiden Zeitungspäckchen drin ist. Wir erklärten ihm, dass es sich um Andenken handele, um Vögel aus Keramik. Er nahm einen der Vögel in die Hand, schüttelte ihn, bohrte ein kleines Loch in die Zeitung....und.....gab ihn uns zurück.....todo bien...einpacken, weiterfahren! Jörg und ich mussten uns wirklich beherrschen, nicht lauthals loszulachen. Das war ja wirklich ein Witz. Natürlich waren wir nicht traurig, dass wir die Dinger nicht komplett aus- und anschliessend wieder einpacken mussten. Aber wenn ich Polizist wäre, und meine Arbeit einigermassen seriös erledigen würde, hätte ich ganz bestimmt diese zwei ziemlich verdächtig aussehenden Zeitungspäckchen aufgerissen und mich vergewissert, was da drin ist. Schliesslich hätten sie ohne weiteres gefüllt sein können mit Drogen. Ihr etwa nicht?
Nun denn, die Fahrt ging also weiter und wir kamen nach einigen Stunden frühmorgens in Concordia an. Hier blieben wir erstmal für eine Nacht und schauten uns am Nachmittag etwas im Ort um. Es gibt in der Stadt allerdings nicht viel zu sehen, ausser dem üblichen zentralen Platz mit einer Statue, einer Kirche und einigen hübschen Gebäuden. Allerdings war uns angesichts der herrschenden Hitze inzwischen auch die Lust auf Thermalbäder ziemlich vergangen. Kurzzeitig spielten wir noch mit dem Gedanken, nach Tacuarembo zu fahren, das im Landesinneren liegt. Dort ist es möglich auf einer Estancia zu wohnen. Wir hatten sogar an zwei Orten angefragt, allerdings von beiden eben erst am selben Morgen die Info erhalten, dass sie bis Mitte Januar komplett ausgebucht seien. Na toll. Was also nun? Kurzentschlossen entschieden wir, mangels besserer Ideen , direkt nach Montevideo zu reisen. Gesagt, getan. Wir schnappten uns ein Taxi, welches uns von Concordia nach Salto brachte und nahmen dort am Busterminal den nächsten Bus nach Montevideo. Die Fahrt dauerte etwa 7h. Unterwegs kam mir plötzlich in den Sinn, dass ein Studienkollege von mir, Raphi, gerade vor ein paar Tagen mit seiner frischgebackenen Ehefrau Anita zu ihrer einjährigen Südamerikareise aufgebrochen war, die in Montevideo starten sollte. Also schrieb ich ihm, und tatsächlich, sie waren noch dort, da sie noch auf ihr Auto warten mussten, welches sie dorthin verschifft hatten. Wir hatten schon zuvor mal auf Facebook Nachrichten ausgetauscht, dass wir uns ja vielleicht irgendwo mal treffen würden, dass es allerdings so schnell geschehen würde, damit hätte niemand gerechnet.
Nachdem wir endlich in Montevideo angekommen waren, schafften wir unser Gepäck ins Hotel und machten uns auf zum vereinbarten Treffpunkt. Uns wurde mehrfach versichert, wie sicher es doch sei in Montevideo, man müsse sich überhaupt keine Gedanken machen. Aha. Aber komischerweise waren die Taxifahrer allesamt mit einer Wand und einer Glasscheibe vom Fahrgastraum im Auto abgetrennt, nur eine winzige Klappe diente als Verbindung, um das Fahrtgeld durch zu reichen. Macht wirklich einen sehr sicheren Eindruck hier, jawohl. Sowas hatten wir jedenfalls zum ersten Mal gesehen in ganz Südamerika. In Ecuador damals gab es in den Taxis Kameras und Notfall-Knöpfe mit denen man bei Gefahr die Polizei alarmieren konnte.

Wir verbrachten einen fröhlichen Abend in einer Vinothek mit Raphi, Anita, und weiteren Bekannten von Ihnen aus Österreich und Holland. Nach einigen Gläsern wein dislozierten wir dann noch auf ein Abendessen im Restaurant El Mercat gleich gegenüber. Dort lehrten wir dann auch Lili und Roberto kennen. Lili stammt aus Luzern und war vor zwei Jahren auf einer längeren Reise nach Montevideo gekommen, hatte hier Roberto kennen und lieben gelernt, war schliesslich geblieben und arbeitet nun mit ihm zusammen in seinem sehr erfolgreichen Restaurant. Wir würden noch einige Male herkommen. Leider sind die Spezialitäten des Hauses Fischgerichte, weshalb es für mich leider nicht besonders viel Auswahl auf der Speisekarte gab. Da wären Steak, Steak und dann nochmal Steak. Aber das Steak war gut. :-) Es wurde jedenfalls noch ein lustiger Abend, wir blieben noch weit über Ladenschluss hinaus sitzen, unterhielten uns und tranken noch etwas mehr Wein.

Für den nächsten Morgen hatten wir uns mit Raphi und Anita verabredet, um ein wenig die Stadt unsicher zu machen. Wir wanderten ein wenig im Hafengebiet und in der Altstadt umher und schauten uns den Ort an. Am Nachmittag meldete Anita, dass sie erschöpft sei (ob das wohl am Wein des gestrigen Tages liegen mochte?) und sich noch etwas im Hotel ausruhen möchte. Also verabredeten wir uns noch für ein gemeinsames Abendessen, da Jörg und ich am nächsten Tag vorhatten weiterzuziehen, während Raphi und Anita ihr Auto auf die grosse Fahrt, die vor ihnen lag, vorbereiten wollten. Inzwischen war das Auto nämlich durch den Zoll gekommen. Also machten Jörg und ich uns selber noch ein wenig auf die Pirsch, bis es Zeit war für das Abendessen.


Zunächst einmal besuchten wir das Museo del Gaucho, um etwas mehr über die Gaucho-Kultur in Uruguay und Argentinien in Erfahrung zu bringen. Als Gauchos werden „berittene Viehhüter der südamerikanischen Pampas“ bezeichnet. Ihre Blütezeit hatten die Gauchos im 19. Jahrhundert. Die Folklore hat sie romantisch verklärt, vergleichbar mit den nordamerikanischen Cowboys.

Nach dem Besuch des Museum wusste man zwar nicht wahnsinnig viel mehr über diesen Mythos, aber es war trotzdem ganz unterhaltsam, wenn auch nicht gerade nachmittags-füllend. Das Museum befindet sich in einem hübschen, reich verzierten Palacio. Ausgestellt werden vor allem Mate-Utensilien, also die typischen Trinkgefässe und Bombillas, mit denen die Uruguayos ihren heissgeliebten Yerba-Mate trinken.Wir erinnern uns: dasselbe hatten wir schon in Paraguay, mit dem Unterschied, dass das Getränk hier heiss und nicht eiskalt getrunken wird. Ansonsten unterscheidet sich hauptsächlich die Grösse des Thermokruges und das Trinkgefäss. In Paraguay hatte man bis zu 2.5l grosse Thermoskrüge mit Pumpe dabei, während man hier kleinere Thermosflaschen dabei hat. Der kalte Terere wurde aus Bechern aus Alpaka-Silber getrunken, während der Mate typischerweise aus Trinkgefässen konsumiert wird, die aus einer Art Nuss oder Holz hergestellt sind. Die dabei typische Pose: die Thermosflasche unter den Arm geklemmt, in derselben Hand den Becher mit der Bombilla. Uruguayos haben also stets nur eine Hand frei, um irgendetwas zu verrichten. Passend zum Mate-Thema gab es auch einige witzige Karikaturen zu sehen, die den Stellenwert des Tees in der Gesellschaft des Landes auf lustige Art widerspiegeln, sowie Anleitungen zur Zubereitung.

Ansonsten bekommt man im Museum diverses Pferde-Geschirr zu sehen und typische Kleidungsstücke und Werkzeuge der Gauchos.


Wir besuchten das Museo de los Andes, welches den Flugzeugabsturz dokumentiert, der sich 1972 in den Anden ereignete. Das Flugzeug zerschellte am 13. Oktober 1972 an einem Berghang in den Anden in 4000m Höhe. An Board waren 40 Passagiere, die zu einer Uruguayischen Rugby-Mannschaft gehörten, ausserdem 5 Besatzungsmitglieder. Von den 45 Menschen an Bord starben 12 während oder unmittelbar nach dem Absturz. 5 weitere starben in der ersten Nacht, da an der Absturzstelle arktische Temperaturen herrschten, bis zu -40°C. Der übriggebliebene Rumpfteil des Flugzeugwracks diente den Überlebenden als schützende Unterkunft. Am achten Tag hörten die Überlebenden in einem kleinen Radio, dass die Suche eingestellt worden war, und sie offiziell für tot erklärt worden waren. Es gab keine Aussicht mehr auf Rettung, die Verletzten konnten nicht richtig versorgt werden, es gab keine angemessene Kleidung für die Wetterverhältnisse und die Nahrungsmittel gingen bald zu Ende. Weitere Gruppenmitglieder starben an ihren Verletzungen oder durch Lawinen. Nachdem die Nahrungsmittel aufgebraucht waren, und es weder Tiere noch Vegetation gab, waren die restlichen Überlebenden gezwungen, das durch Schnee und Eis konservierte Fleisch der Todesopfer des Flugzeugabsturzes zu essen. Roh. Man stelle sich das vor. Wie aussichtslos die Lage sein muss, bis man auf die Idee kommt und sich überwinden kann, seine Freunde, unter Umständen sogar eigene Familienmitglieder aufzuessen.

Die Überlebenden unternahmen immer wieder Expeditionen in verschiedenen Richtungen, die erfolglos verliefen, bis irgendwann einige Gruppenmitglieder nach einem tagelangen Marsch durch die Eiswüste auf einen Hirten trafen, der sie mit Essen versorgte und Alarm schlug. Nach 72 Tagen im Eis konnten 16 von 45 Flugzeuginsassen gerettet werden. Die Geschehnisse sind seitdem bekannt als „das Wunder der Anden“.

Das Museum war wirklich sehr gut gemacht und wahnsinnig ergreifend. Ausstellungsstücke gibt es zwar nicht viele, einige Kleidungsstücke und sogar einige Flugzeugteile. Aber dafür gibt es viel Lesestoff über die Insassen, die Ursachen und Hintergründe des Absturzes, sowie eine Zeittafel der Ereignisse und Karten der Expeditionen, die die Überlebenden in der Hoffnung auf Rettung unternommen hatten. Zeitungsartikel aus aller Welt sind zu sehen, die über das Drama berichteten. Und das Thema Kannibalismus wird aufgegriffen. Viele hatten die Überlebenden damals für ihre Taten verurteilt. Aber mal ehrlich, wer hätte in dieser Situation wohl nicht dasselbe getan? Es ist immer einfach, sich ein Urteil zu bilden vom eigenen, wohlbeheizten Wohnzimmer mit angrenzender Küche mit gefülltem Kühlschrank aus. Aber wer weiss denn wirklich, wie es wohl sein muss, 72 Tage lang im Eis, wohlwissend, dass die ganze Welt denkt man sei tot, und dass niemand mehr nach einem sucht? Furchtbar.....

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die ältere Dame, die im Museum gearbeitet hat. Kurz kamen wir mit ihr ins Gespräch, wobei sie meinte, es sei so ungewöhnlich kalt zu dieser Jahreszeit in diesem Jahr. Da fühle man sich gar nicht recht in Weihnachtsstimmung, bei dieser Kälte. Und das bei wohlverstanden 26°C. Verkehrte Welt......


Abends gingen wir wie verabredet nochmals mit Raphi und Anita Abendessen, bevor wir uns verabschiedeten und uns gegenseitig eine gute Weiterreise wünschten. Für sie war es der Beginn ihres grossen Abenteuers, wir sind schon lange mittendrin.....


Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns auch vorübergehend von Montevideo, denn tatsächlich würden wir noch einige Male hierher zurückkehren. Auch wenn uns das zu diesem Zeitpunkt noch nicht so bewusst war. Aber nun ging es erstmal auf nach Punta del Este!

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