Wir reisen, also sind wir
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Argentinien: Salta

Veröffentlicht: 02.04.2019

Es war eine lange Fahrt nach Salta, etwa 12h dauerte die Reise. Sie war allerdings mehr als angenehm, da wir nämlich auf dieser Fahrt zum allerersten Mal einen sehr komfortablen Suite-Klasse-Bus buchten.

Salta liegt in den Anden und ist daher Bolivien und Peru sehr ähnlich in Sachen Kultur, aber genaugenommen ist es nur ein billiger Abklatsch. Deswegen fanden wir es wahrscheinlich auch nicht ganz so spektakulär wie die vielen Reisenden, die uns von Salta vorgeschwärmt hatten. Deswegen blieben wir auch nicht lange dort.

Andererseits ist es wirklich die hübscheste Stadt in Argentinien die wir besucht haben, was allerdings auch nicht besonders schwer ist, da die meisten übrigen Städte ziemlich hässlich sind. Es gibt einen hübschen zentralen Platz, der von einigen beeindruckenden Kolonialgebäuden gesäumt ist. Die rot-goldene Iglesia San Francisco ist der beeindruckendste Sakralbau Saltas.


Es war Sonntagnachmittag, als wir ankamen, und da sonst nichts los war, besuchten wir den Sonntagsmarkt. Allerdings war hier auch nichts los, und auf dem Markt wurde tatsächlich genau derselbe Krempel angeboten, der einem auch überall in Peru und Bolivien angedreht wird. War also nicht besonders empfehlenswert. Hier gab es sogar wieder Coca-Blätter zu kaufen, wobei sie nur in diesem Teil von Argentinien so halbwegs legal zu sein scheinen.


Wir besuchten das Museo de Arqueologica de Alta Montaña, welches sich der Inkakultur im allgemeinen und den rituellen Kinderopfern im speziellen widmet. Auch in Argentinien wurden in den Andengipfeln Mumien von Kinderopfern gefunden. 1999 entdeckte man auf dem Gipfel des Llullaillaco die Mumien von 3 solchen armen Kerlchen, 2 Mädchen (eines 15-Jährig, das andere 6-7) und ein Junge (ca. 7 Jahre). Es handelt sich um die am nächsten gelegene archäologische Stätte der Welt. Die Kälte, der niedrige Luftdruck und ein Mangel an Sauerstoff und Bakterien trugen dazu bei, die Mumien fast vollständig zu konservieren. Jeweils eine der Mumien wird abwechselnd im Turnus von 6 Monaten in Museum ausgestellt und bildet den Mittelpunkt der Ausstellung. Ausserdem kann man sich die verschiedenen Grabbeigaben ansehen. Die Beschreibungen und Erklärungen sind eher oberflächlich, trotzdem handelt es sich auch hier um eines der besseren Museen, die wir in Argentinien besichtigten, was allerdings auch nicht besonders schwer ist, die allgemeine Qualität der Museen in Argentinien ist nämlich leider überraschend mies.

Ein weiteres interessantes Exponat ist die „Reina del Cerro“, eine Mumie aus einem Inkagrab, die nach einer turbulenten Reise hier gelandet ist. Die Mumie wurde 1920 von Grabplünderern aus den Bergen geholt und weilte anschliessend über 80 Jahre lang im Besitz verschiedenster Privatpersonen unter mangelhaften Bedingungen, bis sie 2006 ihren Weg ins Museum fand. Daher ist ihr Konservierungszustand einiges schlechter, als der der anderen 3 Mumien.

Die Kinder wurden sorgfältig ausgewählt und nach Cusco, in die Hauptstadt des Inkareichs gebracht, wo sie Teil einer wichtigen Zeremonie waren. Zeremonielle Heiraten zwischen den Kindern halfen die diplomatischen Beziehungen zwischen den Stämmen des Reiches zu festigen. Am Ende der Feierlichkeiten wurden die Kinder in einer Prozession um den Festplatz herumgeführt, dann kehrten sie in ihre Heimat zurück, in einem mühsamen Marsch, der Monate dauern konnte. Dort angekommen, wurde ihnen ein Willkommensfest bereitet, bevor sie zu ihrer letzten Reise in die Berge geführt wurden. In betäubten Zustand wurden sie zum Berggipfel gebracht und oftmals noch lebend bestattet, manchmal starben sie auch durch Erdrosseln oder einen Schlag auf den Kopf.


Wir schlossen uns einer geführten Tour an, um in die Quebrada de Humahuaca zu fahren, eines der Highlights der Gegend. Es handelt sich um eine weite Schlucht, die auch für farbiges Gestein bekannt ist. So ähnlich also wie die Regenbogenberge in Peru, wobei sie mit den Bergen in Peru also bei weitem nicht mithalten können. Die Farbe stammt hier nicht von verschiedenen Elementen im Gestein, sondern von unterschiedlichen Luft und Druck-Verhältnissen während der Entstehung der Berge.

Im Tal verstreut liegen malerische Dörfchen, von denen wir auf unserer Tour einige besuchten. Als architektonisches Merkmal ist hier der Adobe-Baustil verbreitet, also Gebäude aus Lehmziegeln.


Der erste Stopp führte uns nach Purmamarca, welches am Fuss des Cerro de los Siete Colores liegt. Hier bekamen wir eine Stunde Zeit, um von den verschiedenen Aussichtsplattformen (für die man alle separat Eintritt zahlen musste) die Berge anzuschauen, ein wenig im Dörfchen herumzuwandern oder sich auf dem Dorfplatz Souvenirs andrehen zu lassen.

Einen weiteren gelb-roten Hügel durften wir nur auf der Vorbeifahrt auf einer Brücke aus dem Bus anschauen. Zumindest hat der Fahrer das Tempo auf Schritttempo reduziert.

Anschliessend hielten wir in einer Töpfereiwerkstatt, wo uns dieses Kunsthandwerk vorgestellt wurde. Auch das hatten wir natürlich bereits hinreichend gesehen und ausserdem wollten wir nach dem Debakel mit den Keramikpapageien auch nichts mehr von Keramik wissen, so dass das Hightlight dieses Halts für uns eigentlich das riesige Lama am Eingang, sowie das kleine Gehege mit lebenden Lamas waren. Zuindest für mich, Jörg konnte auch dem nicht besonders viel Begeisterung abgewinnen.


Im kleinen Ort Tilcara besuchten wir die Ruine von Pucara. Da es zufällig gerade Montag war, mussten wir den horrenden Eintritt von 300 Pesos nicht entrichten. Ganz ungeschoren kam man allerdings doch nicht davon, am Eingang warteten nämlich freundliche Herren mit einer grossen Kiste und wiesen einen daraufhin, dass man eine Collaboration entrichten sollte, um Willkommen zu sein. Sehr freundlich, sie sind wirklich sehr liebenswert, die Argentinos.

Es handelt sich um ein Fort aus dem 11.-15.Jh, gleichzeitig ist es auch eine Nekropolis. Die dort lebende Kultur der Condorwuasi war nämlich dafür bekannt, dass sie keine Friedhöfe kannten. Die Toten wurden in der Sonne getrocknet und anschliessend als Leichenbündel im eigenen Haus in Löcher vergraben, die teilweise nur wenig über der Oberfläche lagen. Zu Festlichkeiten, wie beispielsweise Hochzeiten, wurden die Mumien immer wieder ausgegraben, so dass alle Familienmitglieder dem Anlass beiwohnen konnten, die Lebenden sowie die Toten. Die Mitglieder dieser Kultur verstarben in jungem Alter, niemand wurde älter als etwa 30, wofür genau dieser Brauch verantwortlich gemacht wird. Die Leute wurden nämlich ihr Leben lang von den giftigen Dämpfen aus den Gräbern vergiftet. Das änderte sich erst, als die Inkas kamen und das Konzept von Friedhöfen mit sich brachten, um die Toten zu bestatten. Die Inka hatten eine spezielle Art der Invasion, die nicht kriegerisch verlief. Sie kontaktierten nämlich die Dorfleader und boten ihnen an, sich freiwillig den Inka anzuschliessen. Im Gegenzug boten sie ihr Wissen bezüglich Strassenbau, Wasserleitsystemen und allgemeiner Infrastruktur an. Wenn die indigenen Stämme das Angebot ablehnten, verursachten die Inka ökonomische Krisen, solange, bis sie die Meinung änderten. Wenn die Prä-Inka-Stämme sich dann endlich bereit erklärten, sich den Inka anzuschliessen, arrangierten diese Ehen zwischen männlichen Mitgliedern der Stämme und Frauen aus dem Inka-REichs, die zu diesen Ehen gezwungen wurden. Der daraus entstehende Halb-Inka-Nachwuchs wurde wiederu gezwungen, jemanden von den Inkas zu heiraten, so dass innerhalb von 40 Jahren eine komplette Infiltrierung geschah und das Prä-Inka-Blut einfach ausgerottet wurde. Die auf diese Weise neu eroberten Dörfer mussten 80% ihrer Erträge nach Cusco abgeben.

Auf dem Gelände gibt es auch noch ein ziemlich hässliches Denkmal in Form einer Pyramide, um die Pionierarbeit der Archäologen zu ehren.


Als nächstes kamen wir in den Ort Humahuaca, wo wir zunächst einmal in ein Restaurant zum Mittagessen gingen. Natürlich war das Menu völlig überteuert, aber wenigstens war das Essen wirklich gut. Als Unterhaltung spielte noch eine Folkloreband für uns. Während des Essens kamen wir ins Gespräch mit einem älteren Ehepaar aus Rosario. Sie fanden es irgendwie gar nicht witzig, als wir sie auf die fehlende Flagge auf dem Flaggenmonument ansprachen, das hätten wir wohl vorhersehen können. Der Mann fragte uns über die Schweiz aus und wollte wissen, wie viele Stunden wir pro Tag arbeiten. Als wir mit 8-9h antworteten, meinte er frustriert, in Argentinien sei es leider nicht mehr möglich, mit nur 8-9h anständig zu leben. Ich musste es mir wirklich verkneifen, nicht zu erwidern, dass wenn wir in der Schweiz von 8-9h Arbeit sprechen, wir damit WIRKLICH Arbeiten meinen, und dass man bei uns an der Kasse im Supermarkt innerhalb von 15 Minuten mehr als einen Kunden abfertigt. Im Grunde ist er ja ein armer Kerl, er gehört zu dieser Generation, die ihr Leben lang gearbeitet haben, und deren Ersparnisse aus diesem Arbeitsleben nun von der extremen voranschreitenden Inflation im Land aufgefressen werden. Argentinien hat wirklich ein Problem. Das Geld verliert seinen Wert, die Preise steigen. Täglich. Im Supermarkt wurden wir bereits einmal von einer Frau darauf hingewiesen, dass wir darauf achten sollen, ob der Preis für ein Produkt an der Kasse mit dem Preis übereinstimmt, der auf dem Regal angegeben war. Das sei nämlich oft nicht der Fall, da die Preise ständig ändern. Schlimm sei es, meinte sie, und alles sei die Schuld der Weltbank. Aha.Vor den Banken bilden sich lange Schlangen, da die Argentinos jeden Rappen, den sie irgendwie bekommen, sofort in Dollar umtauschen gehen, harte Währung. Auch die angegebenen Preise im Reiseführer sind absolut nicht verlässlich, man muss sie mindestens mit Faktor 3 aufrechnen. Man muss dazu allerdings wissen, dass das Zauberwort der Argentinier „Cuotas“ (Ratenzahlung) lautet. Überall wird einem Ratenzahlung angeboten, jedes Produkt lässt sich auf Raten kaufen, jede Firma wirbt mit zinsfreien Krediten. Jörg hat in einem MacDonalds sogar beobachtet, wie eine Frau ihren Hamburger in 12 Raten bezahlt hat! Man stelle sich das vor, man ist nächste Weihnacht noch dabei den verdammten Hamburger vom Januar abzuzahlen! Die Argentinier leben also auf Pump, und das kurbelt die Inflation ebenfalls nur immer weiter an. Solange jeder immer mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, werden diese Probleme wohl auch nicht besser werden. Wir ersparten uns allen aber eine lange Diskussion über sozio-ökonomische und volkswirtschaftliche Probleme, schliesslich wollten wir ja alle den Tag in der Quebrada geniessen. Also nickten wir nur mitleidig, meinten es sei sehr traurig, dass Argentinien so schlecht dran ist, und beliessen es dabei.


Nach dem Mittagessen führte uns ein lokaler Guide noch durch das Städtchen Humahuaca und erzählte uns von den lokalen Bräuchen. Leider war sein Spanisch wahnsinnig schwierig zu verstehen, so dass wir nicht alles mitbekamen. Interessant waren die Erklärungen zu den Hochzeiten. Während eines Festes wurden die zukünftigen Ehepaare ausgewählt und zusammengebracht. Anschliessend durfte der zukünftige Ehemann seine zukünftige Ehefrau einer Prüfung unterziehen, ob sie zum Beispiel Kochen konnte, etc. Ausserdem führte er sie zum Fluss, wo sie sich hinhocken und vor seinen Augen in ein winzig kleines Gefäss pinkeln musste. Schaffte sie dies, war damit ihre Jungfräulichkeit bestätigt. Schaffte sie es nicht, nun, dann eben nicht. Was für ein absoluter Schwachsinn. Umgekehrt gab es natürlich keine Prüfung, die Frau musste sich einfach damit abfinden, was sie zugeteilt bekam. Zum Glück sind auch dort diese Bräuche inzwischen überholt, so dass die Leute ihre Partner selber auswählen können, ganz ohne Pinkelprüfung.
Nach der Führung erhielten wir noch ein wenig Zeit, um uns selbständig im Ort unzusehen. Es handelt sich um einen zwar hübschen aber wirklich sehr touristischen Ort. Die Kirche Iglesia de la Candelaria ist wirklich hübsch und der Cabildo ist für seinen Uhrenturm bekannt, aus dem um 12 Uhr mittags eine lebensgrosse Figur des San Francisco Solano heraustritt, um den Menschen Segen zu spenden. Leider waren wir bereits zu spät dran, um diesem Spektakel beizuwohnen.

Das ganze Dorfzentrum wird beherrscht von einem riesigen Monument, dem Monumento a la Independencia, welches oben an einer langen Treppe liegt.


In Uquia machten wir kurz Halt bei der Kirche, um uns die Bilder im Innern anzusehen. Darauf sind Erzengel mit Gewehren abgebildet, ein eher ungewöhnlicher Anblick. Die Sammlung ist allerdings unvollständig, es sind nicht mehr sämtliche Erzengel vertreten. Interessanterweise gibt es in der nähe weitere solche Kollektionen, die sogar alle ursprünglichen Erzengel abbilden, sogar den Engel Luzifer der später gefallen und zum Teufel geworden ist. Interessanterweise ist dieser Ort damit der Einzige, wo sich der Teufel in der Kirche befindet. Leider durfte man in der Kirche und von den Bildern keine Fotos machen. Eines habe ich trotzdem heimlich gemacht, aber leider ist es etwas verschwommen.


Auf dem Rückweg kamen wir nochmals bei einem Mirador vorbei, um weitere farbige Gesteinsschichten anzuschauen, bevor wir uns dann endgültig auf den Weg zurück nach Salta machten, wo wir nach einem langen Tag ankamen.

Die Tour war ehrlich gesagt so mässig berauschend. Zum einen war es halt mal wieder so eine übliche Cangrejo-Tour (Wir nennen so die Touren, auf denen wir mit lauter Einheimischen sind, im Gegensatz zu den Gringo-Touren), überall wurde man gehetzt und gestresst. Zum anderen hat aber auch die Gegend nicht besonders viel zu bieten, zumindest nicht, wenn man schon in anderen Ländern Südamerikas war, so wie wir. Trotzdem waren wir rückblickend ganz froh, dass wir die Sache zumindest als geführte Tour gemacht haben, und nicht etwa auf eigene Faust in die Dörfer hinaus gefahren sind. So verloren wir nicht viel Zeit und konnten schon bald wieder aus Salta verduften.


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