Veröffentlicht: 03.04.2019
Eine lange 18h-Busfahrt brachte uns nach Mendoza. Mendoza ist wohl bei weitem die hässlichste aller argentinischen Städte, die wir besuchten. Ausser 5 Plätzen, von denen 4 kleinere um den grossen zentralen Platz angeordnet sind, gibt es absolut nichts zu sehen. Während unserem ersten Bummel durch die Stadt wurden wir auch sogleich von ein paar zwielichtig aussehenden Gestalten um Geld angehauen. Als wir nichts gaben, wurde uns sogar nachgespukt. Sehr freundlich der Empfang hier, da fühlt man sich ja so richtig willkommen.
Die einzigen Museen, die uns interessiert hätten, waren leider geschlossen.
Das Highlight in Mendoza ist aber gar nicht die Stadt selber, sondern die Weingüter im Umland. Wir hatten aber absolut keine Lust, nochmals an einer geführten Tour teilzunehmen und ein Auto dafür zu mieten kam auch nicht in Frage, da in Argentinien Null-Toleranz in Sachen Alkohol und Autofahren herrscht. Und was wäre schon eine zünftige Weintour ohne Degustation? Wir entschieden uns also, mit einem Taxi nach Maipu, ausserhalb von Mendoza zu fahren, und dort Fahrräder zu mieten. Auch das war nicht die brillanteste Idee aller Zeiten, angesichts der ziemlich grossen Distanzen zwischen den einzelnen Weingütern, die ich definitiv unterschätzt hatte, und der Hitze.
Unser erstes Gut war die Bodega Lopez. Die Führung hier war kostenlos. Zunächst einmal gab es einen Rundgang, bei welchem uns die verschiedenen Schritte des Herstellungsprozesses von der Ernte üer die Fermentation, Maseration und Alterung erläutert wurden. Je nach Sorte dauert die Herstellung 0.5 bis 6 Jahre. Dabei werden sämtliche Teile der Weintraube verwendet, nichts wird weggeworfen. Die Reste, die nicht für die Weinherstellung verwendet werden, werden für die Produktion von Kosmetik oder Grappa weitergegeben. Besonders eindrücklich waren die Erklärung über die Reinigung der riesigen hölzernen Weinfässer, die alle 5 Jahre stattfindet. Dazu wird zuerst der Wein abgelassen und in ein provisorisches Gefäss gegeben. Anschliessend klettert ein (kleiner) Mitarbeiter durch die winzige Öffnung in das Fass, um die Holzporen von den Ablagerungen zu reinigen. Die Bodega Lopez produziert jährlich 15 Mio Liter Wein, wovon nur 5% exportiert werden. Der Rest findet in Argentinien Absatz. Die Argentinier scheinen echt nur Wein und Mate zu trinken. Während der anschliessenden Degustation gab es je einen Rot- und einen Weisswein zu probieren. Die Dame laberte allerdings derart lange, bevor es ans Trinken ging, dass wir in einem unachtsamen Moment ihrerseits kurzerhand den Inhalt unserer Gläser hinunterstürzten und uns heimlich davon machten. Schliesslich war man ja deswegen hier, nicht wahr? Um Wein zu trinken.
Anschliessend fuhren wir mit dem Rad anstrengende 10km durch die sengende Hitze zu der Bodego Trivento. Bis wir endlich dort ankamen, war der ganze Effekt des Weines aus der letzten Bodega bereits verflogen. Für diese Bodega hatten wir schon zuvor beim Fahrradverleih Tickets gekauft und so einen Rabatt erhalten. Hier gab es nicht einmal mehr einen Rundgang, man ging direkt zur Verkostung über. Verständlicherweise, denn die meisten Leute besuchen mehrere Weingüter und die Weine werden ja überall gleich hergestellt, so dass es nicht besonders spannend ist, immer wieder dasselbe zu hören. Wir kriegten also je ein Glas Sekt und 2 Rotweine vorgesetzt und welche wir in der Lounge verköstigten. Nach diesem Besuch fühlten wir definitiv den Alkohol im Kopf aber zum Glück war es von hier nicht besonders weit zum nächsten Weingut.
Als nächstes besuchten wir die Bodega Florio. Hier werden vor allem süsse Weine hergestellt und wir mögen süssen Wein sehr. Auch hier gab es wieder einen kurzen Rundgang, bevor es zur Degustation ging. Der Trick, um süssen Wein zu erhalten, ist, dass man den Fermentationsprozess unterbricht, so dass nicht der ganze Zucker aus den Trauben in Alkohol umgewandelt wird. Dies erreicht man, indem man den Wein in speziellen Kühlanlagen herunterkühlt. Die Nachfrage nach süssem Wein ist in den letzten Jahren in Argentinien eingebrochen, er ist schlicht aus der Mode gekommen, so dass die Bodega viel weniger produziert, als die Kapazität ermöglichen würde. Der Wein, der uns zum probieren gegeben wurde, war auch wirklich sehr lecker, so dass wir hier zuschlugen und einige Flaschen kauften, die wir uns während der nächsten Tage zu Gemüte führten.
Inzwischen endgültig etwas angesäuselt fuhren wir zum Schluss noch zu der Olivenöl-Fabrik LAUR, wo wir ebenfalls einen Rundgang machten. Dabei wurde uns sowohl die traditionelle Methode von Hand gezeigt, mit der das Olivenöl hergestellt wird, und auch die modernen Produktionsanlagen. Eindrückliche 10kg Oliven werden benötigt um 1 Liter Öl herzustellen. Neben Olivenöl werden hier auch noch Olivenpaste und Balsamico-Essig hergestellt, was wir alles im Anschluss an die Tour probieren konnten. Auch hier kauften wir ein Fläschchen Balsamico-Essig für unseren Essig-Narren Jörg sowie ein Glas Olivenpaste als Proviant für die nächste lange Busfahrt.
Anschliessend hiess es dann kräftig in die Pedale treten, denn wir mussten um 18:30 das Fahrrad zurückbringen und wir waren schon spät dran. Also radelten wir mühselig die ganze lange Strecke wieder zurück. Der Alkohol machte die ganze Sache in der Hitze nicht unbedingt besser. Rückblickend hätten wir etwas mehr zahlen sollen und dafür den Zusatzservice des Fahrradverleihers in Anspruch nehmen sollen, dass er einen irgendwo entlang der Ruta de los Vinos mitsamt dem Velo wieder abholt.
Zurück in die Innenstadt von Mendoza fuhren wir dann mit einem kleinen Zug. Dummerweise kann man dafür keine Billette kaufen, man braucht eine aufladbare Karte. Wir fragten einen Angestellten am Bahnhof, was wir tun konnten. Er meinte, wir sollen jemanden der anderen Passagiere fragen, ob er mit seiner Karte für uns zahlt und wir geben einfach das Geld in bar zurück. Oder wir steigen einfach in den Zug und fahren....also schwarz....dies also der fachmännische Rat der Angestellten. Wir fanden aber tatsächlich jemanden, der bereit war, für uns mit seiner Karte das Ticket zu kaufen.
Es gab 2 Orte ziemlich weit ausserhalb von Mendoza, die wir unbedingt besuchen wollten, die allerdings eher mühsam mit dem öffentlichen Verkehr zu erreichen waren. Also entschieden wir, für 3 Tage ein Auto zu mieten. Um ein günstiges Angebot zu bekommen, buchten wir den Wagen bei einem lokalen Verleiher. Dafür erhielten wir eine ziemliche Schrottkiste, einen Renault Logan mit einem riesigen Riss in der Windschutzscheibe.
Unser erstes Ziel war die Pampa El Leoncito. Hier wollten wir Carrovelismo machen, also Strandsegeln. Da ich ja weiss, wie sehr Jörg das Segeln liebt, habe ich dies schon vor Monaten riesig rot im Reiseführer angemalt, nachdem ich zufällig davon gelesen hatte. Es war ein weiter Weg von Mendoza zu diesem Ort, nur um eine halbe Stunde zu segeln, aber das war es uns wert. Also fuhren wir von Mendoza Richtung Westen. Da wir anschliessend noch in die andere Richtung wollten, nahmen wir uns unterwegs in Uspallata ein Hotel für die Nacht, bevor wir das restliche Stück zur Pampa El Leoncito hinausfuhren. Dort hielten wir Ausschau nach dem blauen Truck von Señor Toro. Ich war zuvor schon über Whatsapp in Kontakt und er meinte, er sei jeden Tag ab 18 Uhr dort, man müsse sich nicht anmelden, man könne einfach vorbeikommen. Gesagt, getan, und als wir ankamen, waren seine Leute bereits damit beschäftigt, die Segelwagen aufzubauen. Es handelt sich hier eigentlich um aus Metallrohren zusammengezimmerten Karren mit Steuerrad und einem Segel drauf. Zum Glück waren wir die ersten, so dass wir gleich loslegen konnten. Jeder von uns durfte mit jemandem im Segelwagen mitfahren. Der Wind war ausreichend wenn auch nicht gerade stürmisch, so dass man gut vorwärtskam und teilweise sogar recht schnell wurde. Jörg durfte relativ bald das Steuer übernehmen und als Don Toro merkte, dass Jörg viel Talent fürs Segeln hatte, stieg er bald aus dem Wagen aus, so das Jörg selbständig über die 13x3km grosse trockene, ebene Fläche sausen durfte. Auch aus der Ferne war Jörgs freudiges Gesicht deutlich zu sehen, er hatte sichtlich viel Spass. Genaugenommen hat er sogar einiges Mehr Ahnung vom Segeln als Don Toro persönlich, so dass Jörg mit dem kleinen Karren viel schneller wurde und sogar auf 2 Rädern krengte, wovon der Segelmeister dann doch ziemlich beeindruckt, um nicht zu sagen sogar ein wenig schockiert war. Natürlich war dieses Manöver auch nicht gerade ungefährlich gewesen, so dass er Jörg dann doch ein wenig zur Zurückhaltung aufforderte. Zum Schluss durften Jörg und ich sogar noch zu zweit in einem der Wagen ein wenig herumcruisen. Inzwischen waren mehr und mehr Leute gekommen, so dass wir die anderen an die Reihe lassen mussten. Señor Toro meinte, wenn wir warten wollten, dürften wir später nochmals fahren, was wir natürlich auch taten. In der Zwischenzeit kamen wir mit einer Mama und ihren beiden Söhnen Dante und Santiago ins Gespräch. Die Mama war absolut begeistert vom Segeln, die Jungs eher weniger. Sie hätten lieber Reiten gehen wollen. Während die Mama also am Segeln war, blieben die Buben bei uns und erzählten von der Schule, von den Ferien und was sie so alles trieben. Als wir uns dann verabschiedeten meinte der kleine Santiago zu mir, dass ihm meine blauen Augen wahnsinnig gefielen, das war ein sehr schönes Kompliment. Leider flachte der Wind zunehmend ab, so dass wir trotz Warten trotzdem nicht mehr zum Segeln kamen. Schade. Aber inzwischen war es ohnehin spät geworden, und wir hatten noch eine ziemlich lange Fahrt inklusive fast 40km auf Schotterpiste vor uns, um zurück zu unserem Hotel in Uspallata zu gelangen.
Am nächsten Tag sattelten wir unsere Schrottkiste und machten uns auf den langen Weg nach La Carolina in der Provinz San Luis. Interessant ist zu erwähnen, dass man bei Übertritt über die Provinzgrenze neben der üblichen Polizeikontrolle auch auf eine Art Zoll trifft, wo man auf Früchte und Gemüse durchsucht wird, die man nämlich nicht über die Grenze nehmen darf. Bisher kannten wir dieses Prozedere nur von Landesgrenzen, auch auf Uruguay durfte man beispielsweise keine Rohprodukte einführen. Aber innerhalb desselben Landes? Seltsam.
Nach einer langen Fahrt kamen wir schliesslich in La Carolina an, wo uns die nächste Überraschung erwartete: obwohl wir eine gültige Buchung hatten, war unser Hotel ausgebucht, es war kein Zimmer für uns verfügbar. Freude herrscht, das war genau das, was ich nach dieser langen Fahrt noch gebraucht hatte. Die Hotelbesitzer telefonierten ein wenig herum und fanden dann zum Glück doch noch ein freistehendes Bungalow in einem Hotel in der Nähe, welche für denselben Preis an uns abgegeben wurde. Es handelte sich um ein hübsches Bungalow auf einem Hügel mit guter Aussicht auf das Dörfchen, mit 2 Zimmern und sogar einer kleinen Küche. Das war doch eine gute Alternative, so dass wir uns etwas schönes kochen und einen schönen Abend bei einer Flasche Wein aus Maipu verbringen konnten.
Nach La Carolina waren wir gekommen um die örtliche Goldmine zu besuchen. Gold fehlte nämlich noch in unserem Bodenschätze Projekt. Tatsächlich war die Besichtigung der Goldmine nicht so besonders interessant, so dass das die lange Fahrt eigentlich nicht gelohnt hatte. Wir waren in einer riesigen Gruppe aus lokalen Touristen unterwegs. Viel zu sehen gab es nicht und der Guide hatte auch nicht besonders viel zu berichten.Die Mine wurde 1955 verlassen und wird seither nur noch touristisch genutzt. Interessant waren die Gesteinsschichten, zwischen deren die Goldadern verlaufen waren. Da die Gesteinsschichten von Nord nach Süd verlaufen, wurden die Minentunnel genau senkrecht dazu von von Ost nach West angelegt. Wenn man während des Aushubs auf Gold steiss, wurden entlang dieser Schicht Galerien von Nord nach Süd angelegt, um der Goldader zu folgen. 20-24 Karat reines Gold konnte hier gefunden werden.
Viel interessanter als die Goldmine war allerdings das Goldwaschen, was wir ebenfalls noch als Aktivität dazu gebucht hatten. Auf dieser Tour waren wir allein, Jörg und ich mit dem Guide.
1792 entdeckte ein Portugiese in der Gegend Gold. Zuerst waren die Spanier auf der Suche nach Gold hierher gekommen, taten dies aber nur auf die traditionelle Methode mittels Auswaschen aus dem Fluss. Erst später kamen die Engländer, welche die Goldminen im Berg anlegten. Die Minen sind längst versiegt.
Heutzutage leben noch 300 Menschen in La Carolina, wovon nur noch etwa 10-12 vom Goldwaschen leben. Der Rest lebt von Landwirtschaft und vom Tourismus. Die Goldsucher waschen täglich etwa 1 Tonne Sand und Gestein, um ein Gramm Gold zu erhalten. Dieses können sie für ungefähr 1000-1800 Pesos verkaufen.
Ein grosser Teil der in Argentinien ausgehobenen Bodenschätze geht ins Ausland, nur etwa 5% der Gewinne bleiben im Land. El gobierno vende nuestro pais, wird uns gesagt (Die Regierung verkauft unser Land).
Dies wollten wir nun eben auch probieren. Also wurden wir mit Gummistiefeln, einem Strohhut und einer Holzschale ausgerüstet und dann gings los zum Fluss. Dort lockerte der Guide mit einem Pickel den Boden auf und lud mit einer Schaufel Gestein auf unsere Holzplatten. Dann zeigte er uns die typischen Bewegungen, die nötig sind, um mittels Zentrifugalkraft die grösseren schweren Gesteinsbrocken vom Sand zu trennen. Anschliessend versucht man mit ähnlichen Bewegungen den Sand vom Gold zu trennen, wenn es denn solches hat. Da Gold ein grösseres spezifisches Gewicht hat als Sand, bleibt es im unteren Zipfel des konischen Holztellers liegen, zumindest wenn man es schafft, den Sand in der richtigen Weise an den Rand des Tellers zu bringen. Und das war wirklich gar nicht so einfach, das ist wirklich eine Übungssache. Tatsächlich wurden wir fündig, einige winzig kleine Sandbrösmelchen blieben mit etwas Hilfe des Guides zuunterst liegen. Um ein Schmuckstück oder gar einen Goldbarren daraus herzustellen, reichte es natürlich bei weitem nicht, aber der Guide klebte sie zwischen ein Stück Klebeband, so dass wir sie als Andenken mitnehmen konnten. Auch einige kleine Granatstückchen hatten wir gefunden.
Direkt nach dem Ausflug machten wir uns auf den Rückweg richtung Mendoza. Unterwegs wurde uns an der Grenze zwischen den beiden Departamentos von den Beamten sogar noch ein Apfel abgenommen, denn man darf selbst innerhalb des Landes keine Früchte oder Gemüse zwischen den Regionen transportieren. Komische Welt. Am nächsten Vormittag mussten wir das Auto zurückgeben, daher buchten wir eine Unterkunft in Maipu, so dass wir am nächsten Morgen früh nicht mehr weit zu fahren hatten. Aber wir hatten wieder kein Glück. Spät abends kamen wir in Maipu an und fanden das „Hotel“ verschlossen vor. Erst nach mehreren Versuchen, jemanden telefonisch zu erreichen, erhielten wir vom Betreiber eine Nachricht, er habe einen Notfall in der Familie gehabt und könne uns heute kein Zimmer mehr anbieten. Na super! Also entschieden wir uns, direkt zum Hotel zu fahren, wo wir auch unser Gepäck gelagert hatten, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als nach dem langen Tag noch direkt in die Stadt hineinzufahren. Das mache ich am liebsten! Ironie Ende.
Zum Glück hatte das Hotel noch Zimmer verfügbar und es gab sogar Platz, um das Auto zu parkieren.
Am nächsten Morgen gaben wir dann jedenfalls die Karre zurück. Wieder einmal waren wir 1300km weit gefahren.
Von Mendoza aus nahmen wir dann den Nachtbus nach Buenos Aires, nochmals eine 17h Fahrt.