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Karneval: Gualeguaychu & Montevideo (Teil 3)

Veröffentlicht: 03.04.2019

Wir kamen ein weiteres Mal zurück nach Buenos Aires, um von hier aus den Karneval zu besuchen. Zunächst einmal fuhren wir nach Montevideo, wer hätte gedacht, dass wir so oft in diese Stadt zurückkehren. Wer hätte gedacht, dass wir so oft mit dieser Buque-Bus-Fähre fahren würden? Die direkte Fahrt von BA nach Montevideo ist allerdings so unglaublich teuer, dass wir jeweils den Umweg über Colonia in Kauf nahmen. Dabei fährt man mit dem Schiff lediglich bis Colonia, und nimmt von da aus den Bus. Organisiert wird alles direkt von Buque-Bus, so dass es ziemlich unkompliziert ist, aber es dauert halt viel länger.


Da wir nun schon mal zurück waren in Montevideo besuchten wir auch endlich das Museo del Tango. Rückblickend hätten wir uns das getrost sparen können, zum Glück sind wir nicht nochmal extra deswegen hierher gekommen. Das Museum ist winzig und es geht eigentlich nur um die Cumparsita, eines der bekanntesten Musikstücke des Tango-Musikstils, welches aus Montevideo stammt. Anschliessend gibt es noch eine kurze Vorführung, bei der ein Tanzpaar 3 Tänze vorführt. Das war dann auch schon alles.


Als Einstimmung auf den Karneval besuchten wir dann auch noch das Museo del Carnaval. Hier wird die Geschichte des Karnevals in Uruguay erläutert und ausserdem gibt es Informationen zu den verschiedenen Gruppen und Formationen, die am Karneval teilnehmen. Ausserdem werden verschiedenste Kostüme ausgestellt.

Die Tradition des Karnevals wurde von den europäischen Einwanderern mitgebracht. Später wurden diese Bräuche vermischt mit Rythmen, Instrumenten und Tänzen der afrikanischen Sklaven.


Beim Karneval in Montevideo handelt es sich um einen Bühnen-Karneval. Überall in der Stadt in vielen Nachbarschaften werden kleine Open-Air-Bühnen aufgebaut, die sogenannten Tablados, wo die verschiedenen Gruppen ihr Programm vorführen. Die Bühnen und Kulissen werden oftmals von Künstlern sehr aufwändig aus Pappmaché und mit viel Beleuchtung hergestellt. Es gibt auch einige wenige Umzüge, zum Beispiel zur Eröffnung der Karnevalzeit. Die Umzüge werden Llamadas genannt. Der Karneval in Montevideo ist der längste der Welt, über 40 Tage lang wird er zwischen Januar und März gefeiert, jeden Abend wird auf verschiedenen Bühnen etwas vorgezeigt.. Über 40 Ensembles aus 5 Kategorien zeigen ihre aktuellen Shows:

  • Murga: Die Murgas sind bekannt dafür, dass sie auf humorvolle und ironische Weise mit Gesang und Versen aktuelle Probleme des Weltgeschehens und der Politik parodieren, ähnlich der Schnitzelbänke, die man bei uns von der Basler Fasnacht kennt. Eine Murga besteht immer aus einem Chor, einem Direktor und einem Perkussions-Trio.

  • Die Lubolos/Comparsas waren urspünglich Gruppen von Afrikanern, die vor allem durch Trommelmusik und typisch afrikanische Kostüme auffielen. Mittlerweile machen auch Weisse bei den Comparsas mit, zentrales Element bleibt jedoch die Trommelmusik.

  • Die Revues sind die jüngste Kategorie, die ins Karnevalsprogramm aufgenommen worden sind. Die Shows der Revues priorisieren vor allem Musik und Tanz, auch Akrobatikelemente kommen vor.

  • Die Parodistas singen bekannte Lieder, deren Text sie allerdings auf lustige Weise abändern. Heutzutage sieht man auch immer häufiger Parodien von Filmen oder TV Shows.

  • Im Gegensatz zu den Parodistas bauen die Humoristas nicht auf bestehendem Material auf. Sie führen beispielsweise Sketches zu aktuellen Themen vor.


Die bedeutendste Vorführung findet in WEttbewerbsform im Teatro de Verano statt. Alle Ensembles werden an je einem Abend dorthin eingeladen, um ihr aktuelles Programm vorzuführen, wobei es anschliessend je eine Prämierung für jede Kategorie gibt.


Wir besorgten uns Karten für das Teatro de Verano für einen Abend. Wir hatten Glück und konnten gerade noch zwei der letzten Plätze auf dem unteren Teil, wo man die beste Sicht hat, ergattern. Das Teatro de Verano ist ein Open-Air-Amphi-Theater, die Sitzplätze sind lediglich abgestufte Tritte und bieten nicht einmal Rückenlehnen. Ziemlich unkomfortabel für die etwa 6-Stündige Vorführung. Aber die findigen Uruguayos wissen sich natürlich zu helfen. Nebst dem üblichen Mate-Equipment hatten sie diesmal nicht Klappstühle, dafür aufsetzbare Rückenlehnen dabei. Wie wir von unserem Sitznachbarn erfuhren, konnte man diese sogar am Eingang mieten, was wir natürlich sofort taten, und so liess es sich definitiv bequemer aushalten. Und das war auch dringend nötig, denn wie sich herausstellte, war das Programm nicht besonders fesselnd. Jedenfalls nicht für uns.

Das Programm besteht aus vier Teilen mit Pausen dazwischen. Während jedes Teils stellt eine Gruppe einer anderen Kategorie ihr Programm vor.

Das Programm unseres Abends war folgendes:


  • 20:30: House (Revista)

  • 21:50: La Carpintera Roh (Comparsa)

  • 23:20: Cyranos (Humoristas)

  • 00:30: Doña Bastarda (Murga)


Der erste Teil war also eine Revue. Nachdem dieser Teil zu Ende war, sagte eine ältere Frau, die neben uns gesessen hatte, zu ihrem Sohn: Los extranjeros no entenderon nada (die Ausländer haben nichts verstanden). Tatsächlich verstanden wir diese Aussage und ich musste sofort laut loslachen. Das war ihr offenbar ein wenig peinlich, da sie offensichtlich tatsächlich nicht damit gerechnet hatte, dass wir spanisch sprechen. Trotzdem hatte sie nicht Unrecht: wir haben tatsächlich nicht besonders viel verstanden. Und die Revue war dabei noch das leichteste, da die Show hauptsächlich aus Tanz und Akrobatik bestand, gesprochen wurde nur wenig. Während der nächsten Programmteile wurde die Sache nicht besser. Wir verstanden tatsächlich kaum etwas. Es verhält sich genauso wie mit den Basler Schnitzelbänken: Wenn man kein Muttersprachler ist, und dazu noch die politischen oder sozialen Umstände nicht kennt, die thematisiert werden, hat man absolut keine Chance. Die Lubolos gingen auch noch, vom Gesang verstanden wir zwar nichts aber immerhin Trommelmusik versteht man in jeder Sprache. Die Sketches der Humoristas konnte man zumindest noch insofern verfolgen, da neben Sprache auch noch Kostüme, Mimik, Gestik und weitere Requisiten zum Einsatz kamen. Bei der Murga war dann endgültig fertig, hier wurde nur noch gesungen und gesprochen.

Und 6h lang genügend Aufmerksamkeit zu bewahren, um zumindest zu versuchen, ansatzweise zu verstehen worum es geht, war irgendwann auch zu ermüdend, so dass wir es irgendwann komplett aufgaben und nur noch zuschauten.

Alkohol spielt beim Carnaval in Montevideo auch keine grosse Rolle, die Leute schienen dessen jedenfalls nicht grossartig zu fröhnen. Da man aber auch hier Getränke problemlos mit aufs Gelände bringen durfte, waren wir mit unserem üblichen Rum-Cola ausgerüstet. Zum Glück, kann ich nur sagen, sonst wäre die ganze Geschichte noch viel langweiliger gewesen.

Wir warteten jedenfalls nicht mal das endgültige Ende der Murga ab, sondern verschwanden 5 Minuten bevor die Show zu Ende war aus dem Stadion, um uns zumindest ein Taxi zu sichern. Der Abend hatte für uns einiges langweiliger geendet, als erwartet. Das war ein bisschen enttäuschend.

Die rückblickend amüsanteste Anekdote war die Show der Humoristas, in der sich alles um „Lechuzas“ drehte. Dumm nur, wenn man nicht weiss, was das Wort bedeutet. Jörg und ich schauten uns an und es war offensichtlich, dass wir beide keine Ahnung hatten. Heimlich schauten wir im Wörterbuch-App auf dem Handy nach, aber fanden nichts. Während das ganze Publikum im Theater immer wieder laut loslachte, sassen wir nur da und verstanden Bahnhof. Natürlich trauten wir uns auch nicht, einfach einen der Sitznachbarn zu fragen, was Lechuca denn bedeutet. Erst als wir wieder im Hotel waren und Internetverbindung hatten, fanden wir endlich heraus, dass es offenbar um Eulen gegangen war. Aha. Reichlich spät diese Erkenntnis. Ich werde auf jeden Fall stets lachen müssen, wenn ich in Zukunft je wieder dieses Wort höre.


Tags darauf (Freitag) mussten wir uns dann bereits schon wieder mit Bus und Fähre auf den Rückweg nach Buenos Aires zu machen, da am Samstag der Carnaval in Gualeguaychu stattfand, der als der wildeste in Argentinien gilt. Wir waren ja schon vor einigen Wochen in Gualeguaychu vorbeigekommen, ihr erinnert euch? Tickets für den dortigen Karneval konnten wir uns bequemerweise im Internet besorgen. Nicht jedoch Hotelzimmer, die waren nämlich fast komplett ausgebucht. Blöd. Am Busterminal fanden wir aber heraus, dass es morgens um 3 Uhr einen Bus von Gualeguaychu zurück nach BA gäbe, so dass wir uns direkt nach der Show wieder aus dem Staub machen konnten. Auch gut.

Samstags fuhren wir dann also gegen Mittag mit dem Bus nach Gualeguaychu, die Fahrt dauerte gute 3h. Wir waren etwas früh dran und leider war vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung nicht so viel los, wie wir uns erhofft hatten, so dass wir noch einige Stunden im Ort herumhängen mussten, bis es endlich losging. Zu allem Unglück war es auch überraschend kühl und windig, so dass das auch nicht gerade spassig war. Endlich wurden dann aber irgendwann die Tore geöffnet, und wir suchten unsere Sitzplätze. Diesmal hatten wir uns richtig gute Plätze besorgt, ein Zweiertischchen in der vierten Reihe in der Mitte des Sambodromo. Sehr gut. Da es in diesem Bereich Bedienung für Essen und Getränke gab, war es eigentlich nicht erlaubt, eigene Getränke mitzubringen (sonst überall im Stadion schon), was wir aber vorher nicht gewusst hatten. Aber spätestens als die Parade dann anfing, interessierte sich ohnehin niemand mehr dafür, so dass wir lediglich einen Anstands-Fernet&Coca zum überteuerten Preis kaufen mussten, und anschliessend auf unseren Rum umsteigen konnten. Hier galt Alkohol definitiv zum Programm dazu und die Leute hier waren echt in Partystimmung. Und obwohl das Stadion nicht voll besetzt war, war die Stimmung schnell am kochen. Cool.

Beim Karneval in Gualeguaychu handelt es sich um Paraden, die während mehrerer Wochen jeweils Samstag Abends stattfinden. Er gleicht dem berühmten Karneval von Rio de Janeiro, nur alles etwas kleiner. Pro Abend nehmen 3 verschiedene Gruppierungen am Umzug teil. Zu sehen gibt es vor allem viel nackte Haut, aufwändig gestaltete Wagen mit Tänzern und fröhliches Partyvolk. Und damit eignet sich dieser Karneval einiges besser für Nicht-Muttersprachler, als der Karneval in Montevideo. Um nackte Hintern und hüpfende Busen, geschmückt mit Federn, Glitzer und Schminke, zu bewundern, muss man nämlich kein spanisch verstehen. Auch die Songs, die während des Geschehens gespielt werden, sind sehr eingängig und erfordern kein grosses sprachliches Können. „Gualeguaychu descontrollaaaaaaaaado...“ zum Beispiel versteht man noch schnell einmal.

Wir verbrachten jedenfalls einen feuchtfröhlichen Abend, sangen bzw. grölten und hüpften fleissig mit und amüsierten uns sehr. Sogar das Grüppchen asiatischer Touristen, das in der Reihe vor uns sass, ging voll ab.

Als der Spuk dann vorbei war, machten wir uns zu Fuss auf den Weg zurück zum Busbahnhof, Taxi war nämlich keines zu finden. Obwohl das Kaff ehrlich gesagt nicht besonders sympathisch wirkt, schien es doch einigermassen sicher zu sein. Am Bahnhof mussten wir dann noch kurz auf den 3 Uhr Bus warten. Zum Glück handelte es sich um einen Cama-Bus, kaum waren wir eingestiegen, schliefen wir nämlich auch schon ein, und erwachten erst 3 Stunden später in BA wieder. Die Sonne war mal wieder schon aufgegangen, als wir zum Hotel zurück marschierten, wo wir erst mal den ganzen Sonntag im Zimmer herumfläzten. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Zum Glück kennen die Argentinier Alcaselzer im Set mit Kopfschmerztabletten.


Mein Fazit zum Karneval? Ich denke, wenn man wirklich ein Profi in Sachen Spanisch ist, ist der Karneval in Montevideo sicher die interessantere Wahl. Aber obwohl ich mein Spanisch inzwischen wirklich schon als sehr gut bezeichnen würde, und ich zu jedwedem Thema eine flüssige Konversation führen kann, hatte ich wirklich kaum eine Chance. Für Touristen, die einfach gerne ein wenig Party machen wollen, ist definitiv ein Karneval im Stil von Gualeguaychu oder eben Rio oder Encarnacion in Paraguay zu empfehlen.


An dieser Stelle kommen wir ja auch noch zum Fazit zu Uruguay! Schliesslich war dies endgültig unser letzter Besuch dort. Was soll man zu Uruguay sagen? Es ist herzig, es gibt ein paar hübsche Örtchen, wie beispielsweise Colonia oder Punta del Este, aber viele Highlights und Sehenswürdigkeiten gibt es im Land nicht gerade. Und das bestätigen auch die Einheimischen. Tatsächlich sind alle Uruguayos sehr stolz auf ihr Land, aber wenn man fragt, was sie einem denn empfehlen sich anzusehen, kommt meist ein Achselzucken und ein „no hay mucho“ (es gibt nicht viel). Die Leute sind aber wirklich sehr herzlich und freundlich und heissen Gäste gerne willkommen, so dass man sich schnell wohl- und auch sehr sicher fühlt. Ein Vorteil ist auch, dass die wenigen touristisch interessanten Orte nah beieinander und entlang der Küste liegen, so dass man sie bequem von Buenos Aires aus besuchen kann, und nicht weiter ins Landesinnere fahren braucht. Wahrscheinlich kommt man ohnehin nicht ausschliesslich für einen Urlaub hierher, ausser man ist ein Strand- und Sonnenanbeter, dann vielleicht. Ansonsten wird das Land wohl eher als Abstecher auf dem Argentinien-Urlaub bereist. Ein Negativpunkt ist klar, dass die Preise im Land für alles sehr hoch sind. Wenn man auf einer Urlaubsreise ist, und Ende Monat mit einem Gehalt rechnen kann, fällt das wahrscheinlich weniger ins Gewicht, aber für Langzeitreisende kann das schon ziemlich unangenehm sein.

Sehr auffällig in Uruguay ist auch der starke Wechsel des spanischen Dialekts. Es dauert eine Weile bis man sich daran gewöhnt hat. Hauptsächlich äussert sich dies dadurch, dass „Doppel-L“ und „Y“ als eine Art sanftes „sch“ ausgesprochen werden. So heisst es plötzlich scho anstatt yo, Uruguascho anstatt Uruguayo, Ceboscha anstatt Cebolla und Vasche anstatt Valle. Und auch in Argentinien, besonders im Grossraum BA, ist dieser Dialekt anzutreffen.

Und ein weiteres nicht unerlässliches Argument für den Besuch Uruguays: hier gibt es den Besten McFlurry der Welt! McFlurry Lapataia mit ganz viel Dulce de Leche-Bonbons und -Sauce (Caramel, worauf die Südamerikaner generell und die Kolumbianer, Uruguayos und Argentinier im Speziellen wahnsinnig abfahren). Und da es in Colonia keinen McDonalds gibt, muss man deswegen auch unbedingt nach Montevideo!

Also, wir mochten es, Land Nr. 15 auf unserer Reise war cool. :-)

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