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#136 Fazit Kosovo

Veröffentlicht: 08.06.2022

30. Mai 2022: Rugova Gebirge


Bevor wir mal wieder eine Landesgrenze überqueren, wollen wir hier jede/r ein Fazit über den Kosovo schreiben. Wir haben es unabhängig voneinander geschrieben, ohne den Inhalt des anderen zu wissen. Hier also unsere Fazits zum Kosovo:

F. Viele Menschen im Kosovo sagen, dass der Kosovo ist, wie Albanien ohne Strand. Ich finde das stimmt nicht ganz. Klar hat der Kosovo auch wunderschöne Bergregionen wie Albanien und es leben hauptsächlich Albaner im Kosovo, aber die Geschichte der letzten 25 Jahre hat das Land extrem verändert. Der Kosovo-Krieg war grausam und schrecklich wie jeder Krieg auf der Welt. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass wir Leute getroffen haben, die uns ihre Geschichten vom Krieg erzählt haben, als sie als 7-9-jährige vor den Serben geflohen sind (#134). Unabhängig davon, ob die Serben oder die UÇK im Recht waren und ob der NATO-Einsatz legal war, konnten mir Menschen meines Alters im ehemaligen Kriegsgebiet vor Ort anschaulich zeigen, was damals passiert ist. Das kenne ich in Deutschland auch von meinen Großeltern, doch dies war irgendwie anders – wahrscheinlich, weil sie genauso alt waren wie ich selbst. Die Spannungen zwischen Serben und Albanern bestehen immer noch, nur merkt man das als Tourist nicht direkt. Die KFOR ist zwar noch immer vor Ort, doch selbst im Grenzgebiet zwischen Kosovo und Serbien konnten wir uns problemlos aufhalten. Ich würde jedoch davon abraten ohne ortskundige Personen dort hinzugehen, da es immer noch einige Gebiete gibt, die Minen im Boden enthalten können.

KFOR vor einem christlichen Kloster

Genau wie Albanien hat auch der Kosovo absolut wunderschöne Landschaften und zugleich ein Müllproblem, das diese Schönheit manchmal ein wenig entstellt. Zudem würde ich sagen, dass die Albaner im Kosovo noch freundlicher sind als die Albaner, die wir in Albanien getroffen haben. Das ist natürlich allein meine Meinung, aber ich fand, dass im Kosovo das Englisch wesentlich weiter verbreitet ist und so die ohnehin schon große albanische Gastfreundschaft noch besser bei mir ankam. Viele Kosovaren waren auch besonders gut auf uns zwei Deutsche zu sprechen, da sie im Kosovo-Krieg viel Hilfe von den deutschen NATO-Truppen erhalten haben.

Kurz noch zum Verkehr und den Straßenverhältnissen im Kosovo. Der Verkehr ist ähnlich verrückt wie überall im Balkan. Wenn die Menschen aus dem Kosovo nach Deutschland kommen, werden sie sehr häufig von der Polizei angehalten, weil sie mal wieder ohne Anschnallgurt gefahren sind. Das machen im Kosovo nämlich viele Autofahrer. Die Straßen sind größtenteils in Ordnung. Es gibt nur noch wenige reine unbefestigte Straßen und besonders Spaß macht es auf der neuen Nord-Süd-Autobahn von Prishtina nach Skopje zu fahren.

Autobahn
Verkehrsteilnehmer

Viele Menschen im Kosovo wünschen sich mehr Touristen für ihr Land, da sie gerade erleben, was in Albanien passiert. Als Grund für die geringe Anzahl an Touristen sehen einige das große Problem, dass der Kosovo kein Strand hat und dass der Kosovo noch nicht von allen Ländern als eigenständiges Land anerkannt wurde. Letzteres macht es auch für viele Kosovaren schwierig das Land zu verlassen bzw. in die EU zu reisen. Denn im Gegensatz zu allen Nachbarländern hat der Kosovo kein Reiseabkommen mit der EU. Ich kann jedem einen Besuch im Kosovo nur wärmsten ans Herz legen und wenn er/sie mal einen authentischen Offroad-Tag im Kosovo erleben möchte, kann ich dir nur die Jungs von OffRoad Drenica empfehlen.

J. Kosovo ist ein beeindruckendes Land mit wunderschöner Natur und unglaublich netten Menschen.

Kosovo ist voller hoher, wunderschöner Berge, vor allem die Grenzregionen auf allen Seiten sind bergig, nur in der Mitte des Landes gibt es eine Ebene. Meine Lieblingsorte waren die Rugova Mountains (#135) und die Mokra Mountains bei Berim im Westen des Landes (#134). Es gibt Wasserfälle, versteckte, noch nicht vollständig erforschte Höhlen und heiße Quellen. Wie in anderen Balkanländern auch, gibt es hier Bären und Wölfe, die man aber nur selten in der Wildnis antrifft, Bären kann man besser in der Bärenauffangstation bei Prishtina bewundern. Der wahre Grund für eine Reise in den Kosovo sind aber die wunderbaren Menschen.

Noch nie habe ich irgendwo so nette, hilfsbereite, offene und gastfreundliche Menschen getroffen. Was wir im Vorfeld oft über die Menschen in Albanien gehört haben, kann ich über den Kosovo bestätigen. Alle Einheimischen, die wir getroffen haben, haben uns an ihrem Leben teilhaben lassen, uns von ihrer Geschichte und ihren Träumen erzählt, uns eingeladen und sich um unser Wohl gesorgt. Wir wurden mehrmals darauf hingewiesen, dass wenn wir ein Problem haben, wir uns einfach an irgendjemanden wende n sollen, jeder würde uns helfen. Daran zweifle ich nicht. Am überragendsten war unser Erlebnis in Skënderaj (#134), wo wir von einer Gruppe eingeladen wurden, mit denen wir vor einigen Wochen für ein paar Minuten gesprochen hatten. Sie hatten gesagt, wir sollen uns melden, wenn wir im Kosovo sind. Das haben wir getan, um Tipps über das Land zu erhalten. Wir bekamen nicht nur Tipps, wir wurden eingeladen. Wie selbstverständlich wurden wir in einem eigenen Haus untergebracht, wir wurden jeden Abend mit Getränken, Essen und netten Leuten unterhalten, und es wurde an einem Donnerstag ein spektakulärer Ausflug in die Berge organisiert. Die, die mitgekommen sind, hatten extra für uns bei der Arbeit frei gemacht und dann wurde sich noch entschuldigt, dass die anderen arbeiten müssen und nicht mitkommen können. Selbstverständlich mussten/durften wir in der ganzen Zeit keinen einzigen Cent bezahlen. Dieses Erlebnis war das Beste an unserer ganzen Reise. Doch es war kein Einzelfall. Alle anderen Reisenden, die wir im Kosovo getroffen haben, wurden von Einheimischen eingeladen. Die Gastfreundschaft in diesem Land wird größer geschrieben, als alles andere. (Es gibt auch ein Sprichwort dazu: Der Gast ist Gott.)

Im Vorfeld hatte ich, wie viele andere, den Kosovo vor allem mit dem Krieg in Verbindung gebracht. Aufgrund des Krieges 1998-1999 gibt es kaum noch schöne Städte, außer dem wunderschönen Prizren (#132). Trotzdem sind die Städte lebendig und zu jeder Uhrzeit sind die Cafés, Restaurants und Bars voll besetzt. 50% der Bevölkerung ist jünger als 28, das jüngste Land Europas. Das ist gut, denn das macht das Land nicht nur jung und dynamisch, sondern bedeutet auch, dass sich etwa 50% der Bevölkerung nicht mehr an den Krieg erinnern kann.

vollbesetzte Cafés am Vormittag unter der Woche

Der Krieg ist zwar nicht allgegenwärtig, aber bei den älteren, und damit meine ich die Ü30-jährigen, ist der Krieg noch gut im Gedächtnis. Wir haben von Menschen, die so alt sind wie wir, Erzählungen gehört, wie sie, als Kinder in Kriegsgefangenschaft waren, wie sie monatelang nicht wussten, ob ihre Väter noch leben, wie ihre Großväter erschossen wurden, wie sie alle Kriegsverbrechen, die es gibt, mit ansehen mussten und welches Glück sie hatten, dass keiner ihrer Familie getötet oder vergewaltigt wurde. Solche Geschichten vom Krieg, hören wir in Deutschland nur von der Generation unserer Großeltern; das von Gleichaltrigen beim Bier in einer Bar erzählt zu bekommen ist völlig anders, bedrückend, aber auch interessant und für uns nur schwer vorstellbar. (Während wir uns nur versuchen können vorzustellen, wie es zurzeit in der Ukraine ist, können sie es sich tatsächlich gut vorstellen.)

Adem Jashari Statue
Häufig sind diese Gräber am Straßenrand zu finden.

Der Krieg hat nicht nur Erinnerungen, sondern auch einiges anderes hinterlassen: Der Hass auf die Serben ist bei einigen mehr, bei anderen weniger ausgeprägt. Die Soldaten von KFOR, die für Frieden sorgen, sind überall im Land regelmäßig zu sehen. Die Ethnien sind, anders als vor dem Krieg, nun geographisch getrennt, sodass kaum jemand der 95% Albaner Kontakt zu den 5% Serben im Land hat, außerdem sprechen die Albaner nur albanisch und die Serben nur serbisch, sodass sie, außer ggf. auf Englisch, auch nicht miteinander kommunizieren können. Eine weitere Hinterlassenschaft des Krieges ist natürlich die Unabhängigkeit Kosovos (seit 2008). Allerdings wird der Kosovo nicht von allen Ländern anerkannt, sodass der Kosovo das einzige Land Europas ist, deren Bewohner nicht visafrei in die EU einreisen dürfen (die Türkei und Russland nicht mitgezählt). Das belastet sie stark, denn die Touristenvisas werden sehr regelmäßig abgelehnt, auch, um seine Familie zu besuchen. Wir haben kaum jemanden getroffen, der keine Verwandtschaft in Deutschland (oder Norwegen) hat, oder selbst mal dort gelebt hat. Einige sind im Krieg nach Deutschland geflohen, einige waren schon vorher dort und einige haben nach dem Krieg dort gearbeitet, um den Wiederaufbau des Landes zu finanzieren. Daher sprechen im Kosovo sogar recht viele Leute deutsch. Die Verbundenheit zu Deutschland ist außerdem groß, denn Deutschland hat im Krieg an der Seite Kosovos gegen die Serben gekämpft. Das wird ihnen hier sehr hoch angerechnet. Aber auch schon vor dem Krieg hatte Kosovo die Währung D-Mark und daher jetzt den Euro.

Als wir aus Albanien in den Kosovo einreisten, wirkte auf den ersten Blick vieles ähnlich. Die Menschen sind (hauptsächlich) Albaner und sprechen albanisch (ich konnte also meine mühsam gelernten albanischen Wörter weiterhin verwenden). Allerdings ist der Kosovo weiter entwickelt als Albanien, aber bisher noch deutlich untouristischer. Außerdem ist natürlich die Geschichte sehr anders, die vieles beeinflusst.

Dass das Land bisher noch recht untouristisch ist, sorgt auch dafür, dass es im ganzen Land keinen einzigen Campingplatz gibt. Trotzdem würde ich eine Reise mit dem Camper im Kosovo empfehlen. Das Freistehen ist zwar offiziell nicht erlaubt, aber geduldet, und wenn man mal eine Dusche, Wasser, eine Waschmaschine oder ähnliches braucht, kann man einfach einen der Einheimischen fragen und man wird sicher gut versorgt.

Freistehen im Kosovo

Auch für andere Touristen lohnt sich eine Reise in den Kosovo. (Hotels, Restaurants, Mietautos und öffentliche Busse gibt es.) Das Land ist zwar ziemlich klein (gerade mal 1/5 von Niedersachsen), hat aber sehr viel zu bieten: im Winter meterhohen Schnee, im Frühling reißende Flüsse und Wasserfälle und zu jeder Jahreszeit wunderschöne Berge und wunderbare Menschen. Die 8 Tage, die wir hier verbracht haben, waren voller atemberaubend schöner Natur, leckerem Essen und unfassbar netten Leute. Wir hätten auch noch länger bleiben können und müssen auf jeden Fall noch mal wiederkommen.

Falls du in den Kosovo oder in eins der anderen Länder reisen möchtest, in denen wir schon waren, und noch Fragen hast oder Tipps brauchst, melde dich gerne bei uns. 😊


Tag 226 – Gesamttour 16.777 km


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