Moonland 2022
Moonland 2022
vakantio.de/auf-dem-dach-der-welt

Lama Kheno!

Veröffentlicht: 28.06.2022

Lama, vergiss mich nicht! So oder ähnlich könnte man das hingebungsvolle "Lama Kheno!" übersetzen. Mein Lehrer Sonam Jorphel Rinpoche erinnert sich jedenfalls an mich: MIt einem schiefen und etwas überraschten Lächeln in seinem betagten Gesicht begrüßt mich Rinpoche im Kloster Rinchen Palri. "Wann bist du angekommen?", fragt er nur. Das reicht, um zu wissen, dass er ganz genau weiß, wen er vor sich hat. Selbstverständlich ist das nicht. Denn nach einer schweren Krankheit hat das Alter bei dem 84 Jahre alten Rinpoche doch seine Spuren hinterlassen. An neuere Begegnungen erinnert er sich manchmal nicht mehr.

Es sind nur ein paar Sekunden, in denen ich ihm während einer Zeremonie zum Vollmondtag den traditionellen Kathakh (Seidenschal) übergebe. Doch diese Sekunden lösen so viel in mir aus. Unermessliche Freude, meinen alten Lehrer nach Jahren wiederzusehen - gleichzeitig eine große Traurigkeit, weil er deutlich  gezeichnet ist und offensichtlich Schmerzen leidet, aber auch - ganz egoistisch - angsichts der vielen schönen Erinnerungen, die hochkommen und mir die Vergänglichkeit bewusst machen.

Ausflug für den Frieden

Doch beginnen wir mal von vorne. Es ist schließlich lange her, dass ich das letzte Mal 'was geschrieben habe. Fehlendes Internet und Zeitknappheit machten die Tipperei unmöglich. Nun denn: Nachdem mein ordinierter Freund Rangdröl mich in Leh über die Ankunft von Rinpoche in Kathmandu informiert hat, buche ich umgehend einen Flug. Teuer. Zudem ist erst für den übernächsten Tag ein Platz zu ergattern. 

Den Extra-Tag in Ladakh nutze ich für einen kleinen Ausflug zu einem Ort, an dem ich vor 15 Jahren mit Amira schon einmal war. Damals gab es auch zum Shanti-Stupa in Leh keine Straße. Wir mussten unzählige Stufen erklimmen, um zu dem auf einer Anhöhe gelegenen Heiligtum zu gelangen. Shanti heißt Frieden oder Friedensgeist. Und wer die Stupa umrundet, dort Mantras spricht und betet, der sorgt für ein bisschen mehr harmonischer Energie auf dieser Welt. Die hat es gerade jetzt bitter nötig, denke ich.

 Heute gibt es eine Straße zum Stupa, die alten Stufen nicht mehr. Trotzdem lehne ich das Angebot von Rangdröls Familie ab, mich mit dem Auto hinzufahren. Ich will laufen. So wie früher. 18.000 Schritte zählt meine Uhr später am Abend: Und nicht wenige davon mache ich  steil bergauf. Workout in fast 4.000 Metern Höhe :-). Kein Wunder, dass ich auf dem Rückweg sehr hungrig bin und einen großen Fehler mache. Mehr dazu jedoch später.

Ein Sack Reis zum Abschied

Zurück in Leh habe ich dann noch ein kleines Erlebnis mit einem Schuhputzer. Meine Treter sind nach der ganzen Kletterei durch die staubige Landschaft extrem eingesaut, und so beschließe ich, das Angebot des in Lumpen am Straßenrand sitzenden Schuhputzers anzunehmen. Er spricht richtig gut Englisch und lobt meine Lederschuhe in den höchsten Tönen. Klappern gehört zum Handwerk, denke ich. Und bin ziemlich überrascht, als er mich am Ende nicht um Geld, sondern um etwas zu essen bittet. Er behauptet, sein Chef würde ihm das Geld sonst ohnehin wegnehmen.

So ein schlauer Schuhputzer!  - am Ende ist er im Besitz eines Sackes Reis im Wert von 500 Rupies (etwas mehr als 6 Euro). Normalerweise kostet diese kleine Dienstleistung 20 Rupies. Gutes Geschäft. Macht nichts, ich bin froh, seiner Familie für die nächsten Wochen die Mahlzeiten gesichert zu haben. Und mir tun die 6 Euro nicht weh. Außerdem blitzen meine Schuhe 1a!

Randvoll Drikungpas

Am nächsten Morgen muss ich früh raus. Rangdröls Nichte Angmo fährt mich zusammen mit ihrem Freund zum Flughafen. Die Beiden planen an diesem Tag ohnehin einen Ausflug zum See und müssen so keinen großen Umweg machen. Ich verspreche Angmo im Gegenzug, für sie in Kathmandu die Seide für ein traditionelles Kleid zu besorgen, dass sie sich für eine Hochzeit im Familienkreis nähen lassen will.

Am Flughafen in Leh treffe ich dann einige Nonnen unserer Linie, von denen eine auch bei der Zeremonie für die verstorbene Verwandte von Rangdröl am Anfang meiner Reise dabei war. Leider haben sie einen anderen Flug und kommen erst zwei Stunden nach mir in Kathmandu an. Gesellschaft habe ich trotzdem. Und zwar von Dorje, einem Mönch aus dem Kloster Rinchen Palri, der gerade seine Familie in Ladakh besucht hat und ebenfalls auf dem Weg zu seinem Lehrer Sonam Jorphel Rinpoche ist. Ich werde mich noch sehr über die Anwesenheit Dorjes freuen....

Zunächst aber treffen wir beim Zwichenstopp in Delhi die Nonnen wieder, außerdem ein paar weitere Mönche unserer Linie Drikung Kagyud. Als Rangdröl mich - besorgt wie immer - per WhatsApp fragt, wie denn Delhi so ist, schicke ich ihm ein Foto der gesamten Gesellschaft und schreibe: "Full of Drikungpas." Eine große Familie eben in einer kleinen Welt.

Malheur gerade noch verhindert

Von der brütenden Hitze Delhis geht es in nicht einmal 2 Stunden Flug weiter in den Regen Kathmandus. Es ist Regenzeit in Nepal und die macht ihrem Namen alle Ehre, als wir schon etwas erschöpft das Flughafengebäude Kathmandus verlassen. Plötzlich meldet sich mein Magen, als Dorje und ich in ein Taxi steigen. Den Thunfischsalat auf dem Rückweg von der Shanti-Stupa hätte ich wohl besser nicht gegessen. Rangdröl kann später meine Dummheit kaum fassen. Ich übrigens auch nicht. Ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal hier. Dorje habe ich es dann jedenfalls zu verdanken, dass trotz Stau und Chaos auf der Straße kein großes Malheur im Taxi passiert. Puh....

Aber ich bin krank. Fühle mich schwach, als wie am Kloster ankommen. Das jedoch rückt erst einmal in den Hintergrund, als Tenzin, ein Yogi den ich schon seit seiner Kindheit kenne, freudestrahlend und völlig entgeistert angesichts meines Eintreffens auf mich zugelaufen kommt. Zeitgleich treffen zufällig auch seine Mutter Drölma und seine Schwester Sonam mit mir ein.

Mal 'was anderes als Broken English 

Die Wiedersehensfreude ist unglaublich. Sie alle sind mir im Laufe der letzten Jahrzehnte sehr ans Herz gewachsen. Und ich freue mich ganz besonders, mit Sonam, die ein Jahr in Deutschland war, endlich mal ein paar Worte in meiner Sprache wechseln zu können. Broken English auf Dauer ist doch sehr anstrengend, auch wenn ich so langsam sogar anfange, Englisch zu denken. 

Ich erlebe also ein paar wundervolle Tage in Rinchen Palri, in denen eine Zeremonie die nächste jagt. Und nachdem mein Lehrer sich einen Tag lang erholt hat, scheint es ihm bei der anschließenden Audienz, die ich mit Drölma und einer weiteren Frau aus Ladakh bei ihm habe, ganz gut zu gehen. Er lächelt wieder und erkundigt sich ganz interessiert nach Thomas. Der Pechvogel jedoch kann nicht einreisen, nachdem sein PCR-Test positiv verläuft. Der bereits gebuchte Flug ist jedoch glücklicherweise versichert. Mensch, ich hätte meinen Süßen gern gesehen. Und ich hätte es ihm - wie übrigens jedem anderen auch - sehr gewünscht, Rinpoche zu treffen.

Fiebrige Einweihungen

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich am dritten und vierten Tag nach meiner Ankunft an zwei Einweihungen teilnehmen darf, die Rinpoche eigens für die Yogis gibt, die mit ihrer spirituellen Praxis sonst ins Stocken geraten wären. Tatsächlich ist mein Lehrer extra deswegen aus Vietnam angereist. Chakrasamvara- und Dorje-Pagmo-Einweihungen gibt er an den beiden aufeinander folgenden Tagen. Am Tag darauf sind die zehn Yogis dann mit unserem Lehrer unter sich. Er gibt ihnen noch ausführliche Belehrungen zur Praxis der jeweiligen Meditation. Leider hat sich zu meinem Durchfall nun auch Fieber gesellt und so bin ich während der ganzen Zeremonien ziemlich neben der Spur. 

Luxus in Boudha

 Und weil es während der Belehrungen für die Yogis für mich nichts im Kloster zu tun gibt (Ausflüge in die Umgebung sollte man ohnehin unterlassen, da das Kloster inmitten eines mit Schlangen, Leoparden und Tigern bevölkerten Dschungels liegt), mache ich mich auf den Weg nach Boudha im Herzen Kathmandus. Dank Ferdinand, eines deutschen Freundes, der schon seit Jahrzehnten in Nepal und Thailand lebt, habe ich eine Mitfahrgelegenheit und bekomme von ihm auch den besten Hotel-Tipp. Das Lotus Gems in Boudha ist nicht nur luxuriös eingerichtet, sondern hat sogar einen eigenen Swimmingpool. Das ist hier in Nepal eine Seltenheit. 45 Dollar die Nacht sind für hiesige Verhältnisse schon recht ordentlich - aber okay. Ich muss mich einfach mal richtig erholen. Bisher habe ich sowieso fast gar nichts ausgeben können, weil ich ständig darum kämpfen muss, einmal bezahlen zu dürfen.  

Es geht also von meiner kargen Kammer in Rinchen Palri ins Luxushotel in Boudha, wo mein erstes Highligt - na klar - eine heiße Dusche ist. Ich schlafe wie ein Baby, schlemme am umfangreichen Frühstücksbuffet, genehmige mir eine Rücken- und Gesichtsbehandlung im Spa und bin recht schnell wieder auf den Beinen.

So, das ist jetzt doch recht lang geworden. Daher: Von der Lichterprozession in Swayambhu und anderen Begebenheiten in Kathmandu berichte ich nächstes Mal...



Antworten

Nepal
Reiseberichte Nepal
#ladakh# buddhismus#leh# kathmandu#rinchenpalri#boudha#sonamjorphelrinpoche#balambu