Moonland 2022
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Feeling high ...

Veröffentlicht: 11.06.2022

Eigentlich sollte hier jetzt ein ausführlicher Bericht über meinen  Besuch im wundertätigen Atitse erscheinen. Aber mit der Recherche tue ich mich ein wenig schwer. Und weil die Eindrücke von heute noch so frisch sind, es zudem tolle Bilder gibt - wie ich finde - erzähle ich stattdessen von meinem heutigen Ausflug in eine der abgelegensten und höchsten Regionen des Himalaya.

Schroffe Felsen und wilde Rosen

Es war einmal mehr Rangdröl, der diesen wunderbaren Tag ermöglicht hat. Nach dem Frühstück und der morgendlichen Meditation ging es gleich los in Richtung Fotoskar oder Fotoksar. Selbst auf den Schildern sind sie sich hier nicht einig, wie die westliche Schreibweise sein soll. Jedenfalls ist der Weg dahin schon ein Abenteuer. Die Bilder geben nur annähernd einen Eindruck dessen wider, wie diese unglaubliche Landschaft beeindruckt. Kilometerhohe schroffe Felsformationen, dahinter malerische Schneeberge vor einem mit weißen Zuckerwolken durchzogenen tiefblauen Himmel - einfach fantastisch. 

"Rappel" am Abgrund

Weniger fantastisch ist die in die Felsen gehauene Schotterpiste, auf der uns Rangdröl mit seinem kleinen Susuki halsbrecherisch manövriert. Ich erzähle ihm von Warnschildern in Frankreich, die mit der Mahnung "Rappel" Aufmerksamkeit des Fahrers einfordern. Ich weiß nicht, wie oft ich mich an diesem Tag an den Griff meiner Tür klammere und entsetzt "Rappel" rufe. Rangdröl für seinen Teil hat sichtlich Spaß an meiner Panik und erzählt mir, dass es desöfteren vorkommt, dass sich von den Felswänden über uns dicke Brocken lösen und Autos unter sich begraben. Naja dann, ...

Die Aussichten, die sich uns bieten, machen meine Panik allemal wett. Wilde Rosenbüsche, Thymian und ein Kraut, das die Mönche als Räucherwerk verwenden, wachsen am Straßenrand wie Unkraut. Denn hier fließt neben der Straße ein idyllisch über große Steinbrocken plätscherndes Flüsschen. So geht es die Serpentinen hoch bis auf eine Höhe von rund 4800 Meter. Die Schneeberge rücken näher und es wird empflindlich kalt. Wir passieren das Örtchen Hanupata, halten uns dort aber nicht länger auf.

Zhampa und Buttertee - ohne mich

Inzwischen ist es Mittag und uns knurrt der Magen. Ich habe das schon geahnt und vorsorglich eine Wassermelone mitgenommen. Die gibt es hier zuhauf. Weniger vorsorglich ist, dass ich kein Werkzeug habe, um sie zu zerteilen. Aber Ladhakis sind pragmatisch. Rangdröl schnappt sich die Melone, haut sie ein- zweimal gegen einen Felsen, und schon ist die Frucht zum Verzehr bereit. Zwei Frauen und ein Junge aus Fotoskar sind erfreut, als Rangdröl ihnen ebenfalls ein paar Stücke davon reicht und teilen schlürfend schmausend unser Mahl.
Nach diesem kleinen Imbiss geht es hoch ins Kloster, für das Randröl geschätzte 40 Liter Speiseöl im Kofferraum hat. Der Begriff Speiseöl ist allerdings nicht ganz richtig, wird das Öl doch einzig und allein für das Füllen der Butterlampen genutzt, mit denen Licht als Opfer dargebracht wird. Rangdröl hat dann auch noch ein paar zeremonielle Utensilien dabei, die er eigens für dieses abgelegene, 46 Familien zählende Dörfchen aus Nepal mitgebracht hat.

Immer im Dienste der Linie

Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie dieser Mönch sich bemüht, im Dienste des Buddhismus, und speziell der Drikung-Linie, hilfreich zu sein. Doch nicht immer fruchten die Bemühungen. Mit einem Lehrer aus dem Dorf sieht Rangdröl sich ein Gebäude an, in dem eigentlich schon zwei Räume für die Mönche hätten entstanden sein sollen. Doch bisher hat der Neubau zwar Fenster, aber keine Scheiben, keinen Putz und dient - wie die Kothaufen verdeutlichen - bisher wohl eher als Stall. Rangdröl erklärt mir jedoch, dass dieses arme Dorf keinerlei Unterstützung erhält. Es ist einfach zu abgelegen. Und deshalb nimmt er den Dorfbewohnern das Ganze auch nicht übel.

Der Lehrer lädt uns dann noch zum Tee zu sich nach Hause ein. Eigentlich würden wir gern weiterfahren, aber Nein sagen geht nicht. Obwohl ich schon ahne, dass es bestimmt Buttertee geben wird. Und wer den schon einmal gekostet hat, der weiß: Ich bin raus. Ich lasse diesen fetten, salzigen Tee stehen und bekomme prompt als Alternative süßen Tee vorgesetzt. Eigentlich auch nicht so mein Ding, aber diesmal nehme ich an. Rangdröl sorgt dann noch dafür, dass ich mich nicht an der Mittagsmahlzeit aus Buttertee, Joghurt und Gerstenmehl (Zhampa) beteiligen muss. Wirklich ein Essen für Menschen, die in dieser Kälte und auf dieser Höhe viel Energie benötigen und die auf Würze keinen Wert legen. Shapatis und Omelette, die ich stattdessen vorgesetzt bekomme, triefen zwar auch vor Fett, sind meiner westlichen Zunge aber sehr viel mehr willkommen.

Gewaltmarsch für eine Dreijährige

Es gibt dann noch ein großes Hallo beim Abschied, als wir uns auf den Weg in Richtung Wangla machen. Ein kleines Dörfchen, in dem nicht nur mein Freund Tonyot zu Hause ist und das dortige Kloster beaufsichtigt, sondern das ich auch schon seit 1995 kenne. Damals allerdings habe ich diesen Ort mit meiner nur dreijährige Tochter Amira zu Fuß von Lamayuru aus erkundet. Die Straße in dieses von einem klaren Flüsschen durchzogene Bergdorf gibt es erst seit ein paar Jahren. Die Erinnerung daran, wie Amira damals mit ihren kleinen Beinchen durchgehalten hat und wie ihr beim Anblick eines Pferdeskeletts unterwegs die Tränen kamen,  steigt in mir hoch. Damals hat die Kleine (sie tötet mich, wenn sie das liest) übrigens erst auf dem Rückweg, 20 Meter vor unserer Unterkunft aufgegeben. Den letzten Berg wollte sie nur noch auf meinem Arm erklimmen. "Mama...!" War natürlich genehmigt.

Heiligkeit und Bollywood

In Wangla ist jedenfalls eine große Versammlung der Dorfgemeinschaft zugange. Alle Dörfler sind schon in heller Aufregung, weil das Oberhaupt unserer Linie, Seine Heiligkeit Drikung Kyabgön Chetsang Rinpoche, in Ladakh weilt und wie Wangla vielen Orten hier einen Besuch abstatten und dort Belehrungen geben wird. Zudem wird der Dalai Lama erwartet - das schmälert die Anspannung eher nicht.

Und in Lamayuru ist zurzeit eine Bollywood-Crew zu Gast. Total belegt, das 700-Einwohner-Dorf. Nervt ein wenig. Bin ich doch hier, um ein wenig weniger Trubel zu haben. Meditation, wenn nebenan geschätzte 50 Nonnen irgend so einen Shaolin-Blockbuster drehen? No go!  So, jetzt ist es fast 21 Uhr. Zapfenstreich hierzulande. Gute Nacht also - und natürlich bis bald. Hoffentlich dann mit mehr Infos zum wundertätigen Atitse...

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#ladakh#buddhismus#wangla#seine#heiligkeit#lamayuru