Veröffentlicht: 01.06.2022
In Lamayuru laufen zurzeit die Vorbereitungen für ein großes buddhistisches Festival, das ab dem 24. Juni mit der Enthüllung eines großen Thangka (Rollbild des tantrischen Buddhismus) und Lama-Tänzen begangen wird. Ich habe das immense Glück, bei diesen Vorbereitungen hinter die Kulissen schauen zu dürfen und sogar ein wenig zu helfen.
Damit einher geht die erste Lektion in Sachen Statuenbasteln. Für alle, die es nicht wissen: Ich bin auch hier, um zu lernen, wie die indischen Meister Statuen aus Ton bauen. Ein Meister der Modellage ist Lama Rigdzin, der im hiesigen Kloster für das Erstellen von Masken, Statuen und Tormas zuständig ist. Er hat an diesem Tag die Aufgabe, in stundenlanger Kleinarbeit ein Abbild Seiner Heiligkeit Drikung Kyabgön Chetsang herzustellen. Nur, um dieses Abbild des 37. Thronhalters der Drikung Kagyud Linie einen Tag später in einer 20-minütigen Zeremonie wieder zerstören zu lassen.
Zunächst bastelt Rangdröl das Grundgerüst aus einem Holzkreuz und Schultern und Armen aus Draht. Dann wird das Ganze mit Katakhs (Seidenschals) umwickelt. Anschließend erhält der so entstandene Körper das typische Mönchsgewand. Erst danach schreitet Lama Rigdzin zu Werke. Aus Tsampa, einem Gerstenteig, formt er zunächst das Gesicht.
Dabei wird er genau beobachtet von den vielen kleinen Mönchen, die hier im Kloster ihre Ausbildung erhalten. Und wie KInder halt so sind, spielen sie ausgelassen mit den Teigabfällen, die Lama Rigdzin nicht mehr benötigt. Ich denke mir so: Kinder müssen einfach so süß aussehen, weil sie eigentlich ziemlich oft nerven, laut sind und alles kaputt machen. Doch diesen zauberhaften Mini-Mönchen kann niemand etwas übel nehmen.
Auch Lama Rigdzin nicht. Denn nicht nur einmal huscht ein Lächeln über sein sonst so stilles und konzentriertes Gesicht, wenn mal wieder einer der Kleinen irgendeinen Unsinn angestellt hat. Irritieren lässt sich der Meister nicht. Unter seinen kunstfertigen Fingern ist ein Gesicht aus Gerstenteig entstanden, das nun für den nächsten Arbeitsgang bereit ist. Jetzt kommt neues Material zum Einsatz. Aus Butterschmalz und Wachs wird eine weiße Knetmasse hergestellt, der beigemischte Pigmente die jeweils gewünschte Farbe verleihen.
Aus diesem farbigen Knetteig modelliert Lama Rigdzin nun eine feine Schicht über das Gesicht, werden Mund, Augenbrauen, Augen und Nasenlöcher gestaltet. Ich greife mir ein wenig von der Masse und versuche mich mal an einer Hand. Überrascht stelle ich fest, dass Lama Rigdzin diese Hand tatsächlich später verwendet, auch wenn er sie noch ein wenig umgestaltet. Richtig erfreut bin ich aber, als er mich am Ende um meine Meinung bittet, ob denn die von ihm geformten Augen so gut seien, und meinem Verbesserungsvorschlag folgt.
Am Ende helfen mehrere Mönche beim Bestücken der Figur mit Schirmen und diversen Beigaben, bevor das fertige Stück in die Gompa (Meditationsraum) gebracht wird. So schnell, wie diese Figur bald zerstört sein wird, so schnell ist auch dieser Tag wieder vergangen. Wieder ein Tag voller Erlebnisse und Einsichten, der mich glücklich und zufrieden zu Bett gehen lässt. Egal dann auch, dass es nachts 5 Grad kalt ist. Wen kümmert's, wenn einem so warm ums Herz ist?
Bald mehr...