Veröffentlicht: 28.05.2022
Es ist jetzt fast 30 Jahre her, dass ich diesen Traum hatte von einem Land voller Steine, in dem, wo auch immer sich ein Tropfen Wasser findet, das Grün regelrecht explodiert. 1995 habe ich dieses Traumland in Ladakh gefunden. Und jetzt bin ich wieder hier.
Viele zu Hause haben mich gebeten, sie doch an meiner Reise teilhaben zu lassen. Das will ich gern tun. Da einige darunter sind, die schon in Ladakh waren, anderen es wiederum ganz fremd ist, hoffe ich, allen gerecht werden zu können. Nun dann:
Ladakh. Land der Steine. Land der Schneeberge. Land der Aprikosen und der Gegensätze. Im Flugzeug sinniere ich ziemlich übermüdet rum, denke, dass die vielen Aprikosenbäume trotz der extrem trockenen Landschaft um sie herum sehr gut hierher passen. Aprikose - schon das Wort macht in mir ein weiches Gefühl, erinnert an liebkosen, an süße, südliche Fülle. Momentan haben die Bäume ihre Blüte gerade hinter sich, geerntet wird in 2 Monaten. Zurzeit gibt's die süßen Früchte also nur als Trockenobst - und da schließt sich der Kreis zum trockenen, steinigen Land doch wieder. Das Heimatland meines buddhistischen Lehrers, das mir vor 30 Jahren im Traum begegnete, obwohl ich noch nie davon gehört, geschweige denn es gesehen hatte, übt eben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Jedes Mal, wenn ich wieder nach Hause reisen muss, fühlt es sich an, als verließe ich meine eigentliche Heimat. Ihr könnt euch also vorstellen, wie freudig meine Gedanken im Flugzeug meinem Ziel entgegenfiebern.
Am Flughafen in der ladakhischen Hauptstadt Leh holt es mich aber ganz schnell zurück in die Realität. Mein Koffer ist in Delhi geblieben und soll erst am nächsten Tag nachkommen.
Immerhin werde ich durch die Warterei auf den Koffer eine deutsche Mitreisende los, die mich den anderthalbstündigen Flug lang zu überzeugen versucht, wie toll sie doch ist, weil sie mit dem Motorrad durch den Himalaya fährt, die ganzen Sprachen der Gegend - inklusive Chinesisch - spricht und wie ich ja auch Buddhistin sei.
Ohne mich. Die redet mir ein bisschen zu viel über sich selbst, denke ich und bin froh, dass sie schon ihrer Wege gezogen ist, als ich das Flughafen-Gebäude verlasse. Das Gesicht, das mir stattdessen entgegenlächelt, sehe ich eine Million mal lieber: Rangdröl, seines Zeichens Mönch und seit 22 Jahren ein sehr guter Freund. Wie versprochen, steht er da in seiner roten Robe und strahlt über beide Wangen. Ich glaube, ein bisschen stolz ist er auch, als er mich zu seinem eigenen kleinen Auto bugsiert. 3500 Euro kostet hier so ein Susuki-Kleinwagen, erfahre ich. Echt preiswert. Und der Kleine zeigt am Berg, wieviel Power er hat, als Rangdröl - mir nichts dir nichts - einen SUV überholt.
Leh ist überhaupt nicht wiederzuerkennen. Als ich vor 15 Jahren das letzte Mal hier war, gab es ein paar Straßen, einige Hotels, Restaurants und Geschäfte. Jetzt ist Ladakhs Hauptstadt tatsächlich eine Stadt. Laut und unübersichtlich. Ich muss sogar - weil ich kein Internet habe ganz old-school - einen Police-Officer nach dem Weg zurück zum Zanang-Hotel fragen.
Im Zanang hat mich Rangdröl einquartiert, weil es seinem Schwager gehört. Und so logiere ich ganz kostenlos in dem Neubau. Wer schon in Ladakh war, der weiß, dass das heiße Wasser dort aus der total cleanen Dusche keine Selbstverständlichkeit ist. 1995 haben wir unsere Notdurft noch in Erdlöchern verrichtet und anschließend mit ordentlich Staub "gespült". Das war einmal. Vieles ist auch hier heute moderner.
In die Wiedersehensfreude mischen sich allerdings schon am Nachmittag meiner Landung erste Höhenanpassungssymptome - Kopfschmerzen, Mattigkeit, Atemnot. Glücklicherweise hat Rangdröls Nichte Angmo gleich die richtige Medizin parat. Ich schlafe circa 15 Stunden, dann geht es mir besser. Und Rangdröl kommt mit meinem frisch eingetroffenen Koffer vorbei. Dabei hat er auch noch eine Nonne. Padma Chodrol ist ihr Name, den ich mir ausnahmsweise mal merken kann. Ist echt schwierig mit diesen so fremd klingenden tibetischen Namen.... Die Nonne will uns nach Lamayuru begleiten, um von dort aus weiter nach Bodhkarbou ins Nonnenkloster zu fahren.
Rangdröl lässt es sich jedoch nicht nehmen, uns erst noch zum Mittagessen einzuladen und anschließend mit uns eine Sightseeing-Tour durch die Dörfer abseits der Route zu machen.
Am späten Nachmittag erreichen wir dann Lamayuru. Das knapp 700 Einwohner zählende Örtchen trägt wegen seiner an eine Mondlandschaft erinnernden Gesteinsformationen auch den Beinamen Moonland. Hier hat mein buddhistischer Lehrer Sonam Jorphel Rinpoche lange Zeit gelebt. Und dies ist auch der Ort, den ich in meinem Traum vor 30 Jahren gesehen habe. Ihr könnt euch vorstellen, wie verwundert ich war, als ich 1995 bei meinem ersten Besuch hier feststellte, dass dieser Ort tatsächlich nicht nur in meinem Traum, sondern ganz real auf dieser Welt existiert.
Vielleicht ist es auch Tonyot ein bisschen so ergangen. Auch er ist Mönch und ein sehr alter Freund von mir. Als er mich heute in Lamayurus Kloster sah, rief er verwundert: "Is it a dream?". Nein. Ich bin kein Traum. Und ich bin echt hier. Auch wenn ich es selbst noch nicht so ganz glauben kann....
To be continued...