Wir reisen, also sind wir
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Peru: Lima

Veröffentlicht: 01.09.2018

Von Iquitos sind wir morgens nach Lima geflogen. Am ersten Nachmittag in Lima unternahmen wir nicht mehr allzu viel, wir besorgten uns eine lokale Sim-Karte und lernten den Supermarkt «Wong» kennen, ein wahres Schlaraffenland, wo es zur Abwechslung mal wieder richtiges Brot, anständigen Käse, sogar Lindt-Schokolade und sonstige Waren, die an zuhause erinnern (Barilla Spaghetti…mmmmhhh) zu kaufen gab. Natürlich ist das ein eher teurer Laden, wo eher die peruanische Oberschicht einkauft, aber wir fröhnten hier zur Abwechslung auch mal wieder der Genusssucht und deckten uns mit allerlei Leckereien ein.

Da unser Hostel im Bezirk Miraflores lag, der zwar als sehr sicher gilt aber dafür ziemlich weit vom Zentrum Limas entfernt liegt, machten wir uns tags darauf mit dem Metropolitano Stadtbus auf in die Innenstadt. Der freundliche Venezuelanische Mitarbeiter des Hotels lieh uns dafür seine aufladbare Karte auf, so dass wir uns keine eigene kaufen mussten. Es gibt nicht nur in Peru sondern auch in vielen anderen Südamerikanischen Ländern viele Flüchtlinge aus Venezuela. Und leider sind sie zumindest hier nicht besonders beliebt, da es offenbar leider auch diverse Probleme mit Kriminalität und Gewalt gibt. Auch in den Nachrichten hatten wir Berichte gesehen, wo Venezuelaner schlimmer gewalttätiger Raubüberfälle bezichtigt werden. Natürlich sind, wie überall sonst auch, überhaupt nicht alle Verbrecher, trotzdem haben sie einen schweren Stand hier, zumindest soweit wir das aus unserer Sicht beurteilen können. Im besten Fall finden sie eine Arbeit, wie zum Beispiel dieser Mann, in einem Hotel, wo sie dann wohl aber ziemlich ausgenutzt werden. Dieser Herr hier lebt mit seiner Familie im Hotel. Die Ehefrau putzt und kocht, während der Mann 24h pro Tag an der Rezeption für die Gäste verfügbar sein muss und sich um die Administration kümmert. Verdienen werden sie wahrscheinlich nicht allzu viel, neben Kost und Logis. Der Hotelbesitzer sitzt derweil den ganzen Tag vor dem Fernseher und gibt allenfalls noch ein paar Kommandos. Im schlechtesten Fall arbeiten sie in den Stadtparks als Schuhputzer und müssen sich gefallen lassen, dass die Peruaner, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, während des Schuhputzens noch über sie herziehen und sich darüber lustig machen, dass sie diese Arbeit für einen Bruchteil dessen erledigen, was ein Peruaner dafür verlangen würde. Als wir das erlebten, fiel uns auf, wie besonders perfid es sein kann, als Flüchtling in ein Land zu flüchten, wo man dieselbe Sprache spricht (obwohl das sicher auch einige Vorteile hat, zb. Bei der Arbeitssuche). Mir ist das zuerst gar nicht so aufgefallen, bis Jörg sagte: überleg mal, du kommst in ein Land, wo dich sowieso schon niemand haben will, und dann verstehst du es auch noch, wenn sie laut über dich lästern, während du ihre Schuhe putzt. Und es bleibt dir nichts anderes übrig als zu lächeln, weil das ja schliesslich dein Kunde ist. Das muss wirklich ausgesprochen demütigend sein. In unserem Fall hatte der arme Venezuelaner sogar noch seinen kleinen Sohnemann dabei, der nebenan im Park spielte, während sein Vater seine Arbeit tat, und alles mithören konnte.

Natürlich hatten wir für unseren Nachmittag im Zentrum eine lange Liste vorbereitet, mit Orten, die wir uns ansehen wollten. Weit gefehlt. Was wir nämlich nicht wussten war, dass genau an diesem Wochenende der peruanische Nationalfeiertag gefeiert wurde, weshalb die halbe Stadt gesperrt war. Haha. Und selbst bei späterer Gelegenheit, als wir nochmals nach Lima zurückkehrten, war die Plaza de Armas wieder gesperrt, diesmal aufgrund von Demonstrationen. Wir konnten nur aus der Ferne ein Foto machen. Und da das Museum «Museo de la Gastronomia Peruana», welches wir sehr gerne besucht hätten, gleich neben der Plaza de Armas lag, konnten wir auch dies trotz mehreren Versuchen leider nicht besuchen.
Trotzdem spazierten wir soweit möglich in der Stadt umher, spazierten den Jiron de la Union entlang, kamen an der Plaza San Martin vorbei, die von vielen wunderschönen Kolonialgebäuden umrahmt ist, passierten verschiedenen Kirchen und überquerten schliesslich den Fluss und schlenderten durch den Stadtteil Rimac. Aber auch das Museo Taurino, welches uns noch interessiert hätte, über den Stierkampf in Peru, war geschlossen.
Zumindest ein Highlight der Stadt hatte heute geöffnet: der Circuito Magico del Agua. Dabei handelt es sich um 12 prachtvoll beleuchtete Wasserspiele im Parque de la Reserva. Tagsüber hat man kostenlosen Zugang zum Park, abends allerdings, wenn die Springbrunnen beleuchtet werden, muss man ein kleines Eintrittsgeld zahlen. Absoluter Höhepunkt ist die Lasershow der 120m langen Fuente de la Fantasia. Unter anderem werden die touristischen Sehenswürdigkeiten Perus an Wände aus Wasser projiziert, während die ganze Vorführung von einem Medley aus allen möglichen Melodien untermalt wird. Es war wirklich ganz schön dort, wir haben einige Stunden in dem Park verbracht und auch für das leibliche Wohl war mit diversen Essens- und Getränkeständen gesorgt.

Für den nächsten Tag hatten wir Karten für die Show «Las Brisas del Titicaca» besorgt, wobei es sich um eine Folklorica-Vorführung handelt. Die Show findet in einer riesigen Halle statt. Während einem vorreservierten Mittagessen werden traditionelle Musik und Tänze aus verschiedensten Regionen Perus vorgeführt.
Wir waren etwas zu früh in der Stadt, und trafen prompt noch auf die Militärparade, die zum Nationalfeiertag stattfand. Nebst verschiedenen Militärtruppen und Spezialeinheiten nahmen auch Panzer- und Flugstreitkräfte, sowie Zivilschutz, Feuerwehr und Ambulanzen an der Parade teil. Es ist schon eindrücklich, wie Länder bzw. Regierungen es nötig haben, ihre militärische Macht bei solchen Gelegenheiten zu demonstrieren. Bei uns in der Schweiz kennt man das ja weniger, da ist man schon froh, wenn aus dem Bundesrat ein halbwegs guter Redner vertreten ist, der die Rede auf dem Rütli hält. Damit wir auch gut ins allgemeine Bild passten, kauften wir von einem Strassenhändler auch noch Pins mit der peruanischen Flagge, wie sie fast alle Peruaner in den Strassen trugen.
Als wir dann für die Vorführung in die Halle eingelassen und zu unserem Tisch geführt wurden, trafen wir auf Manolo, seine Frau Carmen, ihre Tochter und deren beste Freundin. Wir kamen sofort mit Manolo ins Gespräch, der als Disponent in der Goldminen-Industrie tätigt ist und sich sehr für unsere Reise interessierte. Er erzählte uns auch viel über Peru und wusste bei jedem vorgetragenen Musikstück, aus welcher Region Perus es genau stammte. Wir verbrachten einen lustigen Nachmittag mit der Familie, führten interessante Gespräche, genossen die Vorführungen und wurden herzlich in die Festivitäten zum Nationalfeiertag einbezogen. Sogar eine Flagge hatte man natürlich mit, die während jedem Applaus geschwenkt wurde, und auch die ganze Halle war in den peruanischen Farben dekoriert (lustigerweise die gleichen Farben wie die Schweiz: rot/weiss.)
Spannend an dieser Vorführung war, dass es nach jedem 3. Tanz eine Pause gab, während der nur die Band spielte, und die Zuschauer eingeladen waren, selber zu tanzen. Kaum hatte der Moderator das jeweils angekündigt, war die Tanzfläche auch schon rappelvoll mit Jung und Alt, nur wenige blieben an den Tischen sitzen. Und das nachmittags um eins. Bei uns würde das ganz anders verlaufen. Zunächst einmal würde wahrscheinlich jeder motzen, dass er soviel Eintritt zahlt, und dann gibt es nach jedem 3. Stück eine Pause. Zum anderen wäre die Tanzfläche die ersten 10 mal gähnend leer, bis dann mal alle genügend Wein getrunken hätten, um sich beim 11. Mal doch noch nach vorne zu trauen und scheu etwas auf der Tanzfläche herum zu wippen. So ehrlich gesagt auch bei uns, bis uns Manolo irgendwann fragte, weshalb wir nicht tanzen würden. Wir erzählten ihm über diesen Unterschied in der Mentalität, und er war sehr erstaunt darüber. In Lateinamerika ist Tanzen ein wichtiger Teil der Kultur, niemand hat Hemmungen zu tanzen, die Kinder lernen es von klein auf und es gehört bei jedem Fest einfach dazu. Bei uns ist man da leider viel zurückhaltender.
So gibt es auch zig lateinamerikanische Tanzstile, die überall auf der Welt bekannt sind (Salsa, Samba, Rumba, Chachacha, Bachata, etc.). Wir fragten Manolo, ob er denn einen europäischen Tanzstil kenne? Er kannte keinen. Klar, es gibt natürlich Wiener Walzer und Foxtrott….aber mal ehrlich…wer kennt das denn?
Es war jedenfalls ein toller Nachmittag, wir haben die Vorführung und auch die Gesellschaft von Manolos Familie wahnsinnig genossen. Carmen, die im Tourismus-Sektor tätig ist, gab uns auch noch ihre Handynummer, damit wir sie kontaktieren könnten, wenn wir irgendwelche Fragen oder Probleme in Peru hätten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass das eine von nur ganz wenigen sehr positiven Begegnungen mit den Einheimischen war. Dazu später allerdings mehr.

Abends fuhren wir noch zur Ruine Huaca Huallamarca, eine Lehmziegelpyramide der Lima-Kultur. Wir nahmen an einer abendlichen Führung teil und das war ganz schön, da die Stätte beleuchtet war. Die Tour allerdings war mässig spannend, hauptsächlich weil das Spanisch unseres Guides so schnell war, dass man es kaum verstand und ihr Englisch so schlecht war, dass man es ebenfalls kaum verstand. Schön war auch, dass diese Ruine, die man zufällig unter einem Hügel mitten in der Stadt fand als Motocross-Fahrer darauf unterwegs waren und der Hügel einbrach, zwar restauriert war, aber nicht neu aufgebaut. Wir würden nämlich noch feststellen, dass die Peruaner dazu neigen, ihre Ruinen so wieder aufzubauen, wie sie denken, dass sie mal ausgesehen hat. Interessant war auch, dass die Pre-Inka-Kulturen, zu denen die Lima-Kultur gehörte, keine Treppen bauten, sondern nur Rampen. Ausserdem verstanden sie sich bereits darauf ihre Gebäude erdbebensicher zu bauen. Eine Massnahme unter anderen war beispielsweise, dass sie Abstand zwischen den einzelnen Lehmziegeln liessen, und diesen nicht auffüllten, damit sich die Mauern im Falle eines Erdbeben bewegen können. Ausserdem nutzten sie häufig Trapezformen, um mehr Stabilität zu gewährleisten. Die Lima-Kultur verwendete ausschliesslich Lehmziegel und keine Steine für ihre Bauten.
Nach der Führung genossen wir ein Abendessen auf der Terrasse des gleich angrenzenden Restaurants, von wo man einen aussergewöhnlichen Blick auf die beleuchtete Ruine hatte. Das Essen war zwar gut, aber es gab nur sehr kleine Portionen und das zu einem ziemlich teuren Preis. Lustig war, dass gleich am Nebentisch ein anderes Päärchen aus der Schweiz sass, welches sich auf Langzeitreise befand. Wir kamen ins Gespräch und blieben nach dem Essen noch in der Bar auf einen weiteren Drink sitzen.

Wir fuhren mit dem Metropolitano Bus ausserdem noch in den Stadtteil Barranco, wo wir ein wenig herumschlenderten und das kleine Elektrizitätsmuseum besuchten. Dies ist zwar nicht unbedingt einen Besuch wert, aber vor allem die Geschichte der elektrischen Trams, die es einst in Lima für relativ kurze Zeit gegeben hatte, war sehr interessant. Ansonsten wir etwas über Elektrizität im allgemeinen erzählt, die Elektrifizierung Limas, ausserdem kann man einige Trennschalter und Transformatoren und elektrische Haushaltsgeräte anschauen.

Ausserdem besuchten wir noch das Museo Lugar de la Memoria, welches gebaut wurde, um das Andenken an die unruhigen Jahre von 1980 bis 2000 zu bewahren. Zu dieser Zeit erlebte Peru Jahre der Gewalt, in welchen sich die revolutionären Gruppierungen «Sendero Luminoso», «MRTA» und das Militär gegenseitig bekämpften. Es gab wahnsinnig viele Massaker an zivilen Opfern, insbesondere auch an indigenen Gruppen. Mit der Zeit wusste man offenbar nicht mal mehr, wer zu wem gehört und wer genau wen bekämpft, so dass es zu schlimmen Vorfällen kam. Die Dörfer hatten inzwischen auch eigene Abwehr- und Selbstverteidigungsgruppen gebildet, da sie zu den Regierungstruppen kein Vertrauen mehr hatten. Beispielsweise wurden im Dorf Uchuraccay 8 Journalisten durch Einwohner und Mitglieder einer solchen Selbstverteidigungstruppe getötet, weil diese fälschlicherweise angenommen hatten, dass es sich bei den 8 Männern um Angehörige der Terrorgruppe Sendero Luminoso gehandelt hätte. Umgekehrt haben Regierungstruppen schlimme Massaker an ganzen Dörfern (Männer, Frauen, Kinder) begangen, unter dem Verdacht, dass diese ebenfalls einer der Terrorgruppen angehörten.
Das Museum ist recht gross und weiss viel aus dieser Zeit zu erzählen. Unter anderem kann man sich auch Zeugnisse von Zeitzeugen anhören, Angehörigen von Ermordeten oder Familien von Verschwundenen, das geht wirklich sehr unter die Haut.

Zu guter Letzt besuchten wir auch noch den Mercado de Indios in Miraflores, den angeblich riesigen Kunsthandwerksmarkt. Nun, so gross war der zwar nicht, aber dafür war er umringt von vielen anderen ähnlich grossen Kunsthandwerks- und Souvenirmärkten, so dass es sich um ein richtiges Shoppingparadies handelt. Irgendwann werde ich nochmals hierher zurückkommen müssen. Ohne Jörg, dafür mit gefüllter Brieftasche und leerem Koffer. 😊

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