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Camping im Nationalpark Conguillío

Veröffentlicht: 21.02.2020

Mittwoch, 12.02.2020

Vor ein paar Tagen habe ich die "Public Trip" Funktion von Couchsurfing zum ersten Mal getestet, in dem ich meine Tage in Pucón öffentlich gemacht habe und anderen somit die Möglichkeit gegeben habe, mich zu kontaktieren. So habe ich zu Paulo gefunden, welcher in Temuco wohnt und auch gerne wandern gehen möchte. Nachdem wir uns per WhatsApp eine Weile ausgetauscht haben, steht der grobe Plan. Ich komme nach Temuco, wo wir uns nochmal vorbereiten, und am nächsten Morgen fahren wir in den Nationalpark Conguillío zum Camping und Wandern, welcher mir sowieso wärmstens empfohlen wurde. Also auf ins nächste Abenteuer!

Mittags ging es drei Stunden lang per Bus nach Temuco, wo Paulo mich vom Bahnhof abgeholt hat. Wir haben ein paar Dinge eingekauft und sind dann mit dem Colectivo zu seinem Haus etwas außerhalb gefahren, wo er mit seiner Mutter und ihrem Freund wohnt. Die erste Unterhaltung war gleich mal sehr tiefgehend, da er mir von seinem Autounfall vor 10 Jahren erzählt hat, welcher ihn mehrere Wochen ins Koma katapultiert hat mit einer 5%igen Überlebenswahrscheinlichkeit. Die folgenden Jahre hat er eine Schmerzmittel-Abhängigkeit entwickelt, von welcher er letztes Jahr in einer Reha-Anstalt losgekommen ist. Jetzt ist er Vegetarier, drogen- und alkoholfrei und gestaltet sein Leben Stück für Stück neu. Er macht eine Ausbildung zum Therapeuten (Beschäftigungstherapie für Suchtkranke) und ist generell sehr guter Dinge. Ob ich mir um ihn Sorgen machen muss, darüber bin ich nicht 100% sicher. Aber ich glaube nicht.

Donnerstag, 13.02.2020

Gestern haben wir noch unsere Rucksäcke umgepackt, heute geht es nach dem Frühstück los zum Busbahnhof. Leider sind wir etwas spät dran und schaffen es nicht mehr zum Einkaufen, aber ein bisschen was haben wir aus dem Haus mitgenommen. Die Busfahrt in den Nationalpark dauert drei Stunden und ist entspannt. Ich mag Busfahren. Man kann Musik hören, aus dem Fenster schauen und einfach die Gedanken schweifen lassen - dazwischen immer wieder ein bisschen einschlafen.

Da es für Ausländer nicht ganz einfach ist, Informationen über das Camping im Nationalpark herauszufinden (online war das Camping voll), wusste ich bis zum Schluss nicht, ob wir überhaupt einen Platz bekommen werden. Vor Ort ist aber alles entspannt und der Campingplatz ist sogar ziemlich gut ausgestattet, mit einem Restaurant und Seezugang. Die Plätze sind weitläufig im Wald verteilt. Der Nationalpark hat angeblich ein eigenes Mikroklima, und das glaube ich sofort. Es gibt den Vulkan Llaima und die für hier bekannten Araucania Bäume. Nur wenige Hundert Meter über uns liegt noch Schnee. Wir lassen den Rest des Tages ruhig ausklingen und liegen am See auf schwarzem Lava-Sand. Erstaunlicherweise ist es recht warm, nur der Wind ist sehr kalt. Das Wasser wäre auch warm, aber draußen ist es mir zu windig. Ich gönn mir eine Runde Yoga mit einer Meditation am Schluss und bin tiefenentspannt. Nach dem Kochen geht's noch eine Runde zurück an den See, wo wir mit ein paar Leuten quatschen und ich versuche, Sternenfotos zu schießen. Es klappt so mittelmäßig und schon bald geht mir die Geduld aus. Außerdem kann ich meine Fehler nicht googlen, da hier kein Netz ist.

Nachts sind wir ganz dick eingepackt, mit langer Unterwäsche, Fliespulli, Schal und Stirnband im Schlafsack - man kann den Atem sehen. Ich wache zwar immer wieder auf und ziehe am Morgen noch einen Pulli an, aber es ging eigentlich mit der Kälte. 0°C waren vorausgesagt, so kalt war es aber nicht. Irgendwas zwischen 3°C und 8°C denke ich. Dadurch, dass unsere Luftmatratze extrem an Luft verliert - wir mussten nachts zwischendurch nachpumpen - und weil es wirklich kalt ist, haben wir, jeder in seinem eigenen Schlafsack, uns ziemlich nah aneinander geschmiegt. Es ist überraschend schön, mal wieder ein bisschen Nähe zu spüren, und wenn es nur die Form und die Atmung eines fast Fremden ist. Körperliche Nähe ist wohl doch ziemlich wichtig für uns Menschen, und ich freu mich auf die Zeit mit Ben.

Freitag, 14.02.2020

Wir haben lang ausgeschlafen, weil es nach Sonnenaufgang wieder gemütlich wurde im Schlafsack. Tagsüber gab es eine kleine Wanderung durch den Wald zu einem 1.800 Jahre alten Araucania Baum mit 2,20 Meter Durchmesser. Den Rest des Tages wurde gekocht und gegessen, bis uns das Gas vom Gaskocher ausgeging. Aber wir kommen schon über die Runden, und im Zweifel gibt es ja noch das Restaurant. Abends war dort Karaoke angesagt und Paulo, leidenschaftlicher Musiker, hat definitiv die beste Performance abgeliefert.

Zur Zeit denke ich wieder oft über Ressourcenknappheit nach. Das Thema Ressourcen war am meisten präsent auf dem Boot bei der Überfahrt. Kein Tropfen Wasser wurde verschwendet und wenn etwas dreckig war, hat man sich sehr gut überlegt, ob man dafür jetzt ein Zewa, das bald ausgeht, oder Wasser, das bald ausgeht, verwendet. Als ich vom Boot runterging habe ich das noch eine Weile beibehalten und war wirklich sehr vorsichtig, aber mittlerweile lässt meine Aufmerksamkeit spürbar nach. In unserem Alltag wird uns die Knappheit mancher Ressourcen einfach nicht deutlich, und so achtet man nicht wirklich darauf, ob man jetzt eine oder zwei Servietten (oder gar keine) nimmt oder ob man das Wasser zwischen zwei Aktionen für 5 Sekunden laufen lässt oder nicht.

Es ist außerdem Valentinstag. Zuhause haben wir diesen Tag nie besonders gefeiert, aber ich wünschte mir schon, dass ich meinem Liebsten sagen könnte, wie sehr ich ihn mag und dass ich ihn vermisse - aber leider kein Empfang.

Samstag, 15.02.2020

Wir haben eine schöne Wanderung auf dem Sendero Sierra Nevada gemacht, mit tollem Blick auf den Vulkan Llaima und in die umliegenden Täler. Uns geht zwar ein bisschen das Essen und unser Campinggas aus, aber nette Nachbarn und der Kiosk vom Campingplatz lassen uns nicht verhungern. Am Aussichtspunkt der Wanderung gibt es auch kurz Empfang und wir können uns wieder mit der Außenwelt verknüpfen.

Am Abend haben wir noch einen Abstecher zum See zum planschen (mega kalter Wind leider) und eine Runde Yoga mit Meditation gemacht. Paulo konnte ich direkt anstiften, mitzumachen, seitdem ist er glücklich und tiefenentspannt. Er will sich zuhause einen Yoga Kurs suchen. Tag erfolgreich.

Sonntag, 16.02.2020

Heute ist anstrengend. Morgens haben wir unser Lager abgebrochen und noch eine Runde Yoga gemacht, dann wollten wir zurück nach Temuco. Der Bus wäre jedoch erst um sechs Uhr abends gefahren, deshalb versuchen wir es mit trampen. Die meisten Autos fahren allerdings nur bis zum nächsten Wanderweg im Park, nicht bis zur nächsten Stadt. Als endlich ein Auto anhält, um uns mitzunehmen, steigen wir fröhlich hinten auf die Ladefläche des Pickups. Die Fahrt durch den Nationalpark, auf staubigen Schotterpisten, ist jedoch nicht so witzig wie gedacht. Auf der Ladefläche ist es ziemlich kalt, und der Staub frisst sich in jede Pore. Im nächsten Ort steigen wir aus und verpassen um wenige Minuten den Bus nach Temuco. Der nächste geht erst in drei Stunden, also versuchen wir es weiter mit trampen, aber ewig hält niemand. Wir vertreiben uns die Zeit mit Keksen und Musik. Irgendwann nimmt uns dann doch jemand zum nächsten Ort mit, obwohl das Auto schon fast voll ist - es heißt kuscheln auf der Rückbank für eine halbe Stunde. Von Cunco aus geht dann endlich ein Bus nach Temuco.

Da Paulo's Mutter heute Geburtstag hat und noch Familienbesuch kommt, kann ich jedoch nicht bleiben und habe deshalb gestern einen Couchsurfing Host in Valdivia kontaktiert, welcher meine Anfrage angenommen hat. Da der Bus nach Valdivia kurz nach unserer Ankunft abfährt, habe ich etwas gestresst den Rucksack umgepackt und ein Uber zum Busbahnhof bestellt. Ich bin 10 Sekunden zu spät zur Tür raus und mein Uber war schon wieder weg. Paulo hat mir schnell ein anderes bestellt und während der Fahrt habe ich versucht, das Busticket nach Valdivia online zu kaufen. Es gab nur noch zwei freie Plätze, aber die Buchung wollte einfach nicht klappen. Fünf Minuten vor Abfahrt komme ich am Busbahnhof an und erfahre am Schalter, dass es keine Tickets mehr gibt. Was ne Enttäuschung. Da ich kein Bargeld mehr habe, geh ich erstmal zum Geldautomaten zum abheben. Und dann versuche ich doch noch mein Glück - man weiß ja nie. Genau als der Bus abfahren sollte geh ich zum Schaffner direkt und frage nach einem Platz. Und ich bekomme tatsächlich einen! Gepäck rein, Lena rein, los geht's. Was aber noch viel überraschender ist, ist dass das Ticket plötzlich nur noch die Hälfte kostet im Vergleich zum Preis im Internet.

Stündlich schreibe ich dem Couchsurfing Host, da ich nicht weiß, wo ich genau hin muss. Leider stellt dieser sich tot und sagt nichts mehr. So sitze ich gegen 21 Uhr am Bahnhof in Valdivia, es wird dunkel, und ich weiß nicht, wohin. Gerade als ich überlege, wie lange ich noch warte, spricht mich aus dem Nichts ein älteres Pärchen an, ob ich eine Bleibe suche. Ich sage ja und steige ins Auto. Sie führen ein kleines, privates Guesthouse sehr nah am Zentrum und haben noch Betten frei. Online hatte ich nur ein einziges Hostel gefunden, hier ist gerade die Festivität "Semana Valdiviana" und das meiste ist ausgebucht. Also nochmal Glück gehabt.

Das Guesthouse ist sehr einfach, aber für eine Dusche und ein Bett reicht es, und da ich den ganzen Tag nur Kekse gegessen habe, geh ich noch kurz in die Stadt und kaufe mir inmitten der letzten Züge der Festivität noch etwas deftiges zu essen. Dann falle ich müde ins Bett. 

Antworten (1)

Alfred
Liebe Lena, ... die Bilder aus dem Nationalpark sind der Hammer, vor allem das Sternenbild... wenn das schon auf einem Photo so toll aussieht, wie wird das dann wohl live gewesen sein... und obwohl Du in Chile ja Sommer hast, hast Du mehr Schnee gesehen als ich hier bislang den ganzen Winter in Berlin (nämlich 0). Take care Al

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