Veröffentlicht: 21.08.2021
Vormittags fahren wir im gleichen Ort zum Arctic Henge, das sind symmetrische, künstlich erbaute Bögen aus riesigen Steinblöcken. Ganz nett zum Fotos machen, aber das Wetter und die Sicht sind schlecht. Dann fahren wir weiter Richtung Süden und halten bei mehreren Wasserfällen. Zuerst beim Hafragilsfoss, dann beim Dettifoss. Das Wetter ist neblig, mit Nieselregen und sehr kaltem Wind - einfach greislig. Die feuchte Kälte zieht einem bis in die Knochen. Die nächste Strecke ist eine elende Schotterpiste mit Waschbrett-Boden, der uns zum Fluchen bringt und unser ganzes Inventar durchschüttelt. Dann wieder ein Wasserfall, der Goðafoss. Abendessen kochen wir am Fluss mit mega vielen Mini-Fliegen, es ist super nervig. Ein Stück die Piste weiter kommt noch ein Wasserfall, der Aldeyjarfoss. Endlich kommt die Sonne etwas raus und beschert uns einen sehr schönen Sonnenuntergang. Das hebt die Stimmung gleich enorm. Auf der Schlafplatzsuche kommen wir zum fünften Wasserfall heute, dem Hrafnabjargafoss. Ich kann sie kaum noch auseinander halten, alle sind mächtig und beeindruckend, mit riesigen Wassermengen. Abseits der Piste fahren wir in einen kleinen Weg und schlafen ganz alleine direkt an einem Seeufer.
Wir werden geweckt von strahlendem Sonnenschein, uns wird zu warm in unseren Schlafsäcken. Draußen ist es immer noch ein kleiner Kampf gegen die Mini-Fliegen, die einem am liebsten in Nase, Mund und Augen fliegen würden, aber das Wetter ist gütig mit uns. Wir fahren gemütlich zur Nord-Küste hoch und halten auf dem Weg spontan an einem Auto-Museum mit über 100 Oldtimern. Zwei Hallen sind voll mit wunderschönen, aufwändigen Restaurationen. Die ältesten Fahrzeuge hier sind von 1914, mit Karosserien aus Holz. Draußen auf einer großen Wiese sind die restlichen Oldtimer, die es noch nicht in die Werkstatt geschafft haben, und warten im hohen Gras auf ihren Auftritt.
Mittags kommen wir in Húsavík an und kochen uns an einem Rastplatz mit guter Aussicht hinter einer Windschutzwand einen Reistopf. Die Sonne scheint kräftig und wärmt uns wunderbar auf. Das bleibt auch den restlichen Tag noch so, sodass wir abends glühende Gesichter haben. Wir flanieren durch den Ort und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen. Es sind zwar immer noch “nur” 16 Grad mit langer Unterwäsche und Wollpulli, aber die Anspannung des Frierens fällt endlich weg.
Für die Nacht fahren wir an der Küste etwas nach Süd-Westen, eine lange, einsame Schotterpiste entlang, bis wir am Strand nicht mehr weiterkommen und fast im Sand steckenbleiben. Hier parken wir, schauen ein bisschen auf’s Meer hinaus und freuen uns über den entspannten Tag. Bisher war das Wetter 50% schön, 50% ekelhaft. Bei einem Becher Wein im Bus läuft dann noch ein schwarzer Polarfuchs um unser Auto und jagt eine Weile am Strand entlang.
Das Arbeiten im Bus klappt heute gut, wir sind den ganzen Tag komplett alleine an unserem Strand. Die Netzabdeckung ist hier wirklich der Hammer, selbst in den abgelegensten Gegenden. Eigentlich hatten wir auf WLAN auf den Campingplätzen gehofft, aber die wenigsten haben überhaupt welches. Das Wetter bleibt stabil leicht sonnig und erst, als der Schatten der Steilküste auf uns fällt, wird es kühl und wir fahren weiter.
Der Weg führt uns nach Akureyri, die zweitgrößte Stadt Islands. Die Landschaft um uns herum ist erstaunlich, besonders die breiten, flachen Flussbetten faszinieren uns. Ganz natürlich fließt das Wasser in mehrere Arme gefächert dort entlang, wo es sich gerade gut anfühlt. In Deutschland würde man das als ineffizient und platzverschwenderisch bezeichnen, aber es ist so wunderschön. Egal, wo wir sind, ein Fluss, ein Wasserfall oder das Meer sind nie weit entfernt, oft auch alles auf einmal. Weil die Sonne auch am späten Nachmittag noch kräftig scheint, fahren wir kurzerhand ein Stück von der Straße ab, halten an einem kleinen Fluss und planschen kurz im erfrischend kalten Wasser.
In Akureyri flanieren wir durch das kleine Zentrum und gönnen uns zum Tagesabschluss in einem Hostel mit Restaurant einen köstlichen Veggie Burger und frischen Lachs für Ben. Für die Nacht geht es ein ganzes Stück weiter, weg von der Stadt, wo wir am Ende einer Straße auf einen ruhigen Stellplatz hoffen. Da dort aber mittlerweile ein Campingplatz ist, schlafen wir dort, lassen die bezahlten Hot Pools aber aus, weil wir ja frisch gewaschen sind.
Heute ist es wieder etwas kühler mit leichtem Regen, aber wir müssen sowieso arbeiten. Bis zum Mittagessen sitzen wir im Bus am Laptop, danach wollen wir ein bisschen Strecke machen, um in die Westfjorde zu kommen. Ben fährt den ganzen Nachmittag Auto, während ich auf dem Beifahrersitz weiterarbeite. Das Wetter wird wieder besser und schöne, recht einsame Landschaften ziehen an unseren Fenstern vorbei. Die Umgebung ist schroff und steinig, mit keinem oder niedrigem Bewuchs. Oben auf den Hügeln liegt noch etwas Schnee und überall ist Wasser in irgendeiner Form. Einen Zwischenstopp legen wir in Hvitserkur ein, wo man vom schwarzen Sandstrand aus auf eine hohe, flache Steinformation im Meer schauen kann. Von der Aussichtsplattform aus sind wir uns sicher, etwas weiter hinten einen Wal erkannt zu haben. Ein paar Robben oder etwas ähnliches spielen nahe dem Strand und hüpfen durch das Wasser.
Zum Abendessen machen wir kurz Pause in Reykjanes, wo geothermische Quellen dampfend ins Meer laufen. Der kleine Pool ist so heiß, dass man sich fast die Finger verbrennt. Wir kochen und essen bei zauberhaftem Sonnenuntergang und suchen uns in der Nähe einen Schlafplatz auf einer Schotterebene.
Zum ersten Mal in diesem Urlaub kann ich ganz entspannt ausschlafen. Die Sonne scheint, die Arbeit für die Woche ist größtenteils erledigt und die 16 Grad fühlen sich heute richtig warm an. Ich muss nichtmal eine Jacke über dem Pulli anziehen. Da wir schon gut Strecke gemacht haben, haben wir heute auch wenig Druck, irgendwas anzuschauen oder weiterzukommen. Mittags führt uns der Weg zu einer gratis heißen Quelle, die in einem kleinen betonierten Becken zwischen Straße und Meer gestaut wird. Im Wasser sind zwar auch einige Algen, aber immerhin ist es wieder wunderschön warm. Dazwischen planschen wir kurz im kühlen Fjord.
Auf der Weiterfahrt lockt uns ein Schild mit Robben auf einen Parkplatz. Ein paar Meter weiter zu Fuß sehen wir sie dann. Zwei Robben spielen im Wasser, der Rest liegt faul auf ein paar Steinen in der Sonne und ratzt vor sich hin. Ein kleines Stück weiter halten wir bei einem alten Haus, erbaut in 1864, bewohnt bis 1969, das jetzt in ein Mini-Museum mit Café verwandelt wurde. Es gibt Kaffee, frische Waffeln mit hausgemachter Marmelade und ein Käse-Sandwich. Blaubeer- und Rhabarber-Marmelade haben wir schon oft zum Kaufen gesehen, das scheint hier gut zu wachsen. Die meisten anderen Lebensmittel tun sich unter diesen harten Bedingungen glaube ich zu schwer. Natürlich sehen wir auch täglich unzählige Schafe und Pferde, doch diese wirken hier in der Landschaft so normal, dass wir bisher noch kein Foto davon gemacht haben und ich sie auch noch nicht erwähnt habe.
Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir beim Dynjandi an, einem breiten, flachen Wasserfall, der sich lange über eine steinerne Schräge schlängelt. Auf dem Fußweg dorthin liegen noch 3-4 weitere kleine Wasserfälle aus dem gleichen Fluss. Die Schlafplatz-Suche ist etwas schwieriger, aber nach einer Weile finden wir eine einsame Stelle für die Nacht.
Es nieselt leicht, aber ist nicht sehr kalt. Gleich in der Früh fahren wir weiter zum nächsten öffentlichen, kostenlosen heißen Pool, und gehen nochmal planschen, obwohl wir es garnicht unbedingt bräuchten. Der Norden Islands und die Westfjorde sind bisher angenehm ruhig, was andere Touristen angeht. Das könnte sich ab Reykjavik im Süden wohl etwas ändern.
Im nächsten, kleinen Fischerort, Bíldudalur, gibt es angeblich die besten Fish & Chips auf ganz Island in einem kleinen Shop/Café/Restaurant, also flanieren wir herum, bis mittags die Küche aufmacht und testen das natürlich aus. Für mich gibt’s einen veganen Burger mit hausgemachtem Quinoa-Pattie. Das (leider extrem teure) Essen schmeckt tatsächlich sehr gut, allerdings ist unser Körper das ganze Frittierfett vom panierten Fisch und den Pommes nicht gewöhnt. Als wir weiterfahren wollen, verschlägt es uns in ein tiefes Fresskoma, sodass wir in der nächsten Parkbucht zwei Stunden schlafen müssen.
Die Weiterfahrt bringt zur Steilküste Látrabjarg, dem westlichsten Punkt Islands. Wir wandern am oberen Küstenrand eine Weile entlang, der bis zu 450 Meter hoch wird am höchsten Punkt, und lassen uns von Unmengen an krächzenden Möwen anschreien. Leider ist es eher neblig, aber durchaus beeindruckend.
Als wir die Halbinsel wieder Richtung Osten verlassen, suchen wir uns in einer Sackgasse wieder einen abgelegenen Schlafplatz. Weil es noch nicht so spät ist, schauen wir im Bett noch einen Film an und dazu gibt es Wein, Käse und Oliven.
Nach gemütlichem Ausschlafen halten wir nochmal bei einem (diesmal bezahlten) warmen Swimming Pool. Dieser ist richtig groß und betoniert mit Umkleiden, Duschen und WCs. Wir baden eine Weile und ich übe den Hechtsprung (von wegen kann doch jedes Kind). In der nächsten Picknick-Bucht kochen wir Reis mit Gemüse, dann geht es weiter Richtung Süden. An einer Tankstelle sehen wir erneut ein Filmset, diesmal mit Leuten in 70er Jahre Schlaghosen und alten, rostigen Autos.
Abends fotografieren wir einen spitzigen Hügel bei Grundarfjörður mit einem Wasserfall davor. Für mich eher weniger spektakulär, aber anscheinend ist das ein sehr beliebtes Fotomotiv. Bei Einbruch der Dämmerung suchen wir im Ort den wohl einzigen Laundromat in der Nordhälfte Islands auf, ein Gartenhüttchen mit einer Waschmaschine und einem Trockner darin. Münzen für die Maschinen bekommen wir im Kramerladen nebenan, der alles von Werkzeug über Möbel bis Socken führt und im Hinterraum weitere Industriewaschmaschinen laufen hat - abends um 22 Uhr. Nach zwei Wochen unterwegs werden nun Unterwäsche und viel getragene Sachen gewaschen und getrocknet, während wir kochen und durch den kleinen Ort flanieren. Kurz vor Mitternacht fahren wir in eine nicht mehr genutzte Straße am Fjord entlang (bei vielen Fjorden gibt es stattdessen eine lange Brückenstraße von einer Landzunge zur nächsten) und haben einen einsamen und verlassenen Schlafplatz.