Veröffentlicht: 15.08.2021
Das Essen ist zum Glück schon seit gestern im Bus. Heute packen wir gemütlich unsere Klamotten, ich backe noch ein letztes Brot und mein Bruder besucht uns mittags, auf der Heimreise von seinen Flitterwochen in Norwegen. Nachmittags mache ich letzte Besorgungen im Nachbarort und hole Eier vom Hühnerhof, sodass wir schließlich erst um halb vier abfahren.
Der erste Halt kommt bereits nach 30 Minuten - Covid-19 Testcenter. Danach machen wir aber gut Strecke, bis wir uns zum Abendessen in Mitteldeutschland (Eisenberg) eine Abholpizza gönnen. Ben hat mehrere Stunden im starken Regen ausstehen müssen als Fahrer. Eigentlich hätten wir uns gerne in ein Restaurant gesetzt, aber das eine ist im Urlaub und das andere hat um acht Uhr bereits die Küche geschlossen. Hier ist kaum was los, aber die Gassen mit den Fachwerkhäusern sehen im Sonnenuntergang ganz nett aus.
Gegen Mitternacht machen wir Halt an einem Waldrand mit Blick auf Hildesheim. Außer zwei weiteren Campern ist hier nichts los, sehr angenehm ruhig.
Gemütlich starten wir gegen 10 Uhr los und fahren gen Norden. Heute bin ich am Steuer und Ben darf ausspannen. Das Wetter ist durchwachsen und zwischen Hannover und Hamburg stehen wir ziemlich viel im Stau. Statt einer großen Mittagspause machen wir mehrere kleine Stopps und futtern eine Packung Salzstangen auf der Fahrt.
Am späten Nachmittag überqueren wir problemlos die Grenze nach Dänemark und fahren noch bis ganz in den Norden weiter, um nahe der Fähre zu sein. Auf dem Weg durch Dänemark regnet es nochmal so richtig stark, dafür werden wir bei der Ankunft mit trockenem Wetter und Regenbogen begrüßt. Wir stellen uns auf einen schönen, schlichten Campingplatz, damit wir morgen Internet haben um zu Arbeiten, und gönnen uns eine wunderbare warme Dusche und eine Asia-Nudelsuppe.
Um 11 Uhr abends bekommen wir noch eine schöne Überraschung: zwei Freunde, die heute von München nach Dänemark durchgefahren sind und morgen die Fähre nach Norwegen nehmen, übernachten bei uns auf dem Platz. Wir machen uns einen gemütlichen Abend in ihrem VW T4 mit Wein, Bier und Keksen.
Nach dem Frühstück verabschieden wir unsere Freunde, die zur Fähre aufbrechen. Ab und zu nieselt es kurz, aber die Sonne blitzt auch durch und macht eine angenehme Temperatur. Wir müssen heute arbeiten, deswegen setzen wir uns mit dem Computerkram in den Gemeinschaftsraum. Dieser hat einen Betonboden, der den Raum viel kälter macht als außen, sodass wir nach ein paar Stunden ziemlich durchfroren sind. Nach einer Brotzeit mittags arbeite ich also im Bus weiter, wo die Temperatur besser ist. Das WLAN ist gut hier am Platz, klappt also soweit alles, und im Bus ist es auch recht gemütlich.
Am Nachmittag wollen wir die Gegend erkunden, allerdings regnet es ziemlich. Wir gehen kurz zum Spar einkaufen und fahren dann an den Strand, wo einige Leute trotz 16 Grad und Regen mit kurzer Hose und Eiscreme in der Hand an uns vorbeilaufen. Ich komme mit dieser Variante des Augustwetters gerade noch nicht ganz klar.
Nach 10 Minuten auf dem Parkplatz haben wir dann auch mal kapiert, dass man mit dem Auto auf den Strand fahren kann, und verbringen noch eine Weile im Regen am Strand und blicken auf das graue Meer hinaus. Dazu gibt's ein Hörbuch nach Empfehlung meines Papas (Die Irren mit den Messern). Bin gespannt, ob wir uns noch an dieses Wetter gewöhnen werden. Normalerweise bin ich zu ungeduldig für Hörbücher, aber aktuell ist es ganz gut etwas zur Ruhe gezwungen zu werden.
Zum Sonnenuntergang fahren wir Råbjerg Mile, einer Wanderdüne, und machen einen schönen, sandigen Abendspaziergang im Trockenen. Das war nötig und tut gut. Für die Nacht finden wir einen netten kleinen Campingplatz, eigentlich nur eine Wiese hinter einem Haus, mit Badhäuschen und ein paar Pferden.
Pünktlich um 9 fahren wir nach Hirtshals zur Fähre, der Lade- und Check-in-Prozess dauert fast zwei Stunden. Unsere 2-Bett-Außenkabine ist zwar klein, aber ordentlich und sauber, und so gehen wir nach einer schnellen Dusche zum Mittagessen in das günstigere Restaurant. Wir haben vorab das Mittagsbuffet gebucht für heute und morgen, dafür keine weiteren Mahlzeiten. Für den Rest haben wir viele Snacks und Brotzeit dabei. Von den sechs Hauptspeisen am Buffet ist leider keine vegetarisch, und als ich mich an der Pizza für die Kinder bediene, gibt es Ärger. Recht enttäuschend, ich bleibe auf Salat sitzen. Wir erkunden das ganze Schiff bei bestem Wetter und sitzen eine Weile oben an Deck in der Sonne. Ben hat seine Seekrankheitsmedizin rechtzeitig genommen und bisher ist alles gut.
Am Nachmittag legen wir uns lange in der Kabine ins Bett und hören weiter Hörbuch. Zum Sonnenuntergang machen wir einen Spaziergang auf Deck, lassen uns ordentlich vom Fahrtwind durchpusten und machen ein paar Fotos.
Am Morgen sehen wir die Shetland Inseln an uns vorbeiziehen, als wir aufstehen. Gleich nach dem kleinen Frühstück im Zimmer packe ich meinen Laptop und setze mich in das oberste Café auf Deck 10, um zu arbeiten. Dafür habe ich mir extra ein WLAN Paket auf der Fähre gebucht, das leider sehr schlecht funktioniert. Die Verbindung ist einfach zu langsam. Ich versuche es noch ein paar Stunden, bin dafür am Nachmittag aber so richtig frustriert. Nicht nur habe ich mich den ganzen Tag mit extrem langsam oder gar nicht ladenden Seiten rumgeschlagen, ich habe natürlich auch kaum etwas erledigt bekommen. Meine Termine musste ich auch verschieben, und das heißt, dass ich die nächsten Tage von Island aus gleich nochmal arbeiten muss, obwohl es nur 2 Tage die Woche sein sollten.
Verspannt und genervt stelle ich mich raus in den Wind und schaue Ben beim Fotografieren zu, bis mir zu kalt ist. Yoga täte jetzt sicher gut, aber ich habe meine Matte im Auto gelassen. Ein bisschen Ablenkung finden wir am frühen Abend, als die Fähre auf den Färöer Inseln den Zwischenstopp macht und wir eine schöne Kulisse mit den grün-schwarzen Inselhängen und der Hauptstadt Torshavn bekommen. Um die Gedanken noch weiter von der Arbeit wegzulenken und den Urlaub einzuläuten, gönnen wir uns noch etwas, das wir sonst eher nicht machen würden: wir mieten uns einen der drei Hot Tubs, die jeden Abend frisch befüllt und geheizt werden.
Um 20 Uhr laufen wir also wie die Könige in Leihbademänteln quer durch das Schiff, mit Rotwein und Snacks im Gepäck, und lassen uns dann in das heiße Wasser gleiten. Der Ausblick ist natürlich klasse, gelegentlich stellen wir uns raus in den pfeifenden Wind zum Abkühlen, und die Anspannung lässt langsam locker.
Frisch geduscht gehen wir in die Bar auf Deck 10, wo ein färöischer Musiker live gute, rockige Covers mit seiner rauen Stimme und Gitarre spielt. Wir kommen mit einer strickenden isländischen Fotografin ins Gespräch, die lange Zeit in der Schweiz gelebt hat und demnächst einen Kurs anbieten will, wie man einen Island-Pullover strickt.
Da wir gestern Abend noch ziemlich viel Spaß mit dem Live-Musiker hatten, kommen wir heute nur schwer aus dem Bett. Bis um 8:30 Uhr muss aber die Kabine geräumt sein, weil wir gleich an unserem Zielort Seyðisfjörður ankommen.
Als wir die Fähre verlassen, hat es 8 Grad Außentemperatur und der Nebel liegt tief und dicht über der Stadt. So kommt bei mir einfach keine Urlaubsstimmung auf, vor allem nicht beim Camping. Wir schauen uns kurz den Ort an und Ben kann mein Gequengel kaum noch ertragen.
Über einen Hügel fahren wir etwas weiter ins Landesinnere und laufen nach einer dringend benötigten Brotzeit eine halbe Stunde zu unserem ersten Wasserfall, dem Hengifoss. Erstaunlicherweise ist der Nebel auf dieser Seite des Hügels komplett verschwunden und die Sonne strahlt vom blauen Himmel herunter. Plötzlich ist es hell, warm und wunderschön. Wir wandern im T-Shirt und ich bin verwirrt, aber fröhlich.
Wieder am Parkplatz angekommen zeigt das Thermometer 20 Grad. Es geht zwar weiterhin kühler Wind, aber die Sonne ist so warm, dass ich mir sogar ein (unverschämt teures) Eis vom Food Truck gönne. Da ich heute noch ein bisschen arbeiten muss, stellen wir uns bei einem Besucherzentrum auf den Parkplatz und sitzen eine Weile am Laptop. Auf dem Weg zum nächsten Zielort fahren wir über die ersten Offroad-Schotterpisten und einen Staudamm. Vor dem Damm werden wir von einem weißen Bus kurz angehalten und ein junger Typ in Warnweste sagt, wir dürfen über den Staudamm fahren, aber wir dürfen nicht anhalten und keine Fotos machen. Auf die Frage, warum, antwortet er, dass dort eine “Construction” sei. Die Anführungszeichen, die er mit den Fingern signalisiert, verwirrt uns, aber mal sehen. Am Ende des Staudamms kommt dann die Auflösung: hier befindet sich ein Filmset. Details erkennen wir leider nicht.
Am Abend führt uns der Weg zu einem Parkplatz, an dem angeblich eine heiße Quelle sein soll. Hier stehen noch ein paar weitere Autos und wir spazieren den Fußweg ein Stück entlang, bis wir auf einen dampfenden Bach treffen. Noch etwas weiter fällt der heiße Bach in ein mehrere Meter breites Becken, in dem eine Handvoll Leute in Badesachen sitzen. Es sieht zauberhaft aus. Wir haben die Badesachen natürlich nicht mitgenommen, weil wir die Lage erstmal erkunden wollten.
Nach einer windigen Koch-Session sind wir so durchfroren, dass wir eigentlich direkt ins Bett gehen wollen. Die Sonne ist schon fast untergegangen, da fällt uns das heiße Bad wieder ein. Wir packen unsere Sachen, laufen zum Pool und sitzen zum Einbruch der Dunkelheit in der heißen Badewanne, bis wir schrumpelig werden. Es ist wunderbar und wir haben den Ort so spät ganz für uns allein. Ganz flauschig huschen wir schnell rein in die Schlafsäcke.
Um meine verschobenen Meetings wahrzunehmen, fahren wir gleich in der Früh wieder ein Stück die Straße zurück, bis wir Netz haben, und arbeiten von dort ein paar Stunden. Um uns liegt eine dichte, feuchte Nebelschicht, aber im windgeschützten Auto lässt es sich aushalten. Vor der endgültigen Abfahrt flitzen wir aber mittags nochmal runter zum heißen Naturpool und wärmen uns wieder auf. An der Badestelle fließt der heiße Bach mit einem eiskalten Fluss zusammen, in den wir uns aufgeheizt zum krönenden Abschluss kurz reinlegen. Kneippen in seiner ursprünglichsten Form.
Den restlichen Tag fahren wir viel Offroad-Piste mit ein paar kleinen Furten (Wasserdurchfahrten), bis ganz in den Nord-Osten der Insel. An einer kleinen Tankstelle, die hier auch als Café, Mini-Mart und Baumarkt fungiert, kaufen wir eine neue Rücklicht-Birne und eine einzelne Schraube, um ein paar Reparaturen durchzuführen. In Raufarhöfn stehen wir auf unserem ersten Campingplatz - eine Wiese mit einem Windschutzwall umrandet. In einem kleinen Bad-Container sind zwei Toiletten und eine beheizte Dusche - sehr sinnvoll bei den unangenehmen Temperaturen.