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"Could you pass me the yoga bible please?"

Veröffentlicht: 13.03.2019

Da sitze ich nun in unserem Zimmer in Medellín, dieser turbulenten und spannenden Stadt. Im Hintergrund erklingen Gitarrentöne und leicht schräger Gesang, „Wish you were here“, das sind Margot und Paul. Margot ist eine quirlige und erfrischend direkte Amerikanerin, die Astrologie und Schoko-Brownies liebt. Kleines Zitat von ihr, mitten in der Yogastunde, zu einem eher unpassenden Moment: „Andrea (unsere Lehrerin), du hast einen wunderschönen Kristall um den Hals, das musste ich dir jetzt mal kurz sagen, bevor ich die ganze Zeit drauf starre!“. Gemeinsam mit ihr und drei anderen Frauen machen wir hier einen Monat lang eine Yogalehrer-Intensiv-Ausbildung (200-Hours-Teacher-Training) und tauchen in das Yogi-Leben inmitten des modernen und doch kolumbianisch-verrückten Stadttrubels ein.

Nach nun bereits eineinhalb Wochen haben unsere Körper den kolumbianischen Reis und all das „deep fried“ Gebäck vergessen und auch das entschleunigte Leben an der Küste mit der Weite und dem Geruch des Meeres ist bereits in weite Ferne gerückt. Wir schmeißen uns gerade rein, in die spannende Yogi-Welt – und das wobei wir gar nicht viel weiter von Asien entfernt sein könnten. Morgens um acht geht’s mit einer gemeinsamen Meditation los, gefolgt von einer eineinhalb-stündigen Yogaeinheit, die uns ordentlich ins Schwitzen bringt. Tagsüber widmen wir uns dann verschiedenen interessanten Themen, auf dem Plan stehen unter anderem: Das Lernen von etwa 90 Asanas (Yoga-Positionen), Anatomiestunden, Yoga-Philosophie, Ayurveda-Einführung und gemeinsames ayurvedisches Kochen, Chakras, Pranayama, Gesänge, Arbeit mit ätherischen Ölen, Teacher-Skills und noch viel mehr. Wir haben großes Glück mit dieser Ausbildung, wir sind nur 6 Leute und die Inhalte hängen bei diesen Ausbildungen immer sehr von den Lehrenden ab, die Yoga Alliance, die dieses Training zertifiziert, gibt nur sehr grobe Richtlinien vor. Mit Andrew und Andrea, die das Training leiten und diese spannenden Inhalte zusammengestellt haben hätten wir es nicht besser treffen können. Die beiden könnten allerdings unterschiedlicher nicht sein… Andrew kommt aus Großbritannien, ist eher vom ängstlichen, sehr genauen und gewissenhaften Typus, seine Stunden beginnen und enden auf die Minute pünktlich. Er hat zuvor Altgriechisch und Latein an der Universität gelehrt und weiß somit besser als kein anderer, wie man die Zuhörenden bei der Stange hält. Seine Anatomie- und Asana-Stunden sind sehr gut recherchiert und er achtet penibel darauf, dass man sich nicht übernimmt um irgendeine fancy Instagram-Pose zu machen, sondern die so unterschiedlichen Körper respektiert und schützt. In den Lehreinheiten zur Meditation und Philosophie lässt er uns auch an seinem persönlichen Weg teilhaben und irgendwie haben wir seine professionelle und doch so menschliche Art bereits richtig schätzen und lieben gelernt. Paul ist auch völlig aus dem Häuschen, endlich kann er das im Studium mehr oder minder gut erworbene anatomische Wissen in die Praxis umsetzen und ballert nicht mehr in Workouts an sein Limit, sondern freut sich an bewussten Bewegungen und Dehnungen. Besonders die hintere Oberschenkelmuskulatur ist bei uns beiden so richtig schön verkürzt, weshalb wir uns immer mit verschiedenen Gurten und Blöcken einrichten müssen, während unsere anderen Teilnehmerinnen mir nichts dir nichts in den Spagat flutschen oder sonstige Verrenkungen machen. Aber das ist auch eine gute Übung um die es hier und im Yoga allgemein geht: Nicht Vergleichen, sondern dem eigenen Körper etwas Gutes tun und sich nicht übernehmen.

Aber zurück zu Andrea, Andrews Gegenpol: Sie ist eine feurige Kolumbianerin, die gerne zu spät kommt, immer überzieht und den Tagesplan spontan ändert. Oft finden ihre Stunden in irgendeinem schönen Café statt und wir quatschen erstmal die erste Viertelstunde über unser Wochenende oder das letzte ayurvedische Abendessen. Bei ihr entstehen schöne Diskussionen und alles ist etwas spontaner und lockerer.

Außer Margot sind da noch ein paar andere Teil unserer Ausbildung und unserer Yoga-WG, die sich direkt im „Flying Tree Yoga“-Studio befindet. Rebecca, ebenfalls Psychologiestudentin aus Deutschland, die jetzt aber in Zürich wohnt und erschreckenderweise keinen Kuchen mag. Audrey, eine sehr liebe und sehr gelenkige Französin, die mal getanzt hat und das aufgegeben hat, weil sie nicht gelenkig genug war (!). Sie hat während der Zeit hier die Entscheidung gefasst, ihren Job in der Kosmetikindustrie aufzugeben um Restaurants mit ihrem Bruder in Paris zu managen. Nicole aus Neuseeland hat vor ihrer Zeit in Kolumbien ebenfalls ihren Job geschmissen, sie war in der Modebranche tätig, und orientiert sich gerade neu. Nico ist Andrews Assistent, über und über mit Tattoos bedeckt (meist Weisheiten auf Sanskrit), ernährt sich vegan, ohne industriellen Zucker und Salz und macht die verrücktesten Yoga-Verrenkungen. Nachdem wir heute morgen eine eineinhalbstündige Power Ashtanga-Yoga-Einheit hinter uns hatten und unser wohlverdientes Frühstück genossen, setzte er nochmal einen drauf und machte über eine weitere Stunde seine Übungen um dann mit ein paar finalen Klimmzügen zu enden. Abgesehen von diesem etwas übermenschlichen Yoga-Pensum ist er super nett, hält seinen Kopf immer schräg und lacht sehr lustig.

In manchen Momenten fühlt es sich schon komisch an, dass wir hier im so vielfältigen Kolumbien einen ganzen Monat im Studio sitzen und uns ins Yoga vertiefen, wo wir doch auch dieses spannende Land entdecken könnten. Vielleicht ist dazu zu sagen, dass diese Reise von Anfang an eine Mischung aus Unterwegssein und Vor-Ort-Einsteigen sein sollte. Eigentlich wollten wir so wie wir im Kinderdorf Freiwilligenarbeit gemacht haben, auch in Kolumbien einen Monat irgendwo volunteeren. Da wir von Beginn an auf unserer Reise morgens Yoga gemacht haben und gemerkt haben, wie gut uns das tut, hielten wir Ausschau nach Yoga-Retreats in denen man arbeiten kann, fanden aber nichts so recht passendes. Ich wollte sowieso im Herbst in Deutschland eine Yogalehrerin-Ausbildung machen und so schauten wir einfach spaßeshalber mal, ob es sowas auch in Kolumbien gibt. Und voilá, da sprang uns eben diese Ausbildung entgegen: Von den Daten her perfekt gelegen (sie endet 2 Tage vor unserem Heimflug), sehr sehr sehr kleine Gruppengröße und nur einen Bruchteil von der deutschen Ausbildung kostend. So sind wir also hier gelandet und sind sehr froh!

An dieser Stelle schiebe ich schonmal einen kleinen Werbeblock ein: Wenn wir wieder da sind, werde ich einen oder zwei offene Yogakurse auf Spendenbasis in Marburg anbieten! Ich freu mich schon sehr drauf und bin gespannt… Vielleicht werden Paul und ich auch mal Wochenend-Kurse gemeinsam geben und wir spinnen uns schon die verschiedensten Ideen zusammen, was wir mit dieser Ausbildung noch so alles anfangen könnten: Wasser-Yoga auf Boards in der Lahn machen zum Beispiel oder mit unserem Bus herumreisen und Yoga am Strand anbieten… Mal schauen, was das Leben noch so bringen wird!

So, nun aber mal ab ins Bett. Paul teilt mir aus dem Bad gerade mit, dass er seine Brusthaare neuerdings mag. Mein Körper ruft nach Schlaf, meine beanspruchten Muskeln und hyperflexiblen Knie müssen sich jetzt entspannen.

Namaste!

Es grüßen Sinsana und Paschwana

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