Veröffentlicht: 03.02.2019
Die Vögel singen in Anbetracht der sich dem Horizont nähernden Sonne vielstimmig und voller Freude. In der Ferne schlägt dumpf eine Trommel, dumdum dumdum. Wie ein pulsierendes Herz. Wir laufen langsam und noch etwas verschlafen durch das nasse Gras, ducken uns unter den tief herabhängenden Ästen der Bäume hindurch und erreichen schließlich eine kleine runde Lehmhütte, die verträumt in der Dämmerung liegt. Die Tür ist angelehnt und das Trommeln wird durchdringender. Wir streifen uns Ponchos über und treten behutsam ein. Der Raum ist von einer Kerze erhellt, es sitzen einige Gestalten um sie herum und schauen nachdenklich, vielleicht auch nur etwas müde, in das Feuer. Wir durchschreiten den Raum gegen den Uhrzeigersinn, damit die Energie auf dieser Seite der Erdkugel in die richtige Richtung fließt, wie man uns erklärte. Dann setzen wir uns auf Kissen, machen es uns gemütlich, lauschen dem Herzschlag, der uns daran erinnert, dass alles auf dieser Welt lebendig ist. Es ist sechs Uhr morgens, wir sitzen noch eingehüllt in die Schläfrigkeit der Nacht und erwarten einen neuen Tag in Janajpacha.
Janajpacha bedeutet so viel wie „höhere Realität“. Es ist ein schamanisches Ashram am Rande Cochabambas, in dem wir zehn Tage verbrachten und das Leben genossen. Das mehrere Hektar umfassende Grundstück ist eine grüne Oase, die sich so sehr vom Lärm, den Abgasen und den unnatürlichen, spärlich gesäten Grünflächen der Stadt unterscheidet. Hier lebt eine kleine Gemeinschaft von Menschen aus aller Welt zusammen, um „leben zu lernen“, wie es hier heißt. Gegründet wurde der Ort von Chamalú, einem andinen Schamanen aus Cochabamba. Er reiste in jungen Jahren zu vielen weisen Menschen verschiedenster Kulturen und lernte von ihnen. So konnte er das so unterschiedliche Wissen zusammentragen, es verinnerlichen, leben, Gemeinsamkeiten entdecken und spannende Bücher darüber schreiben. Es geht viel darum, wieder gemeinsam mit der Natur, der Pachamama, unserer Mutter Erde zu leben, ihr derzeitiges Leiden zu sehen und dem etwas entgegenzusetzen. Die eigene Kraft und Energie wiederzufinden, von der wir in unserer heutigen Welt allzu oft z.B. durch Konsumwünsche abgeschnitten werden. Hier wird Spiritualität auf ganz natürliche Weise in den Alltag eingewoben. Unterschiedliche Meditationen, immer sehr individuell von verschiedenen Mitgliedern der Community durchgeführt, gehören dazu genauso wie sehr leckeres vegetarisches Essen aus dem eigenen Bio-Garten. In der Küche hängen Regeln, was beim Kochen beachtet werden soll. Neben hygienischen Vorschriften stehen da auch Dinge wie „sei bei jedem Schritt bewusst“ oder „sei glücklich“ und ich denke, das schmeckt man tatsächlich auch.
Wir verbrachten dort eine so wohltuende Zeit, die noch immer nachklingt. Nicht nur das gute Essen und die Natur, auch der Rhythmus dieses Ortes, die offenen und fröhlich-ausgeglichenen Menschen trugen ihren Teil dazu bei, dass wir uns sehr wohl fühlten. Wir lasen viel, u.a. ein Buch von Chamalú, das uns viel Diskussionsstoff gab. Jeden Tag machten wir ein ausgedehntes Yoga-Programm, denn es gibt Neuigkeiten: Am Ende unserer Reise, im März, werden wir eine einmonatige Yogalehrer-Ausbildung in Medellín, Kolumbien machen! Und darauf wollen unser Körper und Geist natürlich vorbereitet werden. Zufälligerweise leben in Janajpacha zwei Yogalehrerinnen, die uns mit privaten Yogastunden beglückten. An einem anderen Tag hat uns dann eine Masseurin, die normalerweise auf Kreuzfahrtschiffen u.a. Entspannungs- und Reyki-Massagen gibt, einen Einblick in ihre Arbeit gegeben. Und so konnten wir von ihr lernen und uns drei Stunden ordentlich gegenseitig durchkneten. Zum Ende hin wechselten wir unseren Status als Gäste in Volunteers. Anfangs hatten wir noch das Gefühl, uns von den Tanzworkshops erholen zu müssen doch irgendwann wollten wir dann richtig Teil der Gemeinschaft sein und auch etwas zurückgeben, an den Ort und die Menschen, die uns so herzlich aufgenommen haben. So beglückte Paul die Allgemeinheit, indem er im Garten mit anpackte und ein paar Tipps und Tricks verriet, wie die mannshohen Agaven-Pflanzen einfacher entwurzelt werden können. Ich korrigierte derweil eine deutsche Übersetzung von einem der Bücher Chamalús, die wirklich sehr holprig war, während im Hintergrund die anfeuernden Rufe des Agaven-Entwurzelungs-Teams die Vögel aufschreckten.
Ihr merkt schon, uns geht es wunderbar! Wir konnten ordentlich Natur, Ruhe und Kraft tanken, bevor es dann schon wieder in die Städte ging: Zunächst verbrachten wir zwei Tage in La Paz und momentan sind wir mal wieder in Cusco, denn von hier aus geht dann am 5. Februar unser Flug nach Bogota (Kolumbien).
Hasta pronto!