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Couchsurfing in Hong Kong

Veröffentlicht: 20.10.2018

Wohnen ist in Hong Kong unfassbar teuer. Kein Wunder, quetschen sich doch mehr als 7 Millionen Menschen auf 263 Inseln mit insgesamt 1104  Quadratkilometern. Das Bevölkerungswachstum und die geringe bebaubare Fläche führten zur Entstehung der Wolkenkratzer, zur Landgewinnung durch Aufschüttung im Meer und zur Verteuerung von Wohnraum. Ein kurzer Blick auf die Preise in Hostelworld, Booking und Agoda wecken den dringenden Wunsch in mir nochmal Couchsurfing auszuprobieren, zumal ich in Nepal damit ja viele nette Menschen kennengelernt habe, zu denen ich auch weiterhin guten Kontakt habe. Also schreibe ich mehr als 20 Übernachtungsanfragen an verschiedene Hosts in meinem Wunschstadtteil Kowloon. Dabei beachte ich die Ratschläge meiner früheren Couchsurfer, auf das Profil des Gastgebers Bezug zu nehmen und persönlich und individuell an sie oder ihn zu schreiben. Dabei fühle ich mich ein bisschen wie beim Daten. Sich selber am besten locker, flockig und interessant zu präsentieren und dabei authentisch bleiben. Puuuh! Die meisten der angeschrieben Hosts reagieren überhaupt nicht. Blöder Scheiss. Ich kann verstehen, dass man die Nase etwas voll hat, wenn man mehr als 10 Anfragen pro Tag bekommt in einer Megacity wie dieser. Aber eben auf “Ablehnen” zu klicken, ist ja nun auch keine Schwerstarbeit. Ein paar schreiben mir ganz nett zurück, dass es leider nicht passt. Ich bin getröstet, aber mein Wohnproblem ist damit auch noch nicht gelöst. Ich kann mich einfach nicht überwinden bei einem mehr oder weniger schmuddeligen, mehr oder weniger lauten Hostelbett mit Gefängnisambiete (kein Scherz, 4 Stockbetten auf 9 Quadratmeter ohne Fenster)  für teures Geld auf “Buchen” zu klicken. Also mache ich das, was Liane in ihrem Weltreiseblog Travelstoryteller empfohlen hat, ich poste meine Reise bei Couchsurfing öffentlich. Und prompt erhalte ich Einladungen zum Sex, zu Kaffee & Sightseeing und zum Salsa tanzen. Nr. 1 lehne ich dankend aber deutlich ab, Nr. 2 und 3 halte ich mir offen. Im weiteren Schreibgespräch mit Emrah stellt sich dann heraus, dass in sein Sightseeingangebot auch eine Beherbergung von 2 Nächten inkludiert war. Sein Profil verrät mir, dass er anscheinend mega unkompliziert ist und 78 von 78 seiner früheren Couchsurfer sofort wieder bei ihm pennen würden. Bingo. Volltreffer! In Hong Kong gelandet bin ich etwas sprachlos von diesem riesigen, gut durchorganisierten aber etwas seelenlosen Airport. Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich mit der Express-U-Bahn fahren, um überhaupt zum Gepäckband und zur Immigration zu kommen. Wie krass ist das denn? Dann läuft alles nach Plan. Mein Gepäck ist da, frische Hong Kong Dollar sind gezogen, eine SIM-Karte erstanden sowie die im Lonely Planet empfohlene Octopus-Card für den ÖPNV. Als Vollprofi-Host hat Emrah mich bereits via WhatsApp gebrieft, dass ich aus dem Flughafen heraus und den Bus A21 Richtung Mainland Jordan Station/Prudential Center nehmen muss. Im Bus selber gibt es Wifi, so dass ich ihm mitteilen kann, wo ich bin, damit er mich abholen kann. Klasse, warum haben wir das nicht? Die Fahrt dauert 50 Minuten und während es draussen dunkel wird (18 Uhr), starre ich aus dem Fenster. Soooo viele Wolkenkratzer, dass man an manchen Stellen den Himmel gar nicht sehen kann. Der Kontrast zu Nepal könnte nicht größer sein. Ich fühle mich als ob ich mehrere Jahrhunderte übersprungen hätte und in in die Neuzeit katapultiert wäre. An der Bushaltestelle Pudence Center steige ich aus und werde nach der eisigen Kälte der Klimaanlage von einer Welle schwüler Hitze erfasst. Emrah wartet schon auf mich. Sein Apartment liegt an der Ecke Jordan/Nathan Street und ist damit unglaublich zentral. Es ist klein, aber weniger beengt als ich erwartet habe. Neben dem Platz für ein Sofa gibt es eine kleine schmucke Kochzeile, ein hübsches Bad und eine fette Dachterrasse von über 30qm. Das muss in dieser Lage ein Vermögen kosten. Ich bin erstaunt. In Emrahs Gesellschaft fühle ich mich vom ersten Moment an pudelwohl, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Er ist 29 Jahre, stammt aus Antalya, hat Anglistik studiert und lebt und arbeitet nun seit 4 Jahren in Hong Kong. Flott einigen wir uns auf gemeinsames Kochen und eine anschließende kleine Sightseeingtour als Abendprogramm. Er fragte mich, ob ich damit einverstanden bin, wenn er noch eine andere Couchsurferin aus Frankreich dazu einlädt. Natürlich habe ich nichts dagegen, je mehr umso lustiger. Außerdem ist es ja seine Bude und ich brauche mich nicht dann auch nicht fragen, ob er vielleicht doch andere Hintergedanken hatte. Armelle wohnt nebenan im Hoho-Hostel, von dem sie so gar nicht begeistert ist. Sie ist 50, hat 3 verheiratete Freunde und ihr Leben in Paris kurzfristig für immer hinter sich gelassen. Couchsurfing ist einfach cool, man lernt so offene und interessante Menschen kennen, die alle gerne reisen und etwas zu erzählen haben.  Ich helfe Emrah beim Kochen.  Das Essen ist toll und gut gesättigt machen wir uns auch den Weg. Auf der Nathan Road herrscht ein einizigartiger Mix aus Verkehrschaos mit doppelstöckigen Bussen, chinesischer Leuchtreklame, stylischen Wolkenkratzern, hypermodernen Geschäften und absolut hässlichen Wohnsilos. Die Seitenstraßen wirken eher chinesisch.

Quasi um die Ecke liegt der legendäre Night Market in der Temple Street. Den Eingang markiert ein Tor, das tempelartig anmutet. Auf der Straße reihen sich die Stände nur so aneinander. Von T-Shirts, Kofferanhängern, Manga-Figuren, Handyhüllen bis zu Elektroartikeln und jeder Form von kitschigen Souvenirs gibt es hier alles zu kaufen. Die Preise sind allerdings Touristenpreise und man sollte unbedingt hart herunter handeln. An den Kreuzungen stehen runde weiße Tische, die sich unter der Last der vielen Schüsseln mit Streetfood nur so biegen, während sich Gruppen von Einheimischen und Touristen mit offensichtlicher Wonne darüber hermachen. Wie schade, dass wir schon gegessen haben. Das muss ich auf jeeeeeden Fall auch ausprobieren. Auch wenn ich Meeresgetier nur als Sternzeichen und nicht auf meinem Teller mag.

Danach schlendern wir weiter hoch zum Kowloon Park. Wer einen normalen Park mit Grünflächen, Büschen, Bäumen und Bänken erwartet, wird erstmal sehr verwundert sein, denn hier muss man erstmal durch Gebäude durchgehen, um zum Park zu gelangen. Dass das seeehr typisch für Hong Kong ist, sollte ich schnell begreifen. Hier gibt es Schwimmbäder, einen kleinen Tierpark... Emrah versorgt uns mit Hintergrundwissen. Wir machen Spaßfotos mit ausgestellten Comicfiguren, die zwar alle nichts werden, aber egal. War lustig.
Dann geht es weiter zur Promenade des Victoria Harbour. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf die Skyline von Hong Kong Island und das wechselnde Farbspiel der Illumination. Ich fühle mich ein wenig an Dubai und Singapur erinnert. Atemberaubend! 

Da Donnerstag ist, überzeugt uns Emrah in Soho in einen Club auszugehen, der heute freie Drinks für Ladys ausschenkt. Spaß für Lulu? Da sind wir doch dabei! Nur 3 Hong Kong Dollar kostet die Überfahrt mit der Fähre,
die definitiv ein absolutes Highlight ist! Ich genieße das sanfte Schaukeln, den Ausblick auf beide Ufer und die frische Brise. Leider sind wir viel zu schnell da. Im Club fällt mir die Aufgabe der Alkoholbeschaffung zu. Hach, das fällt mir leicht. Emrah hält sich als Moslem zufrieden am O-Saft fest, während Armelle und ich es mit Cranberrysaft-Rum probieren. Gar nicht übel! Die Musik wird lauter, harte Technobeats durchbrechen die Chartmusik und flackerndes Licht setzt sein. Das ist weder Armelle noch mein Ding, da hilft nur noch ein weiteres alkoholisches Kaltgränk und tanzen! Wir geben alles auf der Tanzfläche und haben so viel Spaß, dass wir rennen müssen, um die letzte Metro zu erwischen. Zuhause sinke ich müde, zufrieden und anschickert auf Emrahs Couch. Was für ein fulminanter Einstieg! Ich liebe Couchsurfing. 






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