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Tag 8, 27. April 2021: 2. Bürotag in Kasese

Veröffentlicht: 28.04.2021

Bwambale holt mich pünktlich um 9 Uhr im Hotel ab. Auf dem Weg ins Büro, machen wir noch Halt bei einem Schreibwarenladen, um Flipchartpapier und Klebeband für unseren Arbeitstag heute zu besorgen. Der Laden ist super sortiert und sieht so aus wie bei uns in früheren Zeiten. Nachdem ich Bwambale von meiner gestrigen erfolglosen Jagd auf Mückenschutzmittel erzählt habe, geht es weiter zu einer Apotheke. Und siehe da, sie haben noch Vorräte und ich decke mich großzügig ein.

Im Büro sind wir heute allein. Ndumbuko ist als Schuldirektor die nächsten beiden Tage eingebunden und auch die anderen Direktoren von RWECO-VIDE sind beschäftigt. Bwambale erzählt mir, dass er im Büro geschlafen hat und zeigt mir seine Schlafmatte, die dünner als eine Yogamatte ist. Ich frage ihn, ob das nicht schrecklich unbequem und kalt auf dem nackten Betonboden des Büros gewesen sei, worauf er erwidert, dass er das gewohnt sei und häufiger mal vorkomme. Um zurück in sein Dorf zu kommen, ist er auf ein Boda-Boda, also ein Motorradtaxi angewiesen und die stellen auf Anweisung der Regierung zur Eindämmung der Pandemie spätestens um 19 Uhr (offiziell eigentlich schon um 18 Uhr) ihren Dienst ein, so dass er es gelegentlich nicht mehr rechtzeitig schafft. Außerdem sind diese Fahrten teuer und er kann es sich nicht leisten.

Dann machen wir uns an die Arbeit: SWOT-Analyse und daraus abgeleitet Maßnahmen. Ich frage, ob es in der Region bereits ein Studium oder irgendeine Form der Fortbildung in Sachen Tourismus gibt und erfahre, dass zwei Colleges dazu unterrichten. Nach kurzer Internetrecherche mit meinem Smartphone (im Büro gibt es kein WIFI und mein Laptop hat keine SIM-Karte), ist klar, dass das Katwe Tourism Institut, lediglich zum Wildhüter ausbildet. Das ist zwar gut für das vorhandene touristische Angebot, aber nicht das, was ich im Kopf hatte. Da Bwambale den Direktor des Twin Wings College hier direkt vor Ort kennt, bitte ich ihn, ihn zu einem Austausch einzuladen, was er auch direkt in die Tat umsetzt.

Wenig später trifft Baluku ein, um mit mir die Tour zu planen, die ich nach meinem ehrenamtlichen Einsatz vorhabe. Wenn ich schon mal da bin, will ich auf jeden Fall zu den Gorillas in Bwindi und auch in den Queen Elisabeth National Park. Die Zeit reicht sogar noch für einen Besuch bei den Schimpansen in Kibale. Ich werde also ein wenig auf den Spuren von Dian Fossey und Jane Goodall wandeln.

Klar ist jetzt schon, dass ich auch diese Tour bar bezahlen werden muss. Der Preis von 400 USD, den mir Baluku für den Transport inklusive ihm als Fahrer unterbreitet, scheint mir für die Distanzen und Dauer sehr fair. Ich bekomme diesen Sonderpreis unter der Voraussetzung, dass uns Bwambale begleitet.

Da habe ich nichts dagegen, solange ich bei allen anderen Aktivitäten nur für meine Kosten aufkommen muss. Die Idee ist außerdem gut, denn so lernt Bwambale auch ein paar touristische Attraktionen seines Landes kennen, was er sich andernfalls niemals leisten könnte. Die Eintrittsgelder in die Nationalparks sind zwar für Einheimische stark reduziert und günstige Unterkünfte sind auch zu finden, für die Transfers fallen jedoch die regulären Preise an. Und Bwambale besitzt kein Auto und hat deshalb bisher auch keinen Führerschein gemacht.

Alle übrigen Kosten für Unterbringung, Eintrittsgelder und die Kosten für die Trekkings zu den Menschenaffen, soll ich direkt bei den jeweiligen Leistungsträgern begleichen. Das Ganze wird rund 1300 USD kosten. Ich habe Glück, da aufgrund von Covid, die Preise für die Touren zu den Gorillas und Schimpansen gesenkt wurden, was mir rund 250 USD erspart. Darüber hinaus habe ich bereits im Vorfeld mit den Preisen deutscher Reiseanbieter verglichen und weiß deshalb, dass die Kosten in Ordnung sind. Jetzt muss ich nur noch eine Lösung finden, wie ich möglichst unkompliziert an so viel Bargeld komme.

Kurz nach Baluku ist auch Ludwig, der Direktor desTwin Wings Colleges eingetroffen und wartet in der Zwischenzeit geduldig; ich frage ihn irgendwann, ob das ok für ihn ist und entschuldige mich für die lange Wartezeit. Er meint, er würde gern warten, bis wir den Tourpart geklärt haben, er hätte Zeit. Sehr verständnisvoll und überhaupt nicht eingebildet. In Deutschland würde ein geladener Gast, insbesondere, wenn er eine wichtige Position bekleidet, wohl sehr irritiert reagieren und nicht mit so viel Verständnis.

Das Twin Wings College hat zwei Tourismuskurse – eine Ausbildung für Guides und eine Ausbildung für Hotelkaufleute. Ich frage, ob denn auch Managementskills vermittelt werden, was er bejaht. Die Absolventen finden danach Jobs, in Hotels, Restaurants, als Trekkingguides und durchaus auch in führenden Positionen wie beispielsweise als Hotelmanager.

Wir sprechen auch über das Thema Sprachbarriere und ich frage, ob es Lehrer in der Region gibt, die andere Sprachen als Englisch unterrichten können. Viele Touristen aus Europa, insbesondere die etwas älteren Semester, sprechen Englisch nicht so gut und freuen sich, wenn sie einen Guide in ihrer Landessprache bekommen. Er bestätigt, dass dies in der Tat ein Problem ist und es leider keine Lehrer für andere Fremdsprachen hier gibt. Selbst in der Hauptstadt Kampala, gibt es nur wenige. 

Ich frage weiter, ob das College denn über Computer verfügen würde. Aber leider hat auch hier die Überschwemmung des Nyamwamba Flusses im letzten Jahr ihre Spuren hinterlassen. Sie hatten tatsächlich Computer, die aber komplett von den Wassermassen zerstört wurden und um diese zu ersetzen reichen die Schulgebühren erst einmal nicht aus. Im schlimmsten Fall kann es Jahre dauern, bis sie wieder über die technische Ausstattung verfügen, die sie vor der Flut hatten. Sehr schade! Denn meine Idee wäre gewesen auf kostenfreie Online-Sprachkurse, von denen es mittlerweile einige gibt, zurückzugreifen.

Ludwig hat während unserer Tourplanung, die Ergebnisse unserer bisherigen Arbeit studiert, die auf Flipchartblättern an den Bürowänden dokumentiert ist und ist voll des Lobes. Es wäre mir ein wenig peinlich hier die Lobeshymnen zu wiederholen, aber ich freue mich doch, dass er, der sich ja ebenfalls mit Tourismus auskennt, die Richtung bestätigt.

Er sagt „pole pole tutagenga“, was eine Redewendung auf Swaheli ist und so viel bedeutet wie „slowly we shall develop“, also genau mein Motto „start small and grow step by step“, was ich im Workshop am Montag vermittelt habe.

Neben seiner Arbeit als College-Direktor betreibt Ludwig eine Trekkingagentur für Touren in die Rwenzori Mountains; hier bekommen seine Studenten auch praktisches Training.

Auch auf das Thema Covid kommen wir zu sprechen, das hier in Uganda, trotz der bisher sehr niedrigen Infektionszahlen, ebenfalls heftige Spuren hinterlassen hat. Im vergangenen Jahr gab es einen Total-Lockdown. Alles hatte geschlossen und die Menschen haben zu Hause gesessen, letzteres kein schöner Zustand, da sie hier nicht über gemütliche Wohnzimmer und Schlafzimmer verfügen, so wie wir das aus Deutschland gewöhnt sind. Das eigentlich Schlimme an der Sache ist aber, dass damit auch der gesamte Handel zusammengebrochen ist - keine Märkte, auf denen die Bauern ihre Ernte verkaufen konnten, keine Läden geöffnet und damit eine Katastrophe für die Ladenbesitzer; zudem sind viele Menschen aus den Städten aufs Land geflüchtet aus Angst vor der unbekannten Krankheit und damit ist Kaufkraft in vielen kleinen Städten verloren gegangen, denn die Menschen sind seitdem nicht zurück gekehrt. Und hier in der Region wurde das Ganze dann noch durch die zerstörerische Überschwemmung des Nyamwamba Flusses getoppt.

Ludwig ist sehr gesprächig, ganz im Sinne der „Geschichtenerzähler-Tradition“, die zu Ugandas Kultur gehört. So erfahre ich, dass seine Großmutter 140 Jahre alt geworden ist, ohne jemals einen Arzt zu sehen oder ein Medikament zu nehmen. Selbst, wenn die 140 Jahre nicht stimmen sollten und sie „nur“ 90 Jahre alt geworden sein sollte, wäre das für Uganda immer noch sensationell. Sie scheint überhaupt eine außergewöhnliche Frau gewesen zu sein. So hat sie ihren Enkeln beigebracht „a woman is the center of knowledge, wisdom and blessing and you should always treat her like a pot full of gold“ (eine Frau ist das Zentrum von Wissen, Weisheit und ein Segen und Du solltest sie immer behandeln wie einen Topf voller Gold).

Ich finde, dass wir bei allen Fragen rund um das Thema Gleichberechtigung von Frau und Mann nie vergessen dürfen, dass es die Mütter und Großmütter sind, die ihre Söhne und Enkel erziehen und damit einen wichtigen Grundstein für deren späteres Frauenbild legen.

Ludwig fragt mich, an welcher Stelle ich in der Reihenfolge meiner Geschwister stehe und als ich ihm sage, dass ich die Erstgeborene bin, erklärt er mir, dass ich in Uganda damit eine „Masika“ bin. Das ist ein Begriff für die erstgeborene Tochter und bedeutet so viel wie Ratgeberin. Das Pendant für den erstgeborenen Sohn heißt „Baluku“. Und Bwambale heißt zweitgeborener Sohn. Die Reihenfolge der Geschwister spielt in Uganda eine wichtige Rolle und es gibt für jeden Platz einen Namen. Aber den Erstgeborenen und Letztgeborenen kommt eine besondere Bedeutung zu.

Dann erklärt er mir, dass der Vorname Ruth in Uganda sehr geläufig ist und „Retterin“ sowie „Brücke“ bedeutet. Mir war bisher bekannt, dass mein Vorname für „Freundschaft“ steht, was sich aus dem biblischen Buch der Ruth ableitet. Aber die neue Bedeutung, die mir Ludwig offenbart, gefällt mir auch sehr gut 😊

Außerdem erfahre ich, dass sowohl Bwambale als auch er, Väter von Zwillingen sind und dass dies wiederum eine ganz besondere Bedeutung in Uganda hat. Man bekommt in diesem Fall einen Titel – als Vater „Ise Bwahasa“ und als Mutter „Nya Bwahasa“, was Vater oder Mutter von Zwillingen heißt und genießt damit gewisse Privilegien in der Gemeinschaft. Ludwig erzählt weiter, dass es in seiner Familie viele Mehrlingsgeburten gebe. Daraufhin erwidere ich, dass Zwillinge auch im väterlichen Zweig meiner Familie vorkommen und mein Patenonkel ein Zwilling ist. Ludwig erklärt mir, dass ich damit ein spiritueller Zwilling bin (@Gerhard- das ist cool, oder?).

Nachdem Ludwig gegangen ist, kommt Godfrey vorbei (einer der Direktoren, der u.a. das YVCO Child Development Center leitet) und bringt mir Minibananen mit. Die erinnern mich immer an meine Mutter, die mir erzählt hat, dass die Banana Masa (Bananenbrei aus Minibananen) neben Avocados, meine Hauptmahlzeit als Baby in Brasilien waren.

Der Nachmittag ist wie im Flug vergangen und wir machen uns auf den Rückweg. Ich habe bei einer Kundin im Friseursalon nebenan eine Hose gesehen, die ich auch gern hätte. Bwambale will mir einen Laden zeigen, der so etwas führt. Dazu gehen wir auf den örtlichen Markt, der mich stark an einen Souq aus meiner Zeit in den Emiraten erinnert. Der Laden stellt sich als einer von vielen Stoffläden, die hier dicht an dicht nebeneinander liegen, heraus. Allerdings sind sowohl die Designs als auch die Stoffe gewöhnungsbedürftig. Es dauert eine Weile bis ich fündig werde. Ich wollte eigentlich 100% Baumwolle, am Ende entscheide ich mich für einen Stoff aus einem Mischgewebe und angeblich einem hohen Baumwollanteil. Ich kann das in diesem Fall nicht beurteilen, denn die Stoffe sind alle gewachst und fühlen sich an als würde man sich eine Wachstischdecke umlegen. Mir wird aber versichert, dass der Stoff nach der ersten Wäsche schön weich würde. Wir werden sehen…

Weiter geht’s zur Schneiderin, die ihren Laden um die Ecke hat. Ich erkläre ihr das Design, für eine Hose und ein Oberteil, das mir vorschwebt. Google sei Dank, kann ich meine Erklärungen noch mit Bildern aus dem Internet verdeutlichen. Ich will eine Salwar Kameez“, eine Kombi, die ich aus Indien kenne. Ich hatte Uganda gar nicht für das Schneiderhandwerk auf dem Schirm und bin sehr erfreut, dass ich ungeplant zu maßgeschneiderten Kleidern komme und das zum absoluten Traumpreis. Der Stoff kostet mich dank der guten Verhandlung meiner Begleiter lediglich 5000 UGX und die Anfertigung selbst 25000 UGX, insgesamt rund 7 Euro. Obwohl ich im Feilschen auf dem Basar geübt bin, hätte ich als Ausländerin allein, niemals diesen Preis bekommen. Dafür bekommen Freunde und Verwandte von Bwambale die Aufträge, was ich völlig in Ordnung finde und gern unterstütze. Die Schneiderin kennt Bwambale beispielsweise aus seiner Schulzeit.

Auf dem Weg zurück ins Hotel, kommen wir durch die einzige Straße von Kasese mit solarenergiebetriebenen Straßenlaternen. Ich hatte Bwambale von einem youtube Video erzählt, was ich im Vorfeld gefunden hatte und in dem u.a. der Bürgermeister von Kasese erzählt, dass er den gesamten Distrikt bis 2020 auf 100% Solarenergie umstellen möchte. Zum Ende des Videos heißt es aber, dass es wohl bis 2040 dauern wird, dieses Ziel zu erreichen. Na ja, mit Verzögerungen bei Großprojekten, kennen wir uns in Deutschland in der Zwischenzeit auch aus…. 

Mein Kollege Ndumbuko hatte in seinem alten Haus auch Solarpanels installiert, die für die Beleuchtung der Innenräume und zum Aufladen von digitalen Geräten, ausreichend waren. Leider sind mit der Überschwemmung auch seine Solarpanels, die er sich hart erspart hatte, weggeschwommen. Nun ist er wieder auf Kerosinlampen angewiesen. Sein Smartphone kann er nur dort aufladen, wo er Elektrizität findet, z.B. in seinem Büro oder bei mir im Hotel, so dass es auch mal passiert, dass er nicht erreichbar ist, weil sein Smartphone keinen Saft mehr hat.

Zum Abendessen bin ich heute im Hotel. Ich versuche seit meiner Ankunft lokales Essen kennenzulernen, was mir bisher aber noch nicht so richtig gelungen ist. Im Hotel ist die Auswahl immer die Gleiche, zumindest, wenn ich frage, was es gibt: Kartoffelbrei, Reis, Matoke (aus Kochbananen), Ubundu (aus Cassava, ich glaube, wir kennen es als Manioc) dazu Tilapia (ein Fisch aus der Region), Ziege oder Leber. Und das zum Mittag- und zum Abendessen. Abgesehen davon, dass ich bei der Wärme sowieso kaum Hunger habe, würde ich es nicht schaffen, drei warme Mahlzeiten am Tag zu essen. Die Ugander essen bereits früh „English Breakfast“, also Bohnen und Würstchen, während mir eine Tasse Kaffee und ein wenig Obst völlig ausreicht. Ich brauche ein wenig Abwechslung, weshalb ich die nette Kellnerin Anna frage, ob ich auch ein Spanish Omelette, also eine Tortilla haben könnte und suche online ein Rezept heraus, das wir dem Koch zeigen. Aufgrund der Zutaten, die ich bisher kennen gelernt habe, sollte eigentlich alles dafür da sein und so ist es auch. Der Koch hat sich übrigens gefreut, auf diese Weise ein neues Gericht kennenzulernen. 

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