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Tag 7, 26. April 2021: Workshop mit den Direktoren von RWECO-VIDE

Veröffentlicht: 27.04.2021

Nachdem ich am Freitag ja die spontane Idee hatte, heute einen Workshop zu veranstalten, will ich noch vor dem Frühstück checken, ob alles klappt wie besprochen. Ein netter Mitarbeiter schlägt mir vor, dass ich doch statt dem Restaurant, das dafür vereinbart war, auch ihren Konferenzraum nutzen könnte. Ich freue mich über diesen tollen Vorschlag. Nach kurzer gemeinsamer Besichtigung ist alles klar, dachte ich zumindest…

Meine afrikanischen Kollegen sind alle gut vor der vereinbarten Startzeit da: Wow, ich bin begeistert und gebe zu, dass ich eher mit einer Verspätung gerechnet habe – ich denke selten in Schubladen, aber in diesem Fall war ich doch ein wenig voreingenommen. Trotzdem verzögert sich der Start dann noch um eine Stunde. Warum? Weil ich davon ausgegangen bin, dass ich den Konferenzraum selbstverständlich genauso kostenlos nutzen darf, wie ich auch das Restaurant hätte nutzen dürfen. Der Raum soll 100.000 UGX für einen halben Tag kosten (ca. 23 Euro) zzgl. Getränke. Hört sich nicht viel an, ist es aber, insbesondere unter Berücksichtigung, dass ich vermutlich der bestzahlende Gast im gesamten Jahr 2021 bin und der Konferenzraum frei ist, es also keinen Einnahmeverlust gibt. Nach einigem Hin und Her, werden wir uns doch noch einig und dürfen dafür, dass wir im Hotel zu Mittag essen, kostenfrei bleiben. Gut, für’s nächste Mal weiß ich Bescheid, dass ich nochmal genau die Rahmenbedingungen abklopfe. 

Da ich bereits mit der Devise „go with the flow“ in Uganda angekommen bin, fällt es mir leicht, mit solchen Situationen umzugehen. Ich kenne dies schon von anderen Auslandsaufenthalten, allerdings habe ich früher erst immer eine gewisse Zeit benötigt, um mich von meinem deutschen Effizienzverhalten zu verabschieden. Da ich durch eine berufliche Veränderung auch in Deutschland schon länger nicht mehr im Hamsterrad renne, ist dieses Mal keine Akklimatisationsphase nötig, was mir bei diesem Einsatz sehr hilft.

Die verbleibende Zeit nutzen wir dann noch sehr effektiv. Da wir die nächsten drei Wochen eng zusammenarbeiten werden, finde ich es wichtig, dass meine Crew, wie ich meine Kollegen auf Zeit auch gern nenne, ein wenig mehr von mir weiß als die puren, beruflichen Fakten. Deshalb habe ich eine kleine Fotopräsentation zur Einleitung vorbereitet und zeige ihnen Bilder von meinem Leben in Hamburg und von meiner Familie. Auch Fotos meiner Katzen sind natürlich dabei :-)

Außerdem ist es mir ein Anliegen nochmals ganz klar zu machen, dass ich ehrenamtlich da bin, also lediglich die Spesen gedeckt sind, aber keine Bezahlung für meinen Einsatz erhalte (vgl. dazu Blogpost von Tag 6). Ich erzähle ihnen weiterhin, dass ich nach diesem Einsatz selbst noch nicht weiß, wie es beruflich weitergeht und ich erst einmal arbeitslos sein werde und was das in Deutschland bedeutet, insbesondere jetzt in Zeiten der Pandemie. In ihren Augen bin ich sicherlich unglaublich reich und das bin ich ja auch, verglichen mit ihrem Lebensstandard. Ich versuche aber Aufklärungsarbeit zu leisten und erkläre ihnen, was es für mich bedeutet einen mittleren Lebensstandard in Deutschland zu halten, wie das Verhältnis meiner Miete zu meinem Einkommen ist, wieviel Steuern monatlich automatisch abgezogen werden, usw.

Nachdem im Gottesdienst der Church of Christ gestern u.a. das Thema „Geben“ im Vordergrund stand und es in meinen Augen sehr stark auf das Thema Geldspenden reduziert war, ist es mir wichtig, auch meine Sicht der Dinge darzulegen: So erkläre ich, dass mein Einsatz meiner Meinung nach auch eine Form der Spende ist und zwar eine Spende meines Wissens und meiner Zeit, was mindestens genauso wertvoll wie Geld ist. Und dass ich dies aus tiefer Überzeugung und von Herzen gern tue.

Meine Worte werden von meinen Kollegen honoriert und obwohl dies überhaupt nicht mein Ziel bzw. von mir beabsichtigt war, ihrerseits mehrfach betont, wie dankbar sie für mein Kommen sind.

Danach geht es in medias res und ich starte mit einer kleinen Kreativübung, die dann zwar anders ausgeführt wird als ich mir das vorgestellt habe - letztlich zählt aber das Ergebnis und mit dem sind alle sehr zufrieden. Mein Ziel ist es, so zu helfen, dass das Projekt später auch ohne mich weiter vorangetrieben werden kann. Außerdem möchte ich meine Kollegen dazu animieren, Ideen zu generieren, wie man auch mit wenig bzw. gar keinem Geld starten kann. Meine Devise, die ich auch an sie weitergebe, lautet „start small and grow it step by step“.

Meine Kollegen haben bereits RWECO-Vide aufgebaut, unter deren Dach seit fast 20 Jahren ganz unterschiedliche „community based-Projekte“ sehr erfolgreich geplant und implementiert wurden. Auch für das Tourismusprojekt haben sie großartige Ideen. Außerdem bringen sie so viel Leidenschaft und Engagement mit, dass ich davon überzeugt bin, dass sie auch dieses Projekt erfolgreich umsetzen werden. Neben ihrer regulären Berufstätigkeit als Lehrer, Pfarrer, Bauern, Ladenbesitzer, Rechtsberater, usw., setzen sie sich ehrenamtlich für die Rwenzori Community Vision for Development (RWECO-VIDE) ein, bei der auch das Tourismusprojekt angesiedelt ist. Diese Arbeit ist sehr zeitintensiv und es ist spürbar, dass sie von hohen ethischen Wertmaßstäben geleitet werden, etwas zum Besseren für ihre Landsleute und in ihrem Land zu verändern.

Beim gemeinsamen Mittagessen erfahre ich von meinen Kollegen, dass sie alle schon mehrfach an Malaria erkrankt sind und dass das normal in Uganda sei. Tja, das beruhigt mich jetzt nicht gerade…

Am Nachmittag zeige ich dem Hotelmanager die diversen provisorischen Reparaturen, die ich in meinem Zimmer vorgenommen habe, sowie die Dinge, die ich nicht reparieren konnte. Er verspricht jemanden zu schicken, der sich um den verklemmten Ventilator und das defekte Badezimmerfenster kümmert. Ich bin gespannt… wenn es klappt, freue ich mich, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.

Danach stürze ich mich zum ersten Mal allein in das Leben von Kasese.

Ich benötige dringend neues Bargeld. Ich hatte nicht mit diesen Summen an Bargeld gerechnet, die ich hier ständig brauche. Bisher musste ich alle Leistungen in cash zahlen. Selbst das Hotel werde ich komplett bar bezahlen müssen, weil das Kartenlesegerät kaputt ist. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass die Banken hier die Mindestabhebesumme auf 1 Mio. UGX (ca. 230 Euro) begrenzt haben. In Kampala konnte ich wenigstens 1.750.000 UGX (ca. 400 Euro) auf einmal abheben. Das heißt, dass ich ein paar Mal den Geldautomaten Besuche abstatten darf, um höhere Summen aufzubringen. Und, was soll ich sagen – ich bin bei einer sehr teuren Deutschen Bank, die für jeden Abhebevorgang im Ausland 6 Euro nimmt. Dazu kommen noch die Gebühren der Lokalbank mit rund 2 Euro. Insgesamt also ein teures Vergnügen. Ich werde demnächst mal versuchen, ob ich eine lokale Bank davon überzeugen kann, mir mehr als den Maximalbetrag auf einmal auszuzahlen. Dies allerdings eher zum Ende hin, denn ich habe im Hotel keine Möglichkeit irgendetwas wegzusperren.

Beim vierten Anlauf klappt es schließlich und ich habe eine Bank gefunden, die meine Karte akzeptiert und Bares ausspuckt. Sehr schön!

Auch das Moskitothema begleitet mich weiterhin und da meine NoBite-Vorräte aus Deutschland sich extrem schnell leeren, begebe ich mich auf die Suche nach einer Apotheke, die mir so etwas verkauft. Drei Apotheken später, habe ich immer noch kein Moskitoschutzmittel, da es überall ausverkauft ist, dafür den Tipp im Supermarkt nachzufragen. Doch leider auch im Supermarkt Fehlanzeige. Dafür lerne ich die Verkäuferin Momo dort kennen, die mich sehr nett berät. Ich komme sicher wieder!

Zurück in meinem Hotelzimmer wird mir ein wenig schwindlig, denn während meiner Abwesenheit wurde das Zimmer mit DOOM ausgesprüht; das ist irgendein krasses chemisches Insektenabtötungsspray. Egal, lieber Schwindel als Moskitos. Zusammen mit meinem Raid-Stecker sollte es heute Nacht hoffentlich moskitosicher sein. 

Antworten (2)

Ulrich
Super interessant geschrieben und informativ. Insbesondere, dass Du Deine Sichtweise in der Kirche kommuniziert hast und Deine Tätigkeit auch als Geben siehst, ist wichtig und korrekt. Super:)

Ruth
Danke für die Blumen, lieber Bruder :-)

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