Veröffentlicht: 07.05.2021
Ich komme mit dem Schreiben kaum noch hinterher. Obwohl ich versuche, möglichst viele meiner Eindrücke festzuhalten, ist es höchstens die Hälfte dessen, was ich hier jeden Tag erlebe! Deshalb fasse ich heute mal zwei Tage zusammen.
Am Montag stimme ich mich mit Bwambale ab, wie wir die verbleibende Bürozeit am besten nutzen. Ich habe dazu geraten als allerersten Schritt, einen Computer/ Laptop mit mobiler Internetnutzung (die Mobildatenverbindung ist wesentlich stabiler als WIFI) anzuschaffen. Denn auf diese Weise können sie zukünftig kostenfreie Online-Seminare besuchen, u.a. um mehr Wissen zu touristischen Themen zu erlangen, aber auch für Benchmark-Analysen, Recherchen, usw. Die Möglichkeiten, die uns das Internet gerade in Sachen Wissenserweiterung gebracht hat, sind unbegrenzt.
Meine Chefin während meiner Reisebüroausbildung, hat mir einmal gesagt, dass ich nicht alles wissen muss sondern es genügt, wenn ich weiß, wo ich die Informationen finde. Das war ein sehr guter Ratschlag, den ich bis heute beherzige. (Mechthild Gress, leider viel zu früh gegangen – viele Grüße auf die andere Seite!)
Ich versuche deshalb auch meine Kollegen immer wieder darin zu bestärken, sich des Wissens zu bedienen, dass online so einfach zugänglich ist, häufig sogar kostenfrei. Außerdem möchte ich sie zu mehr Wissensaustausch mit anderen touristischen Leistungsträgern animieren und habe dafür vorgeschlagen, einen „Runden Tisch“ ins Leben zu rufen. Es gibt auch hier vor Ort so viele Menschen und Organisationen, die für das Tourismusprojekt hilfreich sein können.
Ich hatte mir gewünscht einmal eine kleine Strecke in den Rwenzori Mountains zu wandern. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass der Ausflug nach Masule zum Grundstück des zukünftigen Guesthouses schon ein einzigartiges Wandererlebnis würde. Und so komme ich zu meinem nächsten Abenteuer in den Bergen.
Der Direktor des Twin Wings Colleges, Ludwig, hatte mir von seinem Guesthouse und Trail in den Rwenzori Mountains erzählt (vgl. meinen Blogbeitrag von Tag 8). Ich möchte ihn gern unterstützen und entscheide mich deshalb für eine Tour zu seiner Einrichtung nach Mbunga. Die Zeit reicht nicht, um die gesamte Strecke nach Mbunga vom Fuß der Berge aus zu beginnen – meine Kondition vermutlich auch nicht…. So bleibt nur die Fahrt mit dem Boda-Boda (Motorradtaxi). Bisher hat uns Baluku immer mit dem Auto gefahren oder wir waren zu Fuß unterwegs.
Am Dienstag ist es dann so weit und Bwambale ist pünktlich um 8 Uhr im Hotel, um mich abzuholen. Die beiden Boda-Boda-Fahrer allerdings nicht. Erst müssen sie noch tanken. Als nach einer halben Stunde immer noch keiner da ist, gehen wir ihnen entgegen und treffen so wenigstens schon auf den ersten Fahrer. Vom zweiten Fahrer ist noch immer keine Spur zu sehen. Er kommt mit einer Dreiviertelstunde Verspätung endlich auch. Bwambale liest ihm die Leviten und, diese Boda-Boda Fahrer würden einfach zu viel Alkohol trinken. Na toll, das beruhigt mich jetzt so gar nicht, genauso wenig wie die Info, dass er schon mal einen Unfall mit einem Boda-Boda hatte, der glücklicherweise glimpflich ausgegangen ist. Wenigstens scheinen diese beiden Fahrer nüchtern.
Mit viel Gottvertrauen und einem Stoßgebet zu meinem Schutzengel, der hier mit mir im Dauerstress ist, besteige ich das Gefährt. Helme gibt es nicht. Die Boda-Boda Fahrer selbst tragen nur sehr selten einen Helm und bei den Fahrgästen habe ich bisher noch nie einen gesehen.
Es ist erst das dritte Mal in meinem Leben, dass ich auf einem Motorrad sitze. Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass ich die Boda-Boda Spezial Motocrosstour „gebucht“ habe. Zuerst geht es durch Kasese und ich bin froh über meine Sonnenbrille, die meine Augen vor Insekten und Staub schützt. Dann beginnt der „Aufstieg“ auf einer unbefestigten Straße. Überall sind Schlaglöcher, Bodenrillen, Schotter, …. Die Fotos können nicht annähernd wiedergeben wie diese Strecke aussieht. Ich klammere mich mit den Händen an den Haltegriffen fest und mit den Beinen so stark am Sitz, dass ich das Gefühl habe, dass meine Beine jeden Moment abfallen. Nach einer halben Stunde Fahrt brauche ich erst mal eine Pause. Danach habe ich mich ein wenig an die ungewohnte Sitzposition gewöhnt, leichter wird es aber nicht. Die Boda-Boda Fahrer nutzen ihre Motorräder wie Ziegen. An einer Stelle ist es so steil, dass wir absteigen müssen und ein Stück zu Fuß gehen, denn diese Steigung bewältigen selbst diese geübten Fahrer nur ohne die Last eines Beifahrers.
Der nächste Stopp führt uns zu Emmanuel, der hier eine kleine Privatklinik betreibt. Einmal in der Woche schaut ein Arzt vorbei. Er erzählt, dass seine Klinik für 900 Menschen aus dem Umkreis Anlaufstelle ist. Im Gegensatz zum öffentlichen Krankenhaus, an dem wir später bei unserer Wanderung vorbeikommen werden, hat er sogar zwei Betten. Die öffentlichen Krankenhäuser sind hier in vier Kategorien eingeteilt, erfahre ich. Je nach Kategorie (grade) handelt es sich um eine Basis- oder eine Rundumversorgung. Das öffentliche Krankenhaus ist ein „grade 2“ und verfügt deshalb auch über keine Krankenbetten. Für ernsthafte Erkrankungen müssen die Menschen nach Kasese ins Krankenhaus.
Wir gehen von Emmanuels Privatklinik weiter zu Fuß, um das Guesthouse von Ludwig zu besichtigen. Es ist ein wunderschöner Ort mit einer einzigartigen Aussicht auf die Rwenzori Mountains. Es gibt bereits mehrere Guesthouses, ein Restaurant und sogar Sanitäranalagen mit Dusche und WC, die die Gäste gemeinsam nutzen. Durch die Einnahmen der Guesthouses kann direkt nebenan auch eine kleine Schule betrieben werden. Außerdem erhalten Ludwigs Studenten aus dem Twin Wings College hier praktische Ausbildung und auch Jobs. Ludwig hat hier tolle Arbeit geleistet! Unterstützung hatte er dabei von einem norwegischen „volunteer“, nach dem ein Guesthouse und das Restaurant benannt sind.
Nach unserem Besuch in Masule am Sonntag, haben mich meine Kollegen gefragt, ob sie ihr Guesthouse und den Trail nach mir benennen dürfen. Was für eine Ehre! Ich habe ihnen allerdings geraten, statt meinem Nachnamen, der ihnen sehr exotisch erscheint, lieber meinen Vornamen zu nutzen. Zusammen mit Masika (Lokonjo für erstgeborene Tochter), kann man damit eine schöne Geschichte erzählen.
Beim Guesthouse wartet unser Guide Alexander schon auf uns. Er ist einer der ehemaligen Studenten von Ludwig. Wir steigen nochmals auf die Boda-Bodas, wobei Bwambale, Alexander und der Boda-Boda Fahrer sich ein Motorrad „teilen“.
Als nächstes halten wir in einem kleinen Dorf, wo Bwambale kurz bei seiner Tante vorbeischaut. Sie ist die jüngere Schwester seiner bereits verstorbenen Mutter. Wir treffen sie an der Kirche, wo sie mit anderen Frauen die Vergabe von Kleinkrediten organisiert. Die Frauen unterstützen sich gegenseitig, indem sie untereinander kleine Geldbeträge (Mikrokredite) verleihen. Diese Initiativen werden in der Regel von Mütterkreisen organisiert, die zu jeder Kirchengemeinschaft gehören.
In diesem Dorf gibt es sogar eine Bar, die aber geschlossen ist. Dafür sitzen einige Jugendliche davor und trinken Bananenschnaps.
Weiter geht es mit unseren Boda-Bodas. An einer Baustelle, an der ein neuer Mobilfunkmast aufgebaut werden soll, endet unsere Fahrt mit den Motorradtaxis; hier ist der Einstieg zu Ludwigs Trail.
Der Trail führt auf dem Bergkamm entlang und die Aussicht ist grandios. Ohne die Wolken könnte man heute sogar den Margherita Peak, mit 5109 Metern, der höchste Gipfel der Rwenzori Mountains, sehen.
Auf dem Weg begegnet uns eine Französin mit ihrem Guide, die gerade in Ludwigs Guesthouse wohnt. Ich erfahre, dass ich nach ihr erst die zweite Besucherin seit dem Beginn der Covid-Pandemie im letzten Jahr bin.
Deshalb ist der Trail auch in seinem „ursprünglichen Zustand“, d.h. komplett zugewuchert und obwohl sich die Steigungen in Grenzen halten, würde ich dieser Wanderstrecke den Schwierigkeitsgrad fünf von fünf Wanderschuhen geben… Ich bin sehr froh über den Skistock, den mir ein Bekannter von Bwambale geliehen hat, sowie über meine Panama Jacks, die mir auf der Reise schon gute Dienste geleistet haben. Bwambale und Alexander sind in Straßenschuhen unterwegs. Dass das hier normal ist, weiß ich seit meiner Wanderung nach Masule.
Der Trail führt über Felder, auf denen Passionsfrüchte, Bohnen, Kartoffeln und Yams angebaut werden. Alexander weiß sehr viel und erzählt mir, dass in dieser Region das Volk der Wakanjo zu Hause ist, die in Uganda bekannt sind für ihren kleinen Wuchs und die Lokonjo, eine der Bantusprachen, sprechen. Im Hotel habe ich neulich ein Paar getroffen, das mindestens 1,90 eher sogar 2 Meter groß war. Alexander erklärt, dass sie vermutlich aus dem Norden Ugandas waren, wo die Menschen wesentlich größer sind als in der Rwenzori Region.
Neben uns plätschert ein Wasserkanal, der künstlich angelegt wurde. Das Wasser kommt von den Rukoki Wasserfällen, die Endstation unserer Wanderung, die wir nach 1 ½ Stunden erreichen. Wir befinden uns hier auf 2400 Metern Höhe, während Ludwigs Guesthouse auf 1800 Metern Höhe liegt. Nach einer kurzen Pause treten wir wieder den Rückweg an.
Es geht vorbei an dem öffentlichen Krankenhaus und einem kleinen Dorf, wo eine Kuh sehr eindrücklich muht. Nach einem schnellen, späten Mittagessen in Ludwigs Restaurant, geht es auch schon wieder zurück. Ich will rechtzeitig, bevor die Banken um 17 Uhr schließen, zurück in Kasese sein.
Die Boda-Boda Fahrt ins Tal ist nicht weniger abenteuerlich als die Fahrt nach oben, nur dass ich mittlerweile eine etwas angenehmere Sitzposition gefunden habe. Morgen werde ich sicher Muskelkater in den Beinen haben - nicht von der anspruchsvollen Wanderung, sondern vom permanenten Festklammern am Motorradsitz
Wir erreichen rechtzeitig die Centenary Bank, wo ich heute mein Bargeld abholen kann. Zuerst zahle ich noch die Boda-Boda Fahrer. Mit 100.000 UGX (ca. 24 Euro) für die Hin- und Rückfahrt für Bwambale und mich, war das zwar ein ganzes Stück teurer als eine Fahrt normalerweise kostet. Aber da die Fahrer uns den ganzen Tag begleitet haben und bei der Schwierigkeit der Strecke, sind die Kosten absolut angemessen.Wie in einem früheren Blogbeitrag beschrieben, benötige ich hier unendlich viel Bargeld. Mit Karte habe ich hier noch nirgends bezahlen können. Selbst das Hotel werde ich in bar bezahlen müssen, da die Kartenmaschine nach wie vor kaputt ist. Zudem verschwindet mein Geld hier wie in einem Elefantenrüssel. Uganda zählt zwar zu den ärmsten Ländern der Welt, im Verhältnis dazu ist es allerdings recht teuer.
Nach einigem Hin und Her und weiterer Recherche, habe ich endlich eine Möglichkeit gefunden, wie ich auf verhältnismäßig günstige Weise an eine größere Summe Bargeld komme. So kann ich auch die Bankautomaten umgehen, an denen pro Tag nur ein bestimmter, relativ niedriger Maximalbetrag abgehoben werden kann und damit auch die unverschämt hohen Bankgebühren meiner Bank in Deutschland, die bei jedem Abhebevorgang mitverdient.
Ich bin schließlich auf World Remit gestoßen, einen relativ neuen Anbieter für Auslandsüberweisungen. Weder mit Western Union noch mit Moneygram, an die ich zuerst gedacht hatte, konnte ich meine Überweisung realisieren. World Remit kann ich nach der ersten Nutzung wärmstens empfehlen. Es war kinderleicht und superschnell und die Überweisung von meinem eigenen Konto unproblematisch möglich, so dass ich niemanden bitten musste, mir Geld zu senden, sondern alles direkt selbst online abwickeln konnte. Zudem richten sich ihre Wechselkurse nach der Summe des Überweisungsbetrags (je höher desto besser), so dass ich mein Geld zu einem sehr guten Umrechnungskurs bekommen habe.
Ich verlasse die Bank mit mehreren Geldbündeln, die mit Gummibändern zusammengehalten werden. Zu Bwambale meine ich, dass ich mir gerade wie Miss Moneypenny, die Sekretärin von James Bond, vorkomme. Eigentlich fehlt nur noch der Aktenkoffer, der an mein Handgelenk gekettet ist.
Unser nächster Weg führt zu Baluku, wo ich nun endlich den Großteil der geplanten Tour bezahlen kann. Baluku meint im Scherz, dass er mich für 12 Kühe meinen Eltern abkaufen würde. Ich frage, ob das ein guter Preis sei und wieviel denn eine Kuh kosten würde. 600 USD ist die Antwort, ich rechne kurz nach und meine, dass das aber sehr wenig sei und ich dann schon junge Kühe erwarten würde. Auf die Frage was es denn kosten würde, wenn man in Deutschland heiratet, antworte ich, dass ich aus verhandlungstaktischen Gründen eigentlich nicht verraten sollte, dass er mich in Deutschland kostenfrei bekommen würde.
Von Bwambale erfahre ich später, dass 12 Kühe tatsächlich ein sehr guter Brautpreis wären. Üblich sind hier 12 Ziegen und 12 Kanister Bananenschnaps, wobei man den Preis der Ziegen noch verhandeln kann und in der Regel nur 6 Ziegen übergeben werden, der Rest in Bargeld. Dazu kommen dann noch kleinere Geschenke, wie ein neuer Anzug und ein neues Kleid für die zukünftigen Schwiegereltern.
Zurück im Hotel, übergebe ich meine übrigen Geldpakete Julius, dem Hotelmanager. Er registriert den Betrag und verschließt ihn sicher im Safe. Dass dies hier so gehandhabt wird, um Wertsachen zu sichern, habe ich auch erst vor Kurzem gelernt. In meinem Zimmer habe ich dazu nämlich keine Möglichkeit.
Am späteren Abend setzt starker Regen ein und es gewittert. Das zieht diverse mottenartige Tiere (so groß wie Libellen) trotz geschlossener Fenster und Türen in mein Zimmer. Sie schaffen es sogar unter mein Moskitonetz, wo ich einen kleinen Kampf mit ihnen führe, um sie wieder loszuwerden.