Veröffentlicht: 05.05.2021
Die Zeit fliegt und schon wieder ist es Sonntag und damit Zeit für den Kirchgang. Dieses Mal bin ich zum Gottesdienst in der Kirche in Masule (im Tal von Kilembe) eingeladen, in die Ndumbuko früher mit seiner Familie gegangen ist. Das war bevor der Nyamwamba Fluss im letzten Jahr sein zu Hause zerstört hat.
Heute begleiten mich neben Bwambale auch Ndumbuko und seine Frau Semerita, Baluku ist wieder unser Fahrer.
Ndumbuko hat unser Gespräch über Nachnamen gestern noch sehr beschäftigt (vgl. meinen Blogbeitrag von Tag 12) und so kommen mir wieder auf das Thema Ehe und Partnerschaft in Uganda zu sprechen.
Ich frage meine beiden Kollegen, wo eigentlich ihre Eheringe sind. Ndumbuko hat seinen verloren und Bwambales ist zerbrochen und er hat ihn nie ersetzt. Ja, schon klar…. Die beiden grinsen verschmitzt (oder vielleicht auch „schlumpfig“ – mir gefällt diese neue Wortschöpfung, die einer unserer Politiker für das Grinsen eines Kollegen erfunden hat, sehr gut 😊).
Semerita deutet auf den Ehering an ihrer linken Hand und meint, dass sie diesen selbstverständlich trägt. In Uganda werden die Eheringe von beiden Partnern am linken Ringfinger getragen (zumindest bei den Christen). Ndumbuko erzählt, dass das Muster auf dem Kleid seiner Frau außerdem darauf hinweist, dass sie verheiratet ist. Er erklärt weiter, dass dieser Brauch auch für verheiratete Männer gilt. Aha, erwidere ich daraufhin – dann sollten Bwambale und er wenigstens beide diese Hemden tragen, wenn sie schon keine Eheringe mehr haben. Semerita ist ganz bei mir und meint, dass ich ihrem Mann ruhig die Meinung sagen soll.
Wir kommen auch nochmals auf das Thema Polygamie zu sprechen, die hier in Uganda über alle Religionen hinweg noch Gang und Gäbe ist, wenn sie auch nicht mehr so häufig vorkommt, wie noch in früheren Zeiten. So sind meine Kollegen von RWECO-VIDE alle mit nur eine Frau verheiratet. Meine Kollegen erklären dazu, dass es früher so war, dass die erste Frau häufig ihren Mann sogar darum gebeten habe, nochmals zu heiraten, um auf diese Weise eine Hilfe im Haushalt zu bekommen. Zehn Kinder und mehr und damit quasi eine ständige Schwangerschaft, dazu der Haushalt, die Erziehung und Beaufsichtigung der Kinder, waren vor noch gar nicht allzu langer Zeit für Frauen in Uganda an der Tagesordnung.
Ich kann diese Erklärung zwar nachvollziehen, sage aber auch, dass die erste Frau ja gar keine andere Möglichkeit hätte, als sich in ihr Schicksal zu fügen; eine Scheidung wäre für sie in diesem Fall keine Option, weil sie alles verlieren würde. Gütertrennung, wie wir sie aus Deutschland kennen, gibt es nicht, weil man in Uganda davon ausgeht, dass die Frau ja wieder heiraten kann und damit versorgt ist. Blöd nur, wenn sie keinen Mann mehr findet. Die gemeinsamen Kinder bleiben im Falle einer Scheidung beim Mann. Die Frau darf sie weiterhin sehen, das ist sogar gesetzlich geregelt. Sind die beiden Partner allerdings im Streit auseinandergegangen und der Mann weigert sich, dass seine Frau die Kinder sehen darf, müsste sie dies vor Gericht einklagen, was wiederum Geld kostet und deshalb keine Möglichkeit darstellt. Meine Kollegen stimmen mir zu, dass die Frauen in diesem System sehr schlecht geschützt sind.
So vergeht die Dreiviertelstunde Autofahrt sehr schnell. Dann geht es nochmal 20 Minuten weiter zu Fuß. Um zur Kirche zu gelangen, müssen wir das Flussbett des Nyamwamba überqueren. Nachdem die Brücke bei der Überschwemmung im letzten Jahr zerstört wurde, führt unser Weg über provisorisch verlegte Planken.
Da der erste Gottesdienst noch nicht vorbei ist, warten einige Kirchgänger bereits vor der Kirche. Der Gottesdienst wird, wie in der letzten Woche auch, zwei Stunden dauern. Bereits vor dem Start des Gottesdienstes spielt der Keyboarder im vorderen Bereich diverse fröhliche Kirchenlieder und die Kinder tanzen dazu. Der Gottesdienst vergeht mit viel Gesang und Musik wie im Flug. Es ist eine fröhliche Angelegenheit und ich bin überzeugt davon, dass auch unsere Kirchen wieder mehr Zulauf hätten, wenn die Gottesdienste bunter gestaltet würden. Am Ende des Gottesdienstes gibt es noch etwas ganz Besonderes, was ich so noch nie in einer Kirche erlebt habe und großartig finde: Die Kirchgänger, die größtenteils Bauern aus der Umgebung sind, haben Obst und Gemüse in Körben und Taschen von ihren Feldern mitgebracht. Ein Auktionator versteigert die Ernteerträge an die Meistbietenden. So können sie ein wenig Geld verdienen. Auch Bwambale beteiligt sich und ersteigert eine Tüte Bananen für uns.
Vor der Kirche treffen wir auf eine gute Bekannte von Ndumbuko und Semerita. Sie ist Kräuterfrau und eine angesehene Hebamme in der Region.
Dann beginnen wir mit dem Aufstieg zum Grundstück auf dem das erste Guesthouse für Touristen von RWECO-VIDE entstehen soll. Und ich kann Euch sagen, „schweißgebadet“ hat heute eine ganz neue Dimension für mich bekommen. Unser Weg beginnt ganz „harmlos“ durch eine Plantage aus Kaffeebäumen und Bananenstauden. Meine Kollegen haben mir geraten mich warm anzuziehen, da es kühl werden könnte. Allerdings hatte ich bei diesem Rat nicht bedacht, dass das was sie als „kühl“ empfinden für mich, die aus dem langen Winter in Deutschland kommt, immer noch sehr warm ist. Ein Trampelpfad führt steil über Stock und Stein immer höher und ich fühle mich als würde ich eine Step-Aerobic Stunde in der Sauna absolvieren. Meine Kollegen sind alle in dieser Region aufgewachsen und sind es gewöhnt täglich die Berge zu erklimmen. Entsprechend ist die Geschwindigkeit, mit der sie den Berg hochsteigen. Wir haben Mittagszeit – 28 Grad, 70% Luftfeuchtigkeit - meine Jeans klebt an mir und mein Haar ist nass wie nach einer Dusche.
Als ich glaube, dass mein Herz jeden Moment aus dem Hals springen wird, kommen wir nach 1 ½ Stunden Aufstieg endlich beim Grundstück an (ohne mich hätten sie es wahrscheinlich in der Hälfte der Zeit geschafft…). Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Rwenzori Berge hinunter ins Tal auf den Nyamwamba Fluss bis nach Kasese. Ich kann mir vorstellen, dass dies einmal ein wunderbarer, erholsamer Ort für die zukünftigen Gäste werden wird.
Allerdings interessiert mich, wie Gäste und Waren zukünftig hier hochkommen sollen. Für die Waren und das Gepäck der Gäste wird es Träger geben. Und die Gäste selbst werden den Trampelpfad erklimmen, den ich gerade kennenlernen durfte. Ich meine, dass das dann eher etwas für jüngere Touristen wäre, da die älteren, wenn sie nicht sehr trainiert sind, an diesem Aufstieg scheitern würden. Meine Kollegen erwidern darauf, dass sie aber schon viele ältere Touristen in den Rwenzori Bergen beim Wandern gesehen hätten. Aber wer weiß schon, was älter heißt. Über das Thema Zielgruppe werden wir uns nochmal gemeinsam Gedanken machen müssen.
Ich frage weiter, ob es denn in dieser Gegend Seilbahnen oder Sessellifte gäbe und zeige ihnen ein paar Fotos auf Google. Klar, es wäre schade eine so schöne, weitgehend unberührte Natur, auf diese Weise zu verschandeln. Aber so ein kleiner Sessellift, der sich in die Natur einfügt, könnte schon eine Idee sein. Allerdings zum jetzigen Zeitpunkt völlig utopisch, da die finanziellen Möglichkeiten von RWECO-VIDE ganz weit davon entfernt sind. Bwambale zeigt mir später noch den Sessellift, den es tatsächlich gab und der durch Kilembe Mining betrieben wurde. Die kanadische Firma hat das Tal aber schon vor Jahren verlassen und der Lift ist lange außer Betrieb; auch ist die Talstation bei der Überschwemmung im letzten Jahr vollständig zerstört worden, nur die Masten mit den Sesseln stehen noch.
Ndumbuko möchte mir noch die Gräber seiner Eltern zeigen und auch, wo er aufgewachsen ist. Das Grundstück grenzt direkt an das Land des Guesthouses an. Seitdem seine Eltern verstorben sind, stehen die Wohnräume (es sind mehrere kleine Häuser) leer. Falls der Betrieb mit dem Guesthouse gut anläuft, kann er sich vorstellen, das Grundstück an RWECO-Vide zu verkaufen, was die Möglichkeit bietet, das Projekt irgendwann zu vergrößern.
Bei den Gräbern angekommen, fällt mir auf, dass die Großmutter von Ndumbuko 103 Jahre alt geworden ist. Vielleicht war es also doch kein Märchen, dass mir Collegedirektor Ludwig erzählt hat, als er meinte, dass seine Großmutter 140 Jahre alt geworden ist. Später erfahre ich von Ndumbuko, dass ich die erste Besucherin bin, die er zum Grab seiner Eltern mitgenommen hat. Ich fühle mich geehrt!
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, unter welchen Bedingungen die Menschen hier Landwirtschaft betreiben. Auch hier ist es so, dass der Hang mit etwa 70% Gefälle steil abfällt. Dass da keine Maschinen eingesetzt werden können, ist klar. Jeder stärkere Regen kann gefährlich werden und es kommt auch regelmäßig zu Erdrutschen. Ganz zu schweigen von der Mühsal dieses Land zu bestellen. Ich zeige meinen Kollegen Bilder von den Reisterrassen auf Bali. Die klimatischen Bedingungen sowie die Landschaft haben eine gewisse Ähnlichkeit und ich frage mich, warum sie hier nicht auch schon längst auf Terrassenanbau umgestiegen sind. Auch auf Bali erfolgt der Reisanbau manuell und ist mühselig, aber durch die Terrassen sind die Pflanzen besser geschützt und die Bearbeitung erscheint mir trotz allem einfacher als an Ugandas Steilhängen.
Bwambale gibt mir dann noch eine kleine Vorstellung davon, wie einfach er den Hang rauf und runter rennen kann. Ich hätte mir dabei alle Knochen gebrochen. Für meine Kollegen ist das aber tatsächlich nichts Besonderes. Sie sind alle in normalen Straßenschuhen unterwegs, Semerita sogar in Flip Flops.
Auf dem Rückweg machen wir Halt bei dem Bauunternehmer, der auch für den Bau des Guesthouses in Frage kommt (wobei der Bau ausgeschrieben werden wird). In seinem Wohnzimmer steht ein Radio-Kassetten Rekorder und es gibt auch Licht. Beides wird über ein Solarpanel betrieben. Dann fällt mein Blick auf ein Poster, das Queen Elisabeth zusammen mit dem König der hiesigen Region, König Mumbere zeigt. Er ist König des Königreichs Rwenzuru. Er wird von den Menschen hier sehr geschätzt und ist als kultureller Führer anerkannt. Allerdings sitzt er bereits seit 2016 im Gefängnis und wartet seitdem auf seinen Prozess.
Obwohl Uganda eine Republik ist, die seit 1986 von Präsident Yoweri Museveni regiert wird, spielen die ehemaligen Königreiche (Fürstentümer) noch immer eine wichtige Rolle für Ugandas Bevölkerung.
Auch bei einem Onkel von Bwambale schauen wir auf dem Weg ins Tal vorbei. Bwambale Youssouf Joeph ist mit seinen rund 75 Jahren ein wenig gebrechlich geworden, weshalb er sich nur noch wenig vom Haus entfernt. Er hütet gerade sein Enkelkind als wir bei ihm ankommen. Dass ältere Menschen irgendwann nur noch zuhause bleiben und von ihrer Familie versorgt werden, ist üblich und notwendig, denn irgendwann ist es auch den geübtesten Bergbewohnern nicht mehr möglich, die Berge hoch- und runterzukraxeln.
Bevor wir im Tal ankommen, begegnen wir noch zwei Jungen mit ihren Hunden. Es ist das erste Mal, dass ich hier Hunde sehe. Es gibt weder in Kasese noch hier auf dem Land, streunende Katzen oder Straßenhunde. Vor meiner Reise nach Uganda habe ich mich extra noch gegen Tollwut impfen lassen, weil dazu, insbesondere für Reisen in ländliche Gebiete, geraten wird. Nun ja, umsonst war es nicht, denn auch in Deutschland kommt ja Tollwut vor und in Kampala, der Hauptstadt, sieht es wohl auch anders aus mit Straßenhunden.
Als wir das Tal und das Dorf Kilembe erreichen, herrscht dort eine fröhliche Stimmung. Die Menschen genießen den freien Sonntag. An einer Ecke wird gerade „Ringe werfen“ gespielt. Ich will unbedingt einmal frisches Zuckerrohr probieren, dass die Kinder hier als Süßigkeit essen. Deshalb kaufen wir an einem Stand Zuckerrohrstangen (1000 UGX pro Stange, rund 25 Cent). Die Hälfte meiner Zuckerrohrstange verschenke ich später an ein paar Mädchen, die sich über die Begegnung mit einer Mzungu (einer Weißen) freuen.
Der Hoteldirektor muss grinsen als er sieht, was ich heute schon wieder anschleppe. Der Koch kümmert sich bereitwillig um die Zubereitung. Das Zuckerrohr wird geschält und in kleine Stücke geschnitten. Diese Stücke kaut man bis die Süße raus ist und nur noch die Fasern übrig sind. Sehr lecker!