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Montag, der 13.

Veröffentlicht: 21.09.2021

Kann mir mal jemand erklären, wie man einen ganz normalen, stinklangweiligen Urlaub verbringt? Ich bin für jeden Hinweis dankbar!

Aber beginnen wir von vorn:

Die Entdeckungsreise durch die Baronnies provençal führt uns am Montagvormittag zufällig durch Tulette. Ein kleiner Wochenmarkt ist aufgebaut und ich würde gern unseren Gemüsevorrat auffrischen.

Ein Parkplatz ist in kleinen Orten an Markttagen nie schnell gefunden, aber wir haben Glück. So schlendern wir an den Ständen vorbei und erwerben Grünzeug aller Art, eine zuckersüße Melone aus Cavaillon und eine saftige Grapefruit, woher auch immer.

Traditionell gibt es im Anschluß noch einen Café au lait und so langsam merke ich, dass ich mich nach zwei Wochen der Reise entspanne und im Urlaub ankomme.

Markt in Tulette

Nach etwa zwei Stunden kommen wir zu unserem Camper zurück und die Gelassenheit verfliegt schlagartig!

Auf den ersten Blick denken wir, jemand hat den Twingo geknackt und uns ausgeraubt und dazu die Heckscheibe zertrümmert. Auf den zweiten Blick offenbart sich aber das ganze Ausmaß: die Stoßstange ist auf der linken Seite völlig zerfleddert, rote und gelbe Splitter der linken Lichtanlage mischen sich mit den Glassplittern der Heckscheibe überall auf dem schwarzen, heißen Asphalt, die wie versprengte Wassertropfen in der Mittagssonne glitzern. Unter dem Lack der geborstenen C-Säule schaut das blanke, geschundene Metall hervor. Mit welcher Wucht muss der provençalische Stier durch die Straßen gehetzt sein?

Incroyable!

Wir sind starr vor Schock, der Anblick ist unbeschreiblich, es ist unfassbar! Vom Verursacher des Unglaublichen keine Spur!

In dem Haus direkt neben unserem Parkplatz hämmert es und ich gehe in meiner Verzweiflung auf die Baustelle. Monsieur Chantier ist sofort bereit, mir zur Seite zu stehen. Er hat den monströsen Rumms gehört und ist nachschauen gegangen, doch Monsieur Karambolage war schon am wegfahren. In dem Moment entdeckt Zappa den Zettel mit Namen und Telefonnummer des Schuldigen und Monsieur Chantier ruft sofort dort an. Erreicht aber nur den Anrufbeantworter und droht mit der Gendarmerie, sollte Monsieur Karambolage sich nicht melden.

Terrible!

Nach ein paar Minuten Wartezeit ruft er noch einmal an, mit dem gleichen Ergebnis. Also beschließen wir, die Gendarmerie zu informieren, bekommen hier jedoch die Auskunft, dass die Kollegen ohne Personenschaden in Frankreich nicht zum Unfallort ausrücken.

Alors, Monsieur Chantier hat jetzt Mittag, schließlich hat es gerade Midi geläutet. Er fährt zum Essen, kommt aber um 14:00 Uhr wieder und wird Monsieur Karambolage zur gleichen Zeit dazubestellen.

Monsieur Chantier ist ein großer, kräftiger und fröhlicher Mann, er strahlt jede Menge Optimismus aus und rät uns, erst mal was essen zu gehen und ein Bier zu trinken, tout va bien!

Ich kann nichts essen und fülle schon mal das französische Unfallprotokoll aus, das er mir dagelassen hat. Zappa zertrümmert derweil mit Inbrunst die opulenten Reste der Heckscheibe, dass sie nur so durch die Gasse fliegen. Es ist horrible, terrible, incroyable!

Die Reste der Heckscheibe werden akribisch entfernt

Mein Anruf beim ADAC ermutigt noch weniger, sollte der Schaden den Wert des Fahrzeugs übersteigen, wird der Twingo nicht nach Hause gebracht, sondern in Frankreich verschrottet! 

Nein, er ist doch noch so jung! Er hat doch noch sein ganzes Camperleben vor sich! Das hat er nicht verdient!

Heißt das, die Reise ist hier und jetzt zu Ende, fahren wir mit einem ADAC-Mietwagen nach Hause und die ganze Erholung landet in der Schrottpresse?

Um 14:30 trudeln Monsieur Chantier und auch Monsieur Karambolage am Ort des Geschehens ein. Mr Chantier schimpft donnernd mit dem Unfallverursacher, er hätte uns Deutschen den Urlaub versaut und wieso er mit einem Affentempo rückwärts die Straße bergauf gerast ist und weshalb er nicht geguckt hat und und und.

Monsieur ist ein kleines, schüchternes Männlein, ganz aufgeregt und nun noch verunsicherter. Er füllt brav das Unfallprotokoll aus, entschuldigt sich tausend Mal, er musste doch zum Arzt, fegt mit Zappa noch die Scherben zusammen und ist bald verschwunden.

Mr Chantier hat einen Besen für uns

Die stark verbogene Stoßstange und der eingedrückte Radkasten bedürfen einer sofortigen Vor-Ort-Reparatur, sonst ist an keine Weiterfahrt zu denken. Doch wer hat schon einen ganzen Werkzeugkasten mit Brechstange im Twingo?

Da muss der stählerne Haken des Abschleppseils herhalten!

In den klaffenenden Schlitz der zerknautschten Stoßstange geklemmt und mit vereinten Kräften am Seil gezogen, rücken sich ein Teil der Falten gerade und das linke hintere Rad kann sich wieder frei drehen.

SuperU-Staubsauger

Nun verabschieden wir uns auch von Monsieur Chantier. Nein, wir wollen in keine Renault-Werkstatt, diese Reparatur dauert mindestens eine Woche. Wir erinnern uns an den letzten Spanien-Aufenthalt, auch wenn der große Mann meint, hier in Frankreich geht das schneller, das ist schließlich nicht espagne!

Meine Versicherung rät ebenfalls von einer Werkstatt vor Ort ab, da ich mich dann selbst mit der französischen Versicherung nach Landesrecht auseinandersetzen muss, so sagt jedenfalls mein Ansprechpartner.

Bei einer Reparatur in Deutschland kümmert sich eine speziell für die französische beauftragte deutsche Versicherung um die Schadenregulierung.

Beim Brico gibts eine Plane...

Der Twingo fährt, wir besorgen Lämpchen für Blink- und Bremslicht, Zappa saugt am SuperU-Aspirateur sämtliche spitzen Glassplitter aus unserem Bett und zerschneidet sich dabei Hände und Füße, Mr Bricolage hat eine grün-blaue Plane für uns, die in die offene Heckklappe geklemmt wird und jetzt hoffen wir, dass der Regen morgen nicht so schlimm wird wie vorhergesagt.

...die uns nun vor dem Wetter schützt!


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