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Freibeuter der Snoepjes

Veröffentlicht: 28.02.2025

Dienstag-Mittag im Februar an der holländischen Nordseeküste.Verzweifelt starren wir auf die Vorhersagen für die nächsten Tage.

Gerade sind wir völlig durchnässt vom Spaziergang an der Scheldemündung zurückgekehrt, auf der wir die dicken Schiffe auf dem Weg in und aus dem Hafen von Antwerpen ehrfürchtig bestaunen. Der schneidende Ostwind zwickt uns in die Wangen und macht Kopfschmerzen, dicke Regenwolken drehen sich über unseren Köpfen und weichen uns pitsche-patsche-pudelnass durch bis auf die Knochen.

Kabelzieher Living Stone
Der angedrohte Kaltlufttropfen hat sich zu einer voluminösen, flächendeckenden Bubble gemausert, Frankreich längst den Rücken gekehrt und wird laut Wetterradar in den nächsten Tagen über der Nordseeküste kreisende Bahnen ziehen. Regen, Schnee und Kälte im Gepäck. Weit und breit keine einzige Sonnenstunde in Sicht. 
Kaltlufttropfenwirbel

Der Wohnwagen will sich im eisigen Ostwind überhaupt nicht mehr erwärmen und den Rotwein muss ich im Maxol Monte Carlo 3000, dem göttlichen Backofen temperieren. 

Weintemperierung
Nachdem im Morgengrauen der Kangoo bei der Abfahrt von unserem Platz am Kartoffelacker erst mal in der Pampe einsinkt, uns der Madder um die Ohren fliegt und an den Fensterscheiben kleben bleibt, wir den Wohnwagen also in eisigen Sturmböen abkoppeln, um ihn quer auf die Straße zu schieben, dann aber sehr schnell wieder zurück in die Matsche, weil der Milchbomber in rasender Geschwindigkeit um die Kurve braust, wir dann den Caravan wieder auf das Sträßchen zurück bugsieren, den Kangoo aus dem Sumpf schaukeln und von oben bis unten eingeschmaddert den Mistral wieder anhängen - war das für mich schon wieder ausreichend Aufregung für den Tag.
An der Schelde
Danach informieren wir uns darüber, dass es in diesem Land nicht einmal erlaubt ist, zur Herstellung der Fahrtüchtigkeit im Auto zu übernachten und Selbiges mit 500€ Buße geahndet wird. Oder schlimmer: mit Parkkrallen, die erst nach Ablasszahlung gelöst werden - wie uns berichtet wird. 
VER-BO-DEN!
Weder Aussicht auf gutes Wetter noch auf romantische Schlafplätze und beim Aldi werde ich gerügt, dass ich mit roten Centstücken bezahlen will. Irgendwas wie "Kleinvieh macht nur Mist, kannste behalten" meine ich aus dem unfreundlichen Holländisch herauszuhören. 
Zwei-Cent-Abrundung
Desgleichen, wenn auch etwas netter, wenig später an einer belgischen Kasse. Danach erläutert mir das Internet, dass Ein- und Zweicentmünzen in Finnland, Irland, Italien und eben Holland und Belgien schon vor einiger Zeit abgeschafft wurden. Man rundet an der Kasse einfach auf oder ab. Da kann ich ja lange versuchen, das halbe Kilo rotes Geld aus der Seniorenkaffeekasse loszuwerden.
Richtung Antwerpen

Überhaupt die Supermarktshoppingerlebnisse! 
Zur Erkundung der landesspezifischen kulinarischen Höhepunkte kehren wir in die ansässigen Discounter ein. 

Ich mache mich zielgerichtet auf den Weg zum Käseregal und während ich konzentriert die Sorten Gouda, Edamer, Maasdamer und Geitenkaas in den Reifegraden jong, belegen und oud verifiziere und dabei ein wenig die 365 Sorten französischer Fromageabteilungen vermisse, merke ich, dass mir der Held abhanden gekommen ist.

Kaas

Ohnein – ohnein – ohnein! Wo ist er denn nur abgeblieben? 
Verzweifelt streife ich durch unendliche Regalreihen, hoch wie die Leuchttürme der rauen Küste. Ich laufe durch die Gänge, vollgestopft mit bunten Dingen des täglichen Bedarfs. Ich durchkämme den kompletten Supermarkt, nirgends eine Spur von meinem Begleiter! Muss ich jetzt einsam und verlassen auf dem Parkplatz ausharren, mich mit tuinkruiden und kumijn gewürztem Kaas spärlich trösten, um eines Tages, auf Grund der immens erhöhten Kalorienzufuhr nicht mehr durch die Wohnwagentür ins Freie zu gelangen? 

Dass sich die Schlüssel zum mobilen Heim in meiner Tasche befinden, ist nur ein winziger Trost.

Ohnein – ohnein – ohnein!
Brod en kaas
In meiner größten Verzweiflung entdecke ich meinen strahlenden Helden vor einer meterhohen Wand mit Snoepjes, schwankend unter einer Last von Unmengen Packungen Koekjes, Frangipanes, Kaneels, Koeken, Ontbijkoek, Hagel, Hagel, Hagel und bunte engelse Drops! Wie im Rausch lädt er sich mit Süßkram voll und kann schon nicht mehr über den Berg in seinen Armen schauen, um den Weg zu mir zurück zu finden. 


Im Nachhinein behauptet er, dass seine holländischen Gene verrückt gespielt und ihn gnadenlos und ohne sein Zutun zielstrebigst in die Süßwarenabteilung gezogen haben, wo er wehrlos den Rufen seiner Urväter folgen und sich für die harte Zeit auf schwerer See eindecken musste. Oder so ungefähr…

Snoepjes
Deshalb nehme ich ihn bei der Durchquerung belgischer Gourmettempel fest an die Hand, wodurch die Siesta-Mahlzeit in einem kargen Mahl aus recht trockenem Kastenbrot mit jungem Schnittkäse aus Brugge endet.
An der Schelde

Nach all diesen dramatischen, packenden, spannungsgeladenen und nervenaufreibenden Erlebnissen, zeigt der Held auf ein Wolkenloch in der Wetterkarte. Da fahren wir jetzt hin. Hätten wir gleich machen sollen!

Auf gehts nach Calais. 

 

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