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Montevideo, Stadt ohne Eigenschaften

Veröffentlicht: 24.04.2022

Städtemarketing gehörte zu den unsinnigsten Begleiterscheinungen des modernen Massentourismus. Die Idee dahinter war, Orten und Regionen ein positives Image zu verpassen. Bekanntestes Beispiel für die Blödsinnigkeit, die oftmals damit einherging, war Sachsen-Anhalt: "Willkommen im Land der Frühaufsteher!"

Mit Montevideo verhielt es sich hingegen umgekehrt. Eine Kampagne zur Belebung des brachliegenden Images der urugayanischen Hauptstadt wäre mehr als angebracht.

Sicherlich war mein Eindruck von Montevideo mehr als oberflächlich, denn ich hatte nur einen Tag Zeit für eine Stadtbesichtigung. Doch auch mein Reiseführer, einige Onlinerecherchen sowie mein allgemeines Interesse an Lateinamerika forderten nichts zu Tage, das Montevideo in meinen Augen besonders erscheinen ließ.

Mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern bei einer Gesamtbevölkerung von 3,5 Millionen Urugayanern war Montevideo das urbane Zentrum des Landes schlechthin. Hier gab es eine koloniale Altstadt, ein großes Kunstmuseum, ein Hafenviertel, Stadtstrände, repräsentative Regierungsbauten und damit war Montevideo auch schon auserzählt.

Es fehlte die Aura, das Narrativ, der schöne Name allein reichte nicht. Auch der Wohlstand und europäische Standards verfingen nicht, wenn es darum ging, Begeisterung zu entfachen.

Kulturwissenschaftler und Historiker waren gefordert, um das Besondere dieser Stadt herauszukitzeln. Da waren zum Beispiel die Vielzahl an Reiterdenkmälern, ich zählte allein fünf!! Männer, hoch zu Ross, mit erhabenem Gestus. Gleichzeitig patrollierte berittene Polizei auf den Straßen. Man muss kein Genie sein, um die Bedeutung des Pferdes für die Kultur der Gauchos (südamerikanische Cowboys) herauszustellen. Warum nicht ein neues Denkmal für das Pferd, ohne Reiter!!

 In diesem Zusammenhang sei auf den überdurchschnittlichen Reichtum des Landes verwiesen, der ebenso wie in Argentinien mit der Viehzucht um die vorletzte Jahrhundertwende zusammenhing. Rinderbarone und europäische Siedler sorgten für eine Ausnahmeentwicklung in Lateinamerika. Möglich war dieser rasante Erfolg durch zwei technische Voraussetzungen: Kühllagerung zu Schiff und die  Erfindung des Brühwürfels.

1880 entwickelte das britische Unternehmen "Liebig's Extract of Meat Company" das Verfahren zur industriellen Haltbarmachung von Fleischextrakt. Hauptsitz war Uruguay und heute erinnerte ein kaum bekanntes Denkmal an Uruguays wichtigsten Beitrag zur Moderne. Auch diese Story war nur als Randnotiz im Reiseführer vermerkt.

Bei all diesen vernachlässigten Geschichten um Uruguay gewann das Land zuletzt durch die umfangreiche Liberalisierung von Marihuana an Bekanntheit. Wenigsten ein Alleinstellungsmerkmal, das Besucher anlockte und Uruguay ein Image verlieh.

Neben der erfolgreichen Fußball-Historie des Landes musste ich kurz vor meinem Abflug noch an die urugayanische Rugby-Mannschaft von 1972 denken. Deren Flugzeugabsturz in den Anden machte weltweit Schlagzeilen und wurde auch erfolgreich verfilmt. Nach 72 Tagen konnten noch 16 der 45 Uruguayaner lebend geborgen werde.

Freitagmorgen machte ich es mir dann im Flieger auf meinem Fensterplatz gemütlich, mit Kurs auf Panama zum Umstieg nach Bogotà, über die Anden.


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Uruguay
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