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Farmleben in Argentinien

Veröffentlicht: 26.01.2019

Ohne viele Informationen über die Finca von Jan und seiner argentinischen Mutter Sonia zu besitzen, kommen wir in San Jose an. Die beiden sind vor drei Monaten aus Deutschland ausgewandert und haben sich einen halben Hektar Land gekauft auf dem ein renovierungsbedürftiges kleines Haus steht. Von der Hauptstraße läuft man einen Sandweg ca. 1 km hinunter bevor man die Finca erreicht. Die Umgebung und das Land sind wunderschön: außen herum erheben sich die Anden, es ist totenstill und sehr grün, nachts leuchten die Sterne und die Glühwürmchen um die Wette. Das Haus dagegen ist noch sehr rustikal und man sollte nicht zimperlich sein, da es weder ein Dach besitzt noch eine Tür für die Toilette, sodass jeder einen sehen kann und man soll immer ankündigen wenn man groß muss oder duschen will. Wir sind zufrieden, als wir hören, dass es Wlan gibt. Die Verbindung nach Außen bekommt der Router über einen langen Eisenstab der 10m aus dem Haus ragt, an dessen Spitze eine Modem befestigt ist. Gekocht wird entweder auf einer Feuerstelle im Garten oder auf einer mobilen Herdplatte, die auf einer umgedrehten Mülltonne liegt. Zu Sonias und Jans großem Pech wurden ihnen die wenigen Dinge, die sie besaßen, von Einbrechern geklaut als sie über Weihnachten verreist waren. Diese nahmen alles mit was nicht nagelfest war, sogar Töpfe und das Geschirr. Wir haben noch einen extra Topf dabei. Tagsüber kommen immer zwei Bauarbeiter, deren entspannte Mentalität aber nicht unbedingt für einen raschen Fortschritt der Arbeiten am Haus sorgt. Auf dem Land baut Jan Mais, Kürbis, Kartoffeln, Tomaten, Sonnenblumen, Erdnüsse, Bohnen, Wassermelonen, Zucchini und Alfalfa (Tierfutter) an. Es gibt sehr viele Feigen- und Pfirsichbäume, die schwer an der Last ihrer Früchte zu tragen haben, weshalb auch immer wieder Äste abbrechen, sehr zum Leidwesen von Jan, der bei jeder Gelegenheit flucht. 

Eine Woche bleiben wir auf der Farm von den beiden und helfen bei unterschiedlichen Tätigkeiten mit. Wir entfernen Unkraut auf dem Maisfeld, gießen die Pflanzen und bauen den Pfirischbäumen Stützen. Wir lernen, wie man Ziegelsteine ganz einfach und günstig herstellen kann: dafür mischt man dunkle und festere Erde mit heller und sandigerer Erde, gibt Wasser und kleingeschnittenes Stroh dazu und verrührt das Ganze. Aus dem Matsch formt man Ziegelsteine und lässt sie in der Sonne trocknen: fertig sind die Adobe-Steine, die von einigen Nachbarn tatsächlich in ihren Hütten aus Lehm verbaut werden. Wir stellen einige Ziegel selbst her, um Bobby dem Hund eine Hundehütte zu bauen. Leider reicht die Zeit nicht aus, um das Projekt fertigzustellen. Das Haus besitzt einen Wasseranschluss und das Wasser kann man, Gott sei Dank, trinken. Um den Acker zu fluten muss jedoch extra Wasser gekauft werden, dass über schmale Kanäle, die sich über die Nachbarfelder bis hin zum eigenen Acker erstrecken. Während unserer Zeit kauft Jan zweimal Wasser und für vier Stunden fließt dieses auf die Felder. Wir kontrollieren die Kanäle, damit nichts verloren geht und schaufeln Staudämme, um das Wasser umzuleiten. Dabei steht man knietief im Wasser. Auch legen wir neue Beete im Garten an: dafür graben wir die Erde um, entfernen Gras und Unkraut, umzäunen und wässern die Erde und am nächsten Tag pflanzen wir die unterschiedlichsten Samen. Wir sind gespannt, ob etwas wachsen wird. Miriam putzt Bobby mit Seife und Essig, um ihn von seinen Flöhen zu befreien. Wir helfen Sonia beim Kochen und es gibt immer sehr leckeres Essen, wie zum Beispiel selbstgemachte Pesto oder selbstgebackenes Olivenbrot und gemeinsam fahren wir nach Santa Maria zum Einkaufen und anderweitigen Erledigungen. Miriam hat die wichtige Aufgabe bekommen vor dem Supermarkt mit Clio, dem Chihuahua von Sonia, zu warten. Dieser sitzt in einer Handtasche und zittert solange unruhig bis Sonia wieder zurück ist. Wir wohnen in unserem Zelt, welches wir in einen Schattenplatz zwischen die Beete gequetscht haben. Jedoch wird es ab 8 Uhr so heiß, dass wir nie länger schlafen können und meistens vor Sonia und Jan wach sind. Für unsere Hängematte finden wir einen schönen Schattenplatz und sie wird zu unserem Rückzugsort. 

Gerade ist Sommer in Südamerika, wo es ein wenig mehr regnen sollte. Der Regen ist kein Monsunregen, dafür sind wir zu weit weg vom Äquator, dieser äußert sich stattdessen mit schwüler Hitze und vielen Gewittern. Eines Nachts, morgens um 5 Uhr, werden wir von einem heftigen Donner geweckt. Ein Blitzt nach dem anderen fährt im Abstand von wenigen Sekunden vom Himmel hinunter und in unserem Zelt ist es hell. Die Erde bebt und wir kauern uns zusammen. Plötzlich gibt es einen lauten Knall und ein Blitz fährt in die Antenne im Haus ein, so dass diese durchbrennt und die Antenne und den Router zerstört. Wir zucken zusammen und bangen darum, dass es endlich aufhört. Am nächsten Morgen weckt uns wieder die Sonne und es ist als wäre alles ein schlechter Traum gewesen, nur der Internetzugang ist verloren.

Jan zeigt uns das Umland und wir sehen ein breites ausgetrocknetes Flussbett und die Felder seiner Nachbarn. Wir ziehen zu dritt los auf eine etwas größere Wanderung. Diesmal ist der Fluss nach dem Gewitter mit Wasser gefüllt, so dass wir unsere Wanderschuhe ausziehen müssen, um ihn zu durchwaten. Familien spielen mit ihren Kindern und Hunden im Wasser während sie Musik hören. Wir besuchen einen kleinen Kiosk, laufen durch kleine Dörfer, die nur aus einer Straße bestehen, sehen Kakteen und die Anden werden immer größer. Es wird immer schwieriger Schatten zu finden und die Hitze macht uns zu schaffen, sodass wir irgendwann unter einem verdörrten Baum Schatten suchen. An einem Abend besuchen wir ein kleines Festival in San Jose und teilen uns dort zu dritt einen Wein.

Zeitsprung an den Anfang: An unserem ersten Abend auf der Farm kommen einige Bekannte von Sonia und Jan vorbei und wir trinken Wein und Bier für das wir zusammenlegen. Das Wochenende besteht bei den Arbeitern aus trinken von Freitag bis Sonntag, auf Schlaf wird dank Kokain verzichtet. Als wir am nächsten Tag mit Jan zum Kiosk unterwegs sind, treffen wir zufällig Diego vom Vorabend, der mit seinem Auto, in dem ein tätowierter Kumpel mitfährt, an der Straße hält. Sie sind weiter am saufen und haben anscheinend nicht geschlafen. Sie überreden uns in ihr Auto zu steigen, weil sie uns zu Asado (verschiedenes gegrilltes Fleisch) einladen wollen. Doch statt zu seinem Haus zu fahren, biegt Diego plötzlich in einen Sandweg ab und fährt Richtung Wüste. Dann verlässt er auch noch den Sandweg und fährt querfeld ein. Wir drei auf der Rückbank haben alle den gleichen Gedanken und uns wird ein wenig mulmig. Das Auto rattert über die Wüste, immer wieder kracht es wenn der Boden des Autos auf einem Stein aufsetzt. Dann hält Diego mitten im Nirgendwo an. Als wir aus dem Auto steigen und sich der Kumpel von Diego einen Joint anzündet ist die Sache klar: der Zustand, in dem sich beide befinden, ist für uns nicht gefährlich. Und eigentlich wollen sie uns nur die Umgebung zeigen, die tatsächlich wunderschön ist und ein wenig an Breaking Bad erinnert. Fürs Asado essen fehlt ihnen leider das Geld, wie sie uns nun mitteilen. Wir fahren zurück als sie den Joint fertig geraucht haben und der gruselige Kumpel von Diego sagt immer noch kein Wort. Wieder kracht es wenn Steine gegen die Unterseite des Autos schlagen und Diego heizt mit aufgerissenen Augen um die Kurven. Plötzlich geht das Auto aus: der Tank ist leer. Wir befinden uns mittlerweile wieder auf der Hauptstraße, geben den beiden etwas Geld für ein wenig Sprit und laufen zurück nach Hause.

Die Idylle auf der Farm wird ein wenig getrübt durch die Streitereien zwischen Sonia und Jan. Bei vielen Themen sind sie unterschiedlicher Meinung und die Diskussionen eskalieren schnell, vielleicht auch weil Sonia schlecht hört und deswegen laut geschrien und alles wiederholt werden muss. Auf uns wird dabei wenig Rücksicht genommen. Nach einer Woche bröckelt die gute Laune: wir bekommen wenig Dankbarkeit und Respekt für unsere Arbeit und dürfen uns nach vier Stunden Arbeit und Müll aufsammeln in der Sonne keine zweite Portion vom Mittagessen nehmen, ohne undankbare Kommentare von Sonia zu ernten. Wir ziehen also weiter, da es so keinen Zweck mehr hat, aber wir behalten die vielen guten Stunden trotzdem in positiver Erinnerung. 

Das Glück scheint auf unserer Seite zu sein: bereits das dritte Auto, ein Jeep, nimmt uns auf seiner Ladefläche von San Jose mit nach Santa Maria. Dort sammelt uns ein Mann ein und lässt uns an der Route 40 heraus, die hoch in den Norden geht. Leider ist es schon zu spät und es kommen fast keine Autos mehr vorbei, die Richtung Salta fahren. Dazu braut sich ein neues Gewitter zusammen und nach unserer Erfahrung im Zelt, haben wir doch ganz schön Schiss davor. Auf der anderen Straßenseite befindet sich eine große leerstehende Garage und wir klopfen an der Tür des Hauses und fragen, ob wir uns dort unterstellen können. Das junge Mädchen ist sehr freundlich, bringt einen Tisch, Klappstühle und Matetee und verbringt die Zeit mit uns bis das Gewitter vorbei ist. Es fährt ein Bus nach Cafayate, den wir heranwinken. Als wir ankommen finden wir einen Zeltplatz direkt neben dem Busterminal, auf dem wir die Nacht verbringen. Am nächsten Tag probieren wir erneut zu trampen, leider sind die meisten Autos voll und nach zwei Stunden nehmen wir erneut den Bus nach Salta. Nun verbringen wir vier Tage in einem netten Hostel, ruhen uns aus und verarbeiten all die schönen Erlebnisse und das weniger gute Ende.

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