thaikath
thaikath
vakantio.de/kathusa

Selbstfindung in den Bergen Thailands

Veröffentlicht: 28.01.2019

Herzliche Grüße aus dem Nachtbus nach Bangkok. Mein Gott, was ein Chaos hier. Das nenne ich mal eine authentische Thailanderfahrung, ich als quasi einzige Westlerin in einem Bus vollgepackt mit lauter Thais, von denen niemand Englisch spricht und mich versteht, nicht mal das Personal. Da der Nachtzug leider ausgebucht war und Flüge von Chiang Mai nach Bangkok mir zu teuer waren, habe ich mich für diese Variante hier entschieden und fahre jetzt 10 Stunden Bus durch die Nacht Thailands, um morgen früh hoffentlich nicht völlig schlaflos Bangkok zu erreichen. Doch nicht nur wegen des Busses ist meine Stimmung nicht auf dem Höchstpunkt: Auch so bin ich ziemlich traurig, dass meine Reise sich nun dem Ende zuneigt und dass ich den wunderschönen Norden Thailands verlassen muss. Die Millionenchaosstadt Bangkok wird sicherlich nicht mein Lieblingsziel, da ich Berge, Meer und südostasiatische Entspanntheit gegen Stress, Dreck, Luftverschmutzung und Hektik eintauschen muss. Aber bevor ich Bangkok schon jetzt zu schlecht rede, warte ich mal ab, was mich morgen so erwartet. Die Fahrzeit nutze ich indes lieber, um mich auf schöne Dinge zu fokussieren, mich an meine letzten Tage im Norden Thailands zu erinnern und diese mit euch zu teilen. Ich habe euch ja erzählt, dass ich in eine Ökolodge gefahren bin, um dort mal einen Alternativen Lebensstil kennenzulernen und nachhaltig zu leben. Die Lodge wurde unter der Anleitung eines Briten aufgebaut und läuft mittlerweile so gut, dass einige Thais sie alleine führen und die Nachhaltigkeitskonzepte verinnerlicht haben. Die Lodge liegt mitten in den Bergen Südthailands, umgeben von purer, wunderschöner Natur und Ruhe. Man findet rund herum vereinzelte Bergdörfer, selbst diese liegen aber einige Kilometer entfernt. Da Noi, die mittlerweile die Lodge führt, zufällig am Tag meiner Anreise eh in Chiang Mai war, nahm sie mich freundlicherweise von der City mit ihrem Pick-Up mit in die Berge. Nachdem sie mir eine Führung des "authentischen" Chiang Mai gab und mich dabei mit bestem Essen an allen Ecken versorgte, fuhren wir auf zur Lodge. Die Anreise war recht abenteuerlich; wie man sich vorstellen kann, sind die Straßen nicht wirklich gut ausgebaut und der Anfahrtsweg sehr kurvig, sodass mein Magen wieder zu leiden hatte. Die Anreise endete schließlich einen Kilometer von der Lodge entfernt, den wir laufen mussten, da es keine befahrbare Straße hoch gibt. Ich wundere mich sehr, wie ältere, unfittere Gäste den Aufstieg meistern, da der Fußmarsch nicht gerade eine Zuckerschlecken war. Nichtsdestotrotz war er wunderschön, einfach einen Berg hochzuwandern, mein Lieblingssport, wobei man die Ökogärten der Lodge bereits bestaunen konnte. Oben angekommen wurde es nicht weniger spektakulär: So wurde ich von zahlreichen Minihütten und von einem fesselnden Bergausblick empfangen. Noch nie zuvor habe ich eine so ruhige, abgeschiedene, wunderschöne Unterkunft gesehen. Es ist einfach unfassbar still dort oben, man kann der Natur lauschen und nichts tun außer auf die Berge starren und die Seele baumeln lassen. Die Hütten waren zuckersüß, jede war nach einem Thema gestaltet (meine war die Cowboyhütte mit entsprechender Cowboyeinrichtung) und lud zum Entspannen ein. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass ich eine ganze Hütte für mich haben würde, war jedoch unfassbar dankbar dafür (auch wenn es ziemlich teuer war), nach über 3 Wochen jede Nacht im Schlafsaal nochmal endlich Privatsphäre und Nachtruhe zu haben. In der Haupthütte befand sich die Rezeption mit Restaurant, welches von Noi und ihrer Tochter geführt wird. Es gab 3x täglich super gutes, frisches, leckeres Essen, aus eigenem Gartenanbau und eigener Viehhaltung. Das Wasser kam aus eigener Bergquelle und wurde täglich frisch abgefüllt, sogar der Kaffee stammte aus eigenem Anbau. Strom gab es nur aus einer Solarzelle in recht geringem Ausmaß, sodass Licht und Handyakku nicht permanent vorhanden waren und mit selbst gemachtem Feuer geheizt und gekocht wurde. Neben mir befanden sich lediglich 2 andere Gäste in der Lodge, ein Amerikaner, der nach einem Burnout einfach nur Sehnsucht nach Ruhe hatte und ein Finne, der nach stressiger Arbeitszeit in Thailand einen Ort zum Gitarrespielen und Meditieren suchte. Für diese beiden Dinge ist die Unterkunft wirklich perfekt, man hat umgeben von zahlreichen Katzen, Büchern und den beiden süßen Enkeln Nois absolute Ruhe und die Möglichkeit zu sich zu finden. Einerseits ist das richtig toll, ich glaube, ich war nie an einem Ort, der mehr zu Entspannung und Selbstfindung eingeladen hat. Andererseits war das aber auch ein Schock für mich: Plötzlich so sehr mit mir selbst konfrontiert zu sein, mich nicht durch Explorationen und Aktivitäten von mir selbst ablenken zu können und irgendetwas erreichen zu können. Puh, das war im ersten Moment ganz schön hart, mich selbst zu ertragen ohne etwas zu tun, ohne auf Achse zu sein und irgendetwas zu erreichen. Obwohl die Umgebung wunderschön war, fiel es doch so schwer, mich selbst in Ruhe auszuhalten, eine sehr traurige und erschreckende Erfahrung. Aber das Leben bringt einem wohl immer, was man so braucht: So bin ich sehr dankbar, dass Nois Enkel ständig zu mir kamen und mich umarmen wollten (ich bin völlig erstaunt von mir selbst und merke, wie toll Kinder doch sein können ;) ), dass die Katzen einen sehr hohen Schmusebedarf hatten und vor allem dass Pasi, der Finne, auch in der Unterkunft war. Mit ihm gemeinsam verbrachte ich einen Großteil der Zeit und konnte ihm einfach von meinen Sorgen erzählen und gemeinsam mit ihm darüber lachen und weinen, wie wenig man sich doch manchmal selbst ertragen kann. Ich lernte so viel von Pasi, wie wohl von noch niemandem während der Reise: Er half mir, Kraft zum Meditieren zu finden, gab mir durch seine Erzählungen Hoffnung, zu wahrer (Selbst)Liebe finden zu können und sich einfach Dinge im Leben zu trauen. Pasi ist selbstständiger Therapeut in Finnland (u.a. Yoga- und Thaimassage) und schafft es trotz seiner Selbstständigkeit immer wieder zu reisen, spannende Projekte im Ausland zu führen, ausgedehnte Reise zu unternehmen und trotzdem bei Heimkehr immer wieder Kunden zu haben, die enfach so, ohne Mühe auf ihn zukommen. Pasi hat ein tiefes Vertrauen in die Welt, das ihn anscheinend immer wieder belohnt. Ferner lernte ich von ihm viel über Thaimassage und wir stellten die tiefe Einheit von Körper und Geist wieder fest. Nach den Gesprächen und auch meine eigenen tollen Erfahrungen mit Thaimassage überlege ich nun, bald nach Thailand zurückzukommen und auch einen Thaimassagekurs zu belegen. Wie toll wäre das, wenn ein Seelenklemptner gleichzeitig helfen kann, Körper und Geist zu lockern und mit beiden Elementen arbeitet. Beides zu integrieren, würde meine Selbstständigkeit sicherlich erleichtern, also hoffe ich, dass ich diesem Ziel nachgehen werde.

Auch wenn ich Minute für Minute mehr zu schätzen lernte, einfach mal Bücher zu lesen, zu meditieren, in der Hängematte zu liegen und gleichzeitig auf Berge zu schauen (Hängematten sind übrigens das Tollste, was es gibt, ich brauche unbedingt eine), organisierte Noi am zweiten Tag eine Wanderung für uns. Wilai, ihr Exmann und Bergdorfbewohner eines umliegenden Orts, führte Anton, den Amerikaner, und mich durch Dschungel, Berge, Bergdörfer und Wasserfälle der Gegend. Wilai war ein absolut positiver, spannender Mensch mit super Englischkenntnissen, wodurch er viel erzählen konnte. Auch wenn das Wandertempo langsam verlief (Wilai ist 66, das Durchschnittsterbealter der Bergdorfbewohner liegt bei 65-70), zeigte er uns fernab von jeglichen Gehpfaden und jeglichem Tourismus wunderbare Ecken des Dschungels und gab uns authentische Einblicke in das Dorfleben. Sein Dorf, in welches er uns führte, hatte Gott sei Dank eine positivere Atmosphäre als die zuvor besuchten Dörfer. Die Leute lachten mehr auf der Straße und fühlten sich durch uns, zumindest nach außen hin, nicht gestört. Sie chillten in ihren Hütten, spielten Musik, hielten ein Pläuschen mit ihren Nachbarn oder arbeiteten, das aber im Gegensatz zu unserem Arbeiten ganz entspannt und ohne Druck.In diesem besuchten Dorf gibt es schon Geld, die Haupteinnahmequelle besteht hier im Anbau von Farn. Die Dörfler verkaufen diese Pflanzen und können sich damit Reis leisten, der in ihrer Ecke nur schwer anbaubar ist. Wilais Begründung der besseren Laune dieser Dörfler verglichen zu anderen liegt seiner Meinung nach in der Religion: Sein Dorf glaube noch an Berggötter, denen man regelmäßig Opfer bringen müsse und denen gegenüber man zum Dank für gute Ernte, etc. verpflichtet seie. Als Dankesritual feiere man oft gemeinsame Opferfeste mit gemeinsam Essen, tanze, oder singe, was die Dorfstimmung sehr lockere. Viele andere Dörfer seien hingegen durch Missionarsarbeit zum Christentum konvertiert. Und zwar in dem Verständnis, dass Gott die Entscheidungsgewalt habe, was er den Dörflern gebe, oder eben nicht. Wenn die Ernte schlecht sei, oder das Vieh krank werde, sei das eben eine Strafe Gottes. Man lege seine Verantwortung in Gottes Hand, wodurch die Dörfler dann selbst passiv und träge würden und eher auf einen Gott, als auf eigene Handlung vertrauten, was sie oft grießgrämig mache. Ob dies der Grund für die andere Atmosphäre ist, bleibt natürlich nur spekulativ...

Obwohl Wiliai nicht das schnellste Wandertempo hatte, stellte er uns doch immer wieder vor Herausforderungen: So mussten wir Flüsse durchwandern, vor unserem Mittagessen ein Opferritual durchführen und einen Wasserfall herunterspringen. Alles sehr lohnenswerte, einzigartige Erfahrungen. Am Abend nach getaner Wanderarbeit wollte Wilai uns schließlich teilhaben lassen an einem anderen Teil seiner Dorfkultur, welche ihm ermöglichte, mit 66 noch so gut wandern zu können: Opium. So besorgte dieser alte Schelm uns seiner Meinung nach "gutes Zeug" und brachte uns bei, wie man Opium raucht (aber pssst, nicht legal hier in Thailand). Ich muss gestehen, coole Erfahrung! Man wird einfach gaaaanz ruhig und entspannt, die Welt ist wunderbar, es gibt keine Probleme, man spürt keinen Schmerz und Leid mehr und relaxt zutiefst, während man vor sich hingrinst. Auch Gespräche werden unter Opium nochmal intensiver, sodass wir uns bis 4 Uhr morgens verquatschten. Laut Wilai sollten wir Westler Opium doch viel öfter einsetzen, da es eine Vielzahl körperlicher Beschwerden lindere und sogar bei Krebs heilsam sein könne...ob dem so ist, dazu fehlt mir das Fachwissen. Ein wenig erschreckend fand ich jedoch den Umstand, dass viele Dörfler ständig konsumieren, nach Wilais Auffassung einfach aus dem Grund, da es in den Bergdörfern abends ja nichts anderes zu tun gebe. Manchmal muss man sich dann wohl doch TV und anderen Technikschnickschnack loben, wenn diese Art Unterhaltung vor Drogenkonsum schützt. Ach und noch einen erschreckenden Fakt lernte ich durch Wilai: Er erhält trotz lebenslänglichen Arbeitens in Thailand nur 600 Baht (ca. 16,20€, was selbst in Thailand unfassbar wenig Geld ist) monatlich an Rente. Folglich ist er gezwungen, noch Wanderungen anzubieten, um überleben zu können. Gleichzeitig sieht er es als Pflicht seiner Kinder an, ihn im Alter finanziell zu versorgen. Gott sei Dank leben meine Eltern nicht in Thailand ;). Wilai, Pasi, das Ökohaus, die Natur, die Tiere, die KInder, vielleicht auch das Opium ;) brachten mir schließlich bei, wie schön es sein kann, einfach nur bei sich zu sein, der Natur zu lauschen und nichts zu tun, außer sich mit sich auseinanderzusetzen oder eben einfach zu chillen. Als ich mich nach 3 Tagen NIchtstun so langsam daran gewöhnt hatte, war ich unendlich traurig wieder nach Chiang Mai aufbrechen zu müssen. Der Lärm, die Menschen, der Verkehr, die schlechte Luft, mir wurde erst nach der Auszeit mal bewusst, wie stressend das alles sein kann und wie sehr diese Umgebung einen doch immer wieder von einem selbst ablenkt. Ich habe nochmal realisiert, wie wichtig mir Natur und Ruhe mir sind und dass ich mir auch in Deutschland hoffentlich an den Wochenenden immer wieder Auszeiten in der Natur nehmen werde. Zurück in Chiang Mai hatte ich zwar echt super nette Leute im Hostel, trotzdem hatte ich wenig Lust auf gemeinsame Aktivität und vertrieb mir die letzten 1,5 Tage dort alleine, indem ich über Märkte schlenderte, das gute Essen genoss und einfach mal am Pool meines Hostels chillte. Die Ecolodge hat mir vor Augen geführt, wie toll und wichtig es ist, auf Reisen auch mal zur Ruhe zu kommen und dass ich mich auch alleine sehr gut aushalten kann, ja sogar muss. Schade, dass die Erkenntnis so spät kommt, aber nach der Reise ist bei mir ja bekanntlich auch immer vor der Reise :). In diesem Sinne werde ich mir vermutlich alleine morgen Bangkok ansehen bevor ich dann zu euch ins kalte Europa fliege. Also bereitet bitte schonmal ein paar Sonnentänze vor, dass ich keinen Kältschock bekomme ;).

Antworten (1)

Dieter
Ahoi, Deine Reiseberichte berühren meine Seele und erinnern mich an meine Trips vor einigen Jahren, Verdammt lang her. Leider fehlte mir Deine Begabung das Erlebte zu kommentieren. Du bist schon ein Geschenk. Salut et Liberte

Thailand
Reiseberichte Thailand
#ökoleben#entspannung#berge#bergdörfer#hängematte#wandern#meditieren#hütten#natur