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Himmelfahrtskommando

Veröffentlicht: 26.05.2020

Vor uns liegt ein sonniger Feiertag. Da bietet sich ein Ausflug ins nahe, schöne Harzer Umland an, der Minicamper ist geschwind gepackt und die kleine Tour kann beginnen.

Den Schlafplatz mit grandiosem Blick auf Nordhausen, Kyffhäuser und Südharz haben wir uns bereits bei der letzten Runde ausgeguckt und so können wir bei strahlend blauem Himmel im warmen Sonnenschein unseren Morgenkaffee genießen – die unverzichtbare, lebenswichtige und kostbare Cateringkiste vergessen wir sobald nicht noch mal.

Wenn man genau hinschaut, kann man Nordhausen und den Kyffhäuser erkennen!

In meinem Stempelheft fehlt noch die Holzdampflok und wir sind sehr neugierig, welches Highlight da auf uns wartet. Und so verschlägt es die Wandersleut nach Neustadt/Harz. Auf dem örtlichen Parkplatz herrscht schon reges Treiben, der Grund ist nach wenigen Metern erkennbar: die überregional berühmte Eisdiele, das zumindest lassen die diversen KFZ-Kennzeichen und die lange Schlange maskierter Menschen vermuten. Uns treibt es jedoch weiter den Hügel hinauf. Die Holzdampflok entpuppt sich als genau das, was der Name vermuten lässt: als eine Holzdampflok, in der der geschaffte Wanderer eine verdiente Pause mit Blick auf das Städtchen einlegen kann.

Heute ist hier oben bereits am Vormittag viel los, Kinder klettern auf der Konstruktion herum, Familien haben ihre Picknickkörbe hochgeschleppt und in der Lok sitzen vorwiegend Herren jeden Alters und nippeln am ersten Bier des Tages. Ach ja, es ist „Vatertag“ – sprich Mann läuft umher und trinkt Alkoholitäten. 

Schon ein seltsames Brauchtum, finde ich. Aber ich habe gelesen, dass bereits die alten Germanen im Frühjahr um die Felder gezogen sein sollen, die Götter um reichliche Ernte gebeten und dabei stärkenden Met zur Unterstützung gebraucht haben.

Im Laufe des Tages werden die umherziehenden Grüppchen zahlreicher, statt Bollerwagen werden coronabedingt Rucksäcke geschleppt, die mit jedem Kilometer weniger Gewicht aufbieten, es wird freundlich gewinkt, die Stimmung ist entspannt, auch wenn die eine oder andere Promille in der Sonne ihre Wirkung tut. Hier und da ist ein Biergarten geöffnet und auch in weiterer Entfernung ist das Schlagermedley – UnddieseBiene…Ergehörtzumir…SiebenFässerWein... – durch mehr oder weniger gut getroffene, mitgesungene Tonlagen deutlich vernehmbar.

Trotz allem wohlmeinenden Verständnis für Traditionen, wissen wir jedoch aus eigener leidvoller Erfahrung, dass an diesen Tagen erhöhte Vorsicht im Straßenverkehr geboten ist.

So auch heute: in Niedersachswerfen gibt es einen unbeschrankten Bahnübergang. Große rote Blinklichter machen schon von Weitem auf diesen besonderen Gefahrenpunkt aufmerksam. Wir fahren langsam heran und nun sind auch die lauten Warnsignale nicht zu überhören.

Die Strecke gehört zum Harzquerbahnnetz und damit zu den Harzer Schmalspurbahnen. Eine dicke Dampflok fährt heute leider nicht, die haben wohl noch Corona-Pause. Aber ein kleiner roter Triebwagen hält im Bahnhof und ich finde, er sieht lustig aus. Wir freuen uns gemeinsam mit den wartenden Fußgängern noch über den Anblick als aus der Gegenrichtung ein dicker weißer SUV angebraust kommt, viel zu schnell für das innerörtliche Kopfsteinpflaster. Die roten Lichter am Bahnübergang blinken, der Alarmton schrillt, aber der Fahrer der großen Kiste scheint davon keine Notiz zu nehmen, mit unverminderter Geschwindigkeit rast er auf uns zu.

Und der kleine rote Triebwagen verlässt den Bahnhof. Der dicke weiße SUV brettert in genau dem Moment über die Gleise, in dem der kleine rote Triebwagen Fahrt aufnimmt! Ich will die Augen schließen, denn ein echtes Unglück bahnt sich an, doch das geht nicht, sie sind einfach vor Schreck weit aufgerissen! Die Zugführerin des kleinen roten Triebwagens reagiert aber in Windeseile und nimmt ihrem Gefährt die Geschwindigkeit, im Gegensatz zum Fahrer des dicken weißen SUV, der tritt nochmal ordentlich aufs Pedal. Zum Glück! Die Triebwagenfahrerin zieht am Seil des kompressorbetriebenen Nebelhorns, setzt ein ohrenbetäubendes Trööööööööööt frei und fegt damit scheinbar das dreiste Auto von der Bahn.

Puuuuh! Wir stehen an den Gleisen und alle lassen die angehaltene Luft geräuschvoll entweichen. Das war echt sauknapp! Die Fußgänger und wir sehen uns mit immer noch weit aufgerissenen Augen an und versuchen, den Schrecken zu verdauen. So muss ein Feiertag nicht enden. Danke an die tolle Treibwagenfahrerin für ihr umsichtiges und verdammt schnelles Reagieren!

Mit weichen Knien treten wir unseren Heimweg an und sind nun beide extra aufmerksam. Vielleicht genießen wir den nächsten sonnigen Feiertag doch lieber auf der heimischen, sicheren Terrasse?

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