châteaugeschichten
châteaugeschichten
vakantio.de/chateaugeschichten

Twingo-Camping!

Veröffentlicht: 02.06.2020

Hier noch eine Vor-Corona-Reisegeschichte:

Vor fünf Jahren hätte ein Himmelfahrts-Crash beinahe alle unsere Reisepläne über den Haufen geworfen. Zum ersten Mal in unserem gemeinsamen Urlaubsleben können wir ganze vier Wochen am Stück unterwegs sein und dann kommt ein besoffener Rennfahrer und fährt unseren Minicamper zu Klump! Schluchz-Heul-Jammer!

Ein Ersatz ist so schnell nicht aufzutreiben und ich sehe unsere Tour-Träume in diesem Sommer platzen. Doch wer meine Reiseberichte fleißig mitverfolgt, weiß inzwischen, dass ich einen sehr praktisch veranlagten, immer eine Lösung wissenden und mit einer Unmenge Kreativität gesegneten Partner an meiner Seite habe.

Eines schönen Abends kommt er mit einem sehr-sehr scheußlichen Schrank vom Sperrmüll nach Hause. Das Entsetzen in meinen Augen spricht vielsagende Bände, so dass die Aufklärung über den Sinn des hässlichen Möbelstückes erfolgt, bevor ich mich aufrege:

Mein schöner blauer, bald 20 Jahre alter Twingo der ersten Generation steht unversehrt vor der Tür und der bekommt nun einen Campingausbau, Platz ist schließlich in der kleinsten Hütte!

Die Schranktüren und deren Scharniere werden zu einer Ziehharmonika-Auflage umgestaltet und die Rücksitze komplett entfernt, wodurch die Auflage zusammengefaltet zwischen Fahrer-und Beifahrersitz geschoben werden kann.

Aus Schrank mach Bett

Der hintere Teil des Autochens bekommt eine permanente Liegefläche, auf der unsere Schlafsachen gelagert werden. Darunter ist so unheimlich viel Platz, dass wir beinahe unseren gesamten Hausstand dort unterbringen können. Das erste Twingo-Modell ist wirklich und wahrhaftig ein Raumwunder, es sind schon ganze WG-Umzüge mit diesen Fahrzeugen abgewickelt worden! Zum Schlafen wird die Ziehharmonika ausgeklappt auf die Seitentüren und die hintere Schranktürenkonstruktion geklemmt, wodurch sich eine ausreichend lange Liegefläche ergibt. Mein Platz ist am Lenkrad, ich bin nicht so lang.

Mit "Matratze"!

Durch die Kofferraumklappe müssen wir uns nun durch einen nur wenig komfortabel hohen Spalt in unser Bett zwängen, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister und bald ist das gar nicht mehr so schwierig. Außerdem kann das wunderbare Faltdach geöffnet und wahlweise Sonnenauf-, Sonnenuntergang oder der unermessliche Sternenhimmel bestaunt werden.

All unsere Camping-Notwendigkeiten können eingepackt werden und noch ein bisschen mehr. Und die vierwöchigen Reise kann beginnen: hurra! Das von langer Hand geplante Ziel sind die stolzen, französischen Pyrenäen.

Der gute Twingo rollt durchs Land seiner Urahnen wie am Schnürchen, sogar so gut, dass wir in Dijon geblitzt werden.

Gut, ich habe am vierten Tag unserer Reise den Griff zum Verstellen der Beifahrerlehne abgebrochen, was insofern blöd ist, weil wir die Lehnen mindestens zweimal am Tag verstellen müssen, nämlich wenn wir unser Reiseschlafzimmer auf- und wieder abbauen. Zappa flucht jetzt zweimal am Tag, aber er schafft es, die Lehne zähneknirschend zu verstellen.

Außerdem lässt sich schon nach wenigen Reisekilometern die Beifahrertür nicht mehr von innen öffnen, aber das ist nicht sooo dramatisch, Zappa besorgt sich jetzt weiße Handschuhe und eine schöne Mütze und öffnet mir la porte. Bis dahin kann ich durch das Fenster fassen und die Tür von außen aufmachen.

Unser dieses Mal wahrhaft kleiner Minicamper bringt uns trotz allem sicher in die Berge. Das Wetter ist uns in der rauen Wildnis nicht so sehr gewogen, immer wieder türmen sich schwarze Wolken über den Gipfeln auf, die Temperaturen und auch die Regentropfen fallen. Häufig bin ich mehr als glücklich, dass wir nicht im Zelt, sondern trocken, windgeschützt und halbwegs warm, eng aneinander gekuschelt einschlafen können. Doch die Schönheit dieses schroffen Gebirges ist überwältigend, steile Felsen, majestätische, auch im Juni noch schneebedeckte Gipfel, wilde Wasserfälle, gravitätische, grüne Talkessel und überall, im Sommer frei auf den Almen lebende Kuh- und Schafherden, die schon mal den Verkehr gehörig durcheinanderbringen können. Die Pyrenäen sind wirklich einen Umweg wert.

Überall Kühe
Wie jetzt?

Wir finden einen traumhaften Pennplatz auf dem Parkplatz eines Cols, wo nur die Wanderer hinfinden. Und außerdem wird die Route in der Karte mit „dangereux“ gekennzeichnet, also nix für Wohnmobile. Am Ende des Tages schauen wir ganz allein auf die wolkenumtosten Bergspitzen – es ist soooo romantisch! Nur der Wind weht sanft, aber kühl auf den 1500m und so baut Zappa aus der Regenplane schnell einen Windschutz, unter den wir uns kuscheln und anfangen, das Abendbrot zu köcheln. Gerade als der Reis im Topf ist – dreht der Wind! Und bläst jetzt unseren Windschutz zu einem schönen Segel auf und uns ins Gesicht. Das Auto hat schon Schlafeinstellung und umparken geht nur mit erheblichem Aufwand. Tja, also gut einmummeln, alle zur Verfügung stehenden Decken nutzen und weiterkochen. In der Nacht kühlt es auf 8°C runter – gut für unsere Getränke und natürlich die Butter… Morgens um 7:00 Uhr erklimmt die Sonne die Berge und hüllt die nun wolkenfreien Gipfel in ein goldenes Pyrenäenglühen. Also das Schiebedach aufgemacht und gestaunt, das haben die Alpen im letzten Jahr nicht geschafft!

Pyrenäen-Glühen
Sonne in Spanien

Nach der Wanderung zur spanischen Grenze, wo im übrigen die Sonne scheint, machen wir Halt im nächsten Dorf. Hier ist Monsieur Proxi mit seinem Hier-gibt’s-alles-Laden ansässig. Der hat echte Apothekenpreise, wir entdecken eine handelsübliche Packung Räucherlachs für sage und schreibe 7,50€! Wir greifen da doch eher zur Backware, die sich aber bald als echtes Zwergenbrot herausstellt. Der Bäcker muss wahrer Scheibenweltfan sein, nicht nur, dass das Brot genauso aussieht, nämlich rund und flach, es ist auch so hart, dass allein schon der Anblick satt macht. Wer wagt, darauf herumzukauen, wird nie mehr hungrig sein. Es ist auch gut als Wurfscheibe zur Selbstverteidigung geeignet und man kann damit prima einen flotten Rhythmus klopfen – und das Ganze für schlappe 5€ das Kilo! Ich fürchte nur, dass Monsieur Boulanger eines Tages Opfer seiner Kunst werden könnte, wenn die älteren Bewohner des Dorfes ihn mit der Steinsemmel erschlagen.

Kampfbrot

Vor dem Laden parkt Monsieur Bouchon seinen klapprigen Renault Rapid so auf der Dorfstraße, dass der Milchbomber nicht mehr vorbei kommt. Alles Hupen hilft nix, der LKW-Fahrer muss Monsieur höchstpersönlich aus dem Cafè von seinem Pastis wegholen. Inzwischen bildet sich ein ansehnliches Chaos auf der Dorfstraße und die Bewohner versammeln sich vor den Haustüren, um dem Spektakel zu folgen und den neusten Klatsch auszutauschen. Wir jedoch haben mittlerweile die Nase von der unwirtlichen Gebirgswitterung voll, nach acht Tagen Wolken, Regen, Blitz, Donner und Kälte ergreifen wir trotz aller pittoresken Bergromantik die Flucht in die Sonne in Richtung Carcassonne. 


Antworten

Frankreich
Reiseberichte Frankreich
#twingo#pyrenäen#wildcamping#outdoor#frankreich