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Bolivien - Sucre und Potosí

Veröffentlicht: 21.08.2018

Nach einer entspannten Zeit in Cochabamba und Samaipata mit viel Natur und Ruhe habe ich meine Reisegeschwindigkeit etwas erhöht. Zwei Tage Sucre, zwei Tage Potosí. Beide Städte sehr geschichtsträchtig und bedeutend für Bolivien.
Danach ein kurzer Ausflug in die Weinregion Tarija und noch zwei Tage im heißen, trockenen Tupiza bevor es auf die große Tour zur Salar de Uyuni ging. 

Über den Dächern der Stadt.


Sucre

Sucre - offizielle Hauptstadt Boliviens - wird wegen der Kolonialarchitektur auch als die weiße Stadt bezeichnet. Das spiegelt sich auch in allen alten Straßen und Gassen wieder. Sucre ist so ziemlich die erste Stadt, die ich hier besuche, in der die Gebäude aus der Kolonialzeit instandgehalten wurden, sodass man eine wirklich schöne Altstadt vorfindet. Aufgrund der historischen Bedeutung finden sich auch allerlei Kirchen und Museen in der Stadt. Die wichtigste Stätte darunter ist sicherlich die Casa de la Libertad - Das Haus der Freiheit - in dem die Geschichte vom Kampf um die Unabhängigkeit bis zur Neuzeit dokumentiert wird. Die beiden bedeutendsten Figuren auf dem Weg zur Unabhängigkeit waren für Bolivien sicher General Sucre - erster Präsident - und natürlich für ganz Südamerika Simon Bolívar. 1825 hat Bolivien die Unabhängigkeit von Spanien erklärt. Das Staatsgebiet war zu dieser Zeit deutlich größer als das heutige.
In der Folgezeit gab es mehr Präsidenten als Jahre der Existenz. Häufige Militärputsche und Machtwechsel, sodass es selten stabile Regierungen gab. In der Folge gab es in zahlreichen Auseinandersetzung mit verschiedensten Staaten Südamerikas große Niederlangen und Gebietsverluste. Der bedeutendste dabei war der Pazifische Krieg vom 1879 mit Chile in dessen Folge Bolivien den Zugang zum Meer bis heute verlor. Das nationale Trauma, das auch heute noch jedes Kind in der Schule lernt. In den Folgejahren wurde versucht einen Friedensvertrag zu schliessen. In Bolivien gab es jedoch auch interne Auseinandersetzungen zwischen La Paz und Sucre. Infolgedessen wurde der Regierungssitz nach La Paz verlegt, Sucre blieb jedoch Haupstadt. Im späteren Friedensvertrag hat Chile - nach Aussage Boliviens - einen Zugang zum Meer für Bolivien zugesichert. Diese gibt es allerdings nach Anbsicht Boliviens bis heute nicht vollstaendig. Was nach wie vor zum angespannten Verhältnis der beiden Staaten beiträgt. Es wurde zumindest eine Bahnstrecke von der chilenischem Küste im Arica is nach La Paz gebaut. 
Geschwächt durch vorherige interne Auseinandersetzungen um die Unabhängigkeit einiger Regionen, verlor man auch im Chaco Krieg von 1932 mit Paraguay weitere Staatsgebiete. Angetrieben von den Interessen der großen Ölfirmen, stellte sich danach jedoch heraus, dass es in diesem Gebiet gar keine großen Ölvorkommem gibt, sodass auch dieser Krieg ziemlich sinnlos war. Weitere Gebietsverluste gab es auch an Brasilien. Oftmals zeigte sich in diesen Gebietsverlusten auch die Unfähigkeit der Präsidenten, die teilweise einfach das Tafelsilber Boliviens für die eigenen Interessen verkauft haben. Es gab auch einige ausländische Präsidenten, die eher US- als bolivianische Interessen verfolgenten. Zahlreiche ausländische Firmen haben das Land über viele Jahre ausgebeutet ohne, dass Bolivien vom den eigenen Ressourcen profitiert hat. Auch in diesem Land sind Korruption und Vetternwirtschaft seit jeher weit verbreitet. All das führte dazu, das Bolivien auch heute noch trotz großer Öl - und Mineralvorkommen eines der ärmsten Länder Südamerikas ist.
Und dann kam im Jahr 2006 Evo Morales! Der erste indigene Präsident Boliviens. Aus den Reihen der Aymara, einer vom Volk. Und wie so oft fing auch alles gut an. Er stärkte die Rechte der indigenen die bis dahin vielerorts unterdrückt und diskriminiert wurden. Heute trifft man an den Universitäten und in den Regierungen auch die traditionellen Cholitas an. Die indigenen Sprachen werden in der Schule gelehrt, die Traditionen und das indigene Nationalgefühl wurden gestärkt.
Desweiteren hat er zahlreiche ausländische Firmen verstaatlicht, dass Bolivien von den eigenen Ressourcen profitiert. Er hat die Armut bekämpft und für den Präsidenten eine ziemlich niedrige Gehaltsobergrenze eingeführt. Und niemand durfte mehr als der Präsident verdienen, sodass es einigenll Leuten kräftig an den Geldbeutel ging. Er ließ fast alle Ex-Präsidenten wegen Korruption anklagen. All das brachte ihm große Sympathien und Zustimmungswerte ein, sodass die ersten beiden Amtszeit sehr erfolgreich waren. Dann (über) er sich das ganze allerdings. Die dritte Amtszeit hat er sich durch eine Verfassungsänderung erschlichen. Auch unter ihm greifen Korruption und Misswirtschaft um sich. Große Teile der Bevölkerung leiden wieder unter Armut. Der Tourismus ist stark zurückgegangen. Er baut für sich und sein Klientel Paläste. Er weiß das Militär und seine Regierung - dank großzügiger Zuwendungen - hinter sich und er will auch bei der nächsten Wahl 2019 unter keinen Umständen seine Macht abgeben, weil auch ihm dann der Prozess drohen könnte. Frei nach venezolanischem oder russischen Vorbild. Er ist also auf dem besten Weg in den Sozialismus.
Und genau das sieht auch die Bevölkerung. Große Teile lehnen ihn mittlerweile ab. Viele befürchten die Geschichte Venezuelas zu wiederholen. Und wenn er nächstes Jahr das Ergebnis der Wahl nicht anerkennt, drohen Bürgerkrieg und Militärdiktatur. Soweit das Schreckensszenario. Es bleibt also spannend in den nächsten Jahren.


Zahlreiche hübsche Gassen und Straßen.
Der Mercado Central hingegen typisch bolivianisch wie auch in den anderen Städten.
Casa de la Libertad.
Ein Ort voller Geschichte.
Inklusive der Unabhängigkeitserklärung an dem Ort der Unterzeichnung.
Die verschiedenen Flaggen der bolivianischen Geschichte. Auch die Farben haben mal gewechselt.

Besuch beim Convento.
Die Kathedrale protzt auch von innen.
Schöne Parks gab's auch zur genüge.
Das war ein sehr interessantes Museum. Das ist ein bisschen mehr auf die alltäglichen Dinge Boliviens eingegangen und wie sich die das Soziale, die Infrastruktur, der Konsum und der Ausdruck des gesellschaftlichen Status so entwickelt haben. Mal eine Abwechslung zu den sonstigen geschichtslastigen Museen.
Und architektonisch wertvoll noch dazu.
Dieses hübsche Kloster wird tagsüber als Schule genutzt.

Nebenbei fand in Sucre zu der Zeit auch das internationale Filmfest der Menschenrechte statt. Dort gab es Beiträge zu allen möglichen Konflikten derzeit auf der Welt. Vom Kampf der Minenarbeiter in Bolivien über die Rohinga, die Auseinandersetzung der farc in Kolumbien, dem Verlust indigener Sprachen weltweit, u.v.m. Kurzum, man hat mal wieder das ganze Elend der Welt vor Augen geführt bekommen. Was man immer mal wieder gern vergisst oder verdrängt.

Das alte Theater diente als Schauplatz des Filmfestivals.


Potosí

Blick auf den silberreichen Cerro Rico.
Und auf die historische Altstadt.

Einst die größte Stadt der Welt und noch heute bedeutendste Silberstätte Boliviens. Zugleich auch die höchstgelegene Großstadt der Welt auf über 4000 Meter. Schon die Inka haben die Silbervorkommen entdeckt und abgebaut. Unter der Vorherrschaft der Spanier wuchs die Stadt dann rasant. Die Kriegskasse wollte gefüllt werden. Sodass auch gleich eine gesamte Münzprägestätte nach Potosí verschifft wurde. Zu der Zeit gab es nur 3 Prägestätten. Eine in Lima und eine weitere in Mexico, wobei die in Potosí die bedeutendste war. Diese Geschichte kann man in der Casa de la moneda - Haus des Geldes - erleben. Dort kann man noch die Original Prägestätte besichtigen. Sehr imposant wie mit einfachen Mitteln schon ziemlich präzise Münzen gefertigt wurden. Anfangs wurden die Maschinen noch von Eseln angetrieben, später dann mit Dampf und Elektrizität. Leider keine Fotos erlaubt, da dort mittlerweile auch einige Gemälde ausgestellt sind. Viele davon zeigen die Maria und ihr Kleid hat die Form des Cerro Rico - der Reiche Berg. Ein Form der spanische Missionare den Katholizismus zu verbreiten.
Die Förderung und die Weiterverarbeitung vor Ort waren natürlich sehr günstig für die Spanier. Anfangs wollte man sich noch mit den indigene vor Ort gut stellen. Deshalb wurden zahlreich Sklaven aus Afrika für viel Geld gekauft um die harte Arbeit in den Minen zu verrichten. Man allerdings nicht bedacht, dass die Sklaven das kalte Klima und die Höhe nicht verkraften und ein Vielzahl von ihnen nach kurzer Zeit verstarb, sodass man dann doch auf die indigenen Arbeitskräfte zurückgreifen mussten.
Somit hat der Abbau von Silber in Potosí mittlerweile eine fast 500 jährige Geschichte, die aber nach Auskunft der Mineros in wenigen Jahren ihr Ende finden wird. Dann werden wohl die letzten Reserven abgebaut worden sein.
Nach der Unabhängigkeit Boliviens wurde die bolivianischen Münzen dann auch noch viele Jahre in Potosí produziert. Ironischerweise gibt es seit ca. Den 50ern bis heute keine Prägestätte mehr in Bolivien. Die Münzen werden in Chile produziert und die Scheine in Frankreich und Kanada! 

Zahlreiche Kolonialbauten sind in den Straßen zu finden.
Und natürlich ein hübscher Plaza.
Samt Kathedrale.
Die Casa de la Moneda. Stets gut gesichert wie eine Festung.


Mit diesem Hintergrund war natürlich der Besuch einer dieser Minen ein absolutes Muss! Zahlreiche - t.w. heruntergekommene - Kolonialbauten und Kirchen zeugen von der einstigen Bedeutung Potosís.
Heute arbeiten noch ca. 20000 Mann täglich in den Minen. Es gibt zahlreiche Touranbieter, die in Zusammenarbeit mit ehemaligen Minenarbeitern Touren in AKTIVE Minen anbieten. Dafür muss man dann auch vorher einen Zettel ausfüllen auf dem man quasi allen Risiken - bis hin zum versehentliche Tod durch Sprengung - akzeptiert. Auf der Tour versichere man uns dann, dass bisher ausschließlich Minenarbeiter und keine Touristen gestorben sind. Kurz zuvor hatte ich in Sucre noch einen Film über den großen Protest - Marcha por la Vida - von 1986 gesehen. Damals sind die Silberpreise dramatisch eingebrochen und die Arbeiter wurden nicht mehr von der Regierung bezahlt. Und die Arbeitsbedingungen die damals geherrscht haben, scheinen sich in keiner Weise verändert zu haben. Es ist ohnehin verwunderlich weshalb die Regierung seit jeher so wenig für eine ihrer wichtigsten Industrien tut. Das Ergebnis von damals war, dass sich die Arbeiter in Kooperativen organisieren können und selbstständig wirtschaften und dafür eine Art Pacht an den Staat zahlen. Das schaffte natürlich Unabhängigkeit, andererseits natürlich keinerlei Regulation. Das sieht dann heute so aus, dass es quasi fast keine Sicherheitsausrüstung gibt, die Arbeitszeiten kaum geregelt sind und die Arbeiter eigentlich den ganzen Tag unter Tage sind und ausschließlich Cocablätter kauen, die Hunger und Durst unterdrücken, sowie puren - mit Wasser verdünnten Alkohol - konsumieren und dabei auch noch rauchen. Deswegen fährt man vor der Tour auch in den Minersshop um wahlweise Dynamit, Alkohol oder Cocablätter als Geschenk zu kaufen. Es gibt natürlich auch sinnvolle Sachen wie Spitzhacken, Atemschutz oder Helme zu kaufen. Auch Gummistiefel gehören zur Standardausrüstung! Aber die Nachfrage ist doch eher gering. 

Erstmal auf Shoppingtour vor der Minentour. Oben Dynamit, unten Nitrat. Das wird dann vor Ort zusammengemischt.
Das Paket aus Dynamit und 1l reinem Alkohol gabs für ca. 5 Euro.


Der Eingang zu einer Mine.
Blick von der zentralen Arbeitsstätte auf die Stadt.

Etwas tiefer wird das Silber aus dem Gestein gewonnen.
Der Eingang. Links die Stromversorgung und die Pressluftleitung.
Hier schon mal ein Vorgeschmack wie es drinnen zur Sache geht. Es gibt nur eine Schiene. Das bedeutet die leeren Wagen müssen rechtzeitig von den Schienen geschubst werden, wenn ein voller Wagen aus der Mine geschoben wird. Wenn der Weg nicht schnell genug freigemacht wird, knallts! Das durften wir dann auch hautnah beobachten. Ein voller Wagen wiegt ca. 2 Tonnen!
Und das ganz natürlich im Laufschritt und in gebückter Haltung, sonst gibt's Kopfschmerzen.
Das sind die leeren Alkoholflaschen.
Ich und ein Arbeiter im "Pausen Raum". Daneben der heilige Tio.
Das Minensystem hat bis zu 7 Ebenen, aber nur ein Schinensystem. Das heißt, dass es Verbindungsschächte gibt, über die das Material in die Loren geschickt wird. Natuerlich immer gut gesichert durch eine Schaufel.
Kopf einziehen, es geht nach unten.
Dort mussten noch die letzten Löcher für die nächste Sprengung gebohrt werden.
Auch die Elektronik wurde mit höchster Sorgfalt verlegt.
Dann den Zünder setzten.
Das ganze in der richtigen Reihenfolge ins Loch stecken und gut verdichten. Danach sind wir dann ein paar Schritte zurückgegangen. Die Lunte brennt ca. 5min. Zündung und danach sollte man nicht allzu viel Zeit lassen das Feld zu räumen. Dann gab's 5 dumpfe Explosion. Also die Polenböller sind Kinderspielzeug dagegen.


Kaum einer erlebt die 50, viele beginnen schon mit ca. 12 Jahren dort zu arbeiten. Man verdient deutlich besser als der Durchschnitt, wenn man es einmal in die Kooperativen geschafft hat. Die Frage ist nur zu welchem Preis... Dafür gibt's nämlich ne Art Anwartschaft und in der Kooperative gibt's es auch clanähnliche Strukturen, bei dem das Oberhaupt natürlich richtig absahnt. Viele arbeiten sozusagen freiberuflich bis sie es irgendwann mal in die Kooperative schaffen. Also so familiär ist das ganze dann auch nicht.
Über Tage ist man sehr religiös, unter Tagen gibt es keinen Gott, sondern nur den (Tio). Eine teufelsähnliche Gestalt, aber Teufel darf man nicht sagen. Ihm werden regelmäßig Zigaretten, Cocablätter, Alkohol, Lamas und sonstige Sachen geopfert, dass er die Arbeiter beschützt und reichlich Ertrag bringt. Und immer wenn was schief geht, hat man natürlich zu wenig gegeben. Also die Jungs lassen da richtig Plata!
In anderen Orten in Bolivien werden, die Minen meist vom ausländischen Firmen betrieben. Dort herrschen wohl auch halbwegs normale Arbeitsbedingungen. Die Firmen müssen ca. 60% Prozent an den Staat abdrücken. Aber auch hier ist die Frage, ob man das nicht mit ein bisschen Schmiergeld an den richtigen Stellen umgehen kann. Ausbeutung und Korruption gehen also munter weiter.
Soweit, so traurig. Und hier die Bilder dazu. 


Keine Sorge, beim nächsten Mal gibt's wieder mehr Bilder als Text. 

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