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Montenegro - Glück und Leid

Veröffentlicht: 03.11.2022

An der Grenze nach Montenegro ging es erstaunlich gesittet zu. Es galt Abstand zu Halten vor dem Kontrollhüttchen und wenn man seine Ausweise und Fahrzeugpapiere vorzuzeigen hatte, musste man den Motor abstellen. Ich saß am Steuer und da mich seit einigen Tagen eingerissene Mundwinkel plagten, habe ich den Pförtner unwissend mit weißen Resten meiner Creme rechts und links am Mund angelächelt und mich fröhlich in meinen ersten montenegrinischen Worten geübt. Zum Glück habe ich kein Wort von dem verstanden, was er lachend zu seinen Kollegen gesagt hat. Dank meines Mannes habe ich dann kurz NACH der Grenze auch den Hinweis bekommen, dass da noch Reste hängen. Da wäre ich doch lieber unwissend einfach weiter gefahren… Egal. Die sehen mich nie wieder ^^

Die erste Nacht haben wir unplanmäßig am Ufer der Bucht von Tivat verbracht. Da wir Gas auffüllen wollten und dafür zu spät an der Tankstelle waren, haben wir kurzerhand ein Platz in der Nähe gesucht und sind am Ende der Rollbahn vom Flughafen gelandet. Hinter der leider schon geschlossenen Beach-Bar habe ich zwei funktionierende Duschen gefunden, an denen wir die Duschköpfe entfernt habe. Zum ersten Mal hat Basti mühevoll mit Kanistern unseren Wasservorrat aufgefüllt. Nochmal zu riskieren ohne Wasser weiterzufahren, wenn wir etwas in Reichweite haben, kam diesmal nicht in Frage. Nach ein paar Starts der Flugzeuge über unsere Köpfe hinweg, war pünktlich ab 19:30 Uhr Ruhe auf der Rollbahn und wir hatten eine ruhige Nacht an einem fast perfekten Ort am Meer.

Da wir mehrfach gehört hatten, dass die Bucht ein beliebter Anlegepunkt für Kreuzfahrtschiffe ist, haben wir uns gegen den Touri-Anziehungspunkt entschieden und sind hoch auf dem Berg über Kotor zu „Goran’s Bauernhof“ gefahren. Goran war zu früheren Zeiten Polizist, hat aber schon immer von einem eigenen Bauernhof mit Tieren geträumt. Den Traum hat er sich bis dato so erfüllt, dass er nun mit seiner Frau, einem Wachhund, zwei Kühen, drei Katzen, einer Hand voll Ziegen, diversen Hühnern und einem Rudel Hängebauchschweinen samt Ferkeln in einer alten Ruine lebt. Wir waren mit einem anderen Mann der als „Scooby-Doo“ nach Vietnam unterwegs war erstmal allein zwischen den Ruinen. Doch noch am selben Abend saßen wir mit einem jungen Paar, das mit seinen beiden Kindern auf dem Rückweg vom Iran war und einer einheimischen Familie am Lagerfeuer und haben uns vom Weißwein über Rosè zum Rotwein probiert. So schnell ändert sich der Tag manchmal 😊

Goran hat allen Besuchern am nächsten Morgen die naheliegenden unterirdischen Bunker und Kriegshinterlassenschaften gezeigt. Dies war nicht nur für die Kinder beeindruckend. Auch ein unterirdisches Krankenhaus sei dort, wo man aber nicht mehr rein gehen konnte. Ich selbst wollte nicht mit, weil ich schon im Gefühl hatte, das mir das zu nahe gehen könnte. Und nach den Erzählungen der anderen, hat mir die Vorstellung allein, schon ein schweres Gefühl gegeben, das ich wieder einmal mehr unendlich dankbar war, für jeden Tag, an dem wir alle von solchem Unheil und Leid verschont bleiben.

Als alle auf der Bunkerbesichtigung waren, hörte ich plötzlich leise Schüsse in meiner Nähe. Als einer dieser Schüsse dann auf unser Wohnmobil traf, habe ich vorsichtig unter dem Rollladen hervorgeschaut. Ich sah ein paar Gestalten im Tarnanzug und mit Maske mit einer Art Maschinengewehr zwischen den Ruinen herumrennen. Was mich nach dem ersten Schreck etwas beruhigte, das da außerdem noch ein Mann in „zivil“ in der Nähe der Wohnmobile stand und dem Ganzen Treiben eine Art Aufpasser zu sein schien. Todesmutig wage ich mich hinaus, um zu sehen, was das ganze sollte. Der „Aufpasser“ erklärte mir gleich auf Englisch, dass die Männer „nur“ Paintball spielen würden, und dass die Farbe keinen Schaden anrichte. Bis auf das ich halt unsere Sachen putzen darf, oder wie??? Zumindest hat mein Auftauchen glaube ich bewirkt, dass er die ganze Truppe weiter weg von den Fahrzeugen geschickt hat. Als alte Waldorfschülerin habe ich bei seinen Anweisungen an den Rest herausgehört, dass die Männer Russisch sprachen. Das wiederum habe ich sehr abstrus gefunden. Warum, muss ich wohl keinem erklären… Komischer Tag ☹

Die Kinder haben die Zeit zwischen den Tieren - die übrigens alle frei auf dem Berg zwischen uns herum lebten - sehr genossen. Leonie wurde zu Kuhtreiberin, wenn die großen Vierbeiner wieder einmal zu frech unter unserer Markise „grasen“ wollten, und ich habe mich gefreut, endlich mal ein Hausschwein für die Kompostabfälle zu haben. Das ist nur zu empfehlen für jeden der einen Garten hat, sage ich euch!!! Felix genoss die vielen „Geheimverstecke“ und mein Lieblingsmann genoss die Aussicht mit einem kühlen Bier. Auch hier hat uns die Endlichkeit unseres Wasservorrates wieder einmal weitergetrieben. Goran selbst lebt dort ohne fließend Wasser und Strom. Als Dank für die tollen Tage haben wir ihm ein großes Stück selbst gemachten Fetakäse und ein paar Eier abgekauft.

Als Nächstes folgte ein enttäuschender Abstecher ins Inland. Montenegro ist so klein, um nicht gleich wieder hinten „runterzufallen“, wollten wir auch das Inland kennen lernen. Es war schlechtes Wetter angesagt und wir hatten vor, uns ein **** Camp zu gönnen und uns mit Sauna und Jacuzzi zu verwöhnen. Das **** Camp hatte dann leider seit langem die schlechteste Dusche, wir waren die einzigen Gäste und die Sauna sowie Jacuzzi nach anfänglichen Versprechungen doch nicht. Irgendein Onkel, der scheinbar als einziger ein Feuer dafür machen konnte sein verstorben?!? Nun ja. So sind wir nach einer Nacht wieder die ganze Strecke zurück und haben uns auf Empfehlung anderer Reisender wieder ans Meer „verkrochen“. So wie wir manchmal ungeplant länger bleiben, sind wir hier das erste Mal ungeplant kopfüber wieder weitergezogen… Eigentlich haben wir uns mal wieder eine Pause vom „Hopping“ - so nenne ich es - gewünscht. Wir haben uns so eingelebt ins Reisen mit den Kindern, dass wir nach mehrmaligen kurzen Etappen und freistehen („Hopping“) immer wieder eine längere Pause in einem Camp gönnen, um all die neuen Eindrücke sacken zu lassen und mit Glück andere Kinder zu treffen.

Beides fanden wir nach dem Regen an der Küste in Ulcini, ganz im Süden Montenegros.

Auf dem Campingplatz angekommen, schien es zunächst sehr ruhig. Mitte Oktober sind hauptsächlich Rentner unterwegs oder ein paar vereinzelte Rückreisende auf dem Heimweg. Unter anderem eine Rentnerkolonne mit ACHT!!! Wohnmobilen, was sag ich, Luxuslinern, die so groß waren wie Reisebusse, nur damit dort gerade mal 2 Man transportiert werden, auf dem Weg nach BALI. Ja! BALI. Halleluja. Wohlverdient!!!

Mit der Sonne kamen auch mehr Kinder an den Strand. Nach ersten Annäherungen meinerseits gegenüber den mitgebrachten Muttis, haben auch die Kinder zueinander gefunden. Unsere kleine Truppe bestand diesmal zunächst aus der ausgewanderten Französin, mit laotischen Wurzeln die lange in Berlin lebte und nun mit Ihrem Mann incl. 2 Töchtern nach Montenegro ausgewandert ist. Und Marija, eine Montenegrinerin die mit ihren 2 Jungen und mit ihrem deutschen Mann hier zurückgezogen ist. Beide waren mir gleich sehr sympathisch und offen für Fremde, wir alle Menschen bisher. Nein, außer dem deutschen Nordlicht „Scooby-doo“. Der hat eine Weile länger gebraucht ^^ Dazu kam noch einen Tag später ein super nettes junges Paar mit Wohnmobil aus Leutkirch incl. 2 weiteren Kindern. Sie machten die Mischung dann perfekt. Schön, dass ihr da wart Stefan und Natascha!!!

Die Duschen waren gut, es gab eine Waschmaschine, das Restaurant am Campingplatz hatte geöffnet, das Essen was super lecker, Moritz unser Appenzeller konnte sich zwischen den freundlichen wilden Hunden frei bewegen und alles schien sich zu entschleunigen. Bis Moritz seinen schlimmen tödlichen Unfall hatte!!!


An einem Morgen, gerade als ich beim Sonnenaufgang mal wieder auf der Veranda der verlassenen Beach-Bar meine Yogamatte ausgelegt hatte, ist Moritz in seinem jugendlichen Leichtsinn in vollem Tempo über den Strand geflitzt. Plötzlich habe ich nur noch ein lautes Jaulen gehört und er lag ca. 150 Meter von mit entfernt neben einem kniehohen dicken Pfosten. Einerseits möchte ich es mir gerne alles nochmal aus der Seele schreiben, aber andererseits war es so schrecklich, dass ich es euch ersparen werde. Um zu verstehen, dass wir uns trotz Tierklinik und allem am darauffolgenden Tag dafür entschieden mussten, Moritz einschläfern lassen, sei so viel gesagt: Die Sonne muss Ihn vermutlich geblendet haben, dass er den Pfosten nicht gesehen hat. Der ungebremste und ungeschützte Aufprall mit min. 40 km/h war so heftig, dass seine Wirbelsäule und sein Herz zu sehr verletzt waren. In Deutschland wäre vielleicht einiges anders gelaufen, aber da waren wir nun mal nicht. Das Schicksal hat uns hierhergeführt und uns Moritz an diesen Tag wieder genommen. Ich glaube, dass alles von einer höheren Macht vorbestimmt ist, sei es Gott, Allah, Buddha oder wer auch immer. Verstehen tue ich es deshalb auch nicht, aber es hilft mir, zu akzeptieren. ☹ Es war „nur“ ein Hund denken manche, aber er hat zu uns gehört und Felix hatte ihn als seinen „kleinen Bruder“ ins Herz geschlossen. Manchmal meinte er: “ne Mama, du hast doch 3 Kinder!“ 😊 Nach einer kleinen Verabschiedung am Strand, wollten alle so schnell wie möglich weg von dort. Sobald es ging, haben wir unsere sieben Sachen zusammengerauft und haben das Land verlassen. Wir hoffen, wir sehen Marija, Thoujan und ihre Familien irgendwann wieder…

Bevor wir weg vom Strand und raus aus dem Land geflüchtet sind, haben wir uns noch Ulcini angesehen. Die alte Burg war toll und hat uns auf andere Gedanken gebracht. Wir haben uns im Restaurant verwöhnen lassen und mit gefüllten Vorräten haben wir Montenegro mit gemischten Gefühlen hinter uns gelassen.

Unser Fazit zu Montenegro: Kleines Land mit Potential. Wir haben uns wohl gefühlt und wären gern länger geblieben… Aber es kommt oft anders, als man denkt.


Bis irgendwann „kleiner Bruder“…

Antworten (1)

Sandra
Oh mein Gott! Das tut mir so leid. Ich bin erschüttert. Ich weiß, dass Hunde Familienmitglied sind....ist bei uns nichts anderes. Ganz viel Kraft für euch alle...und trotzdem weiterhin gute Reise. Sandra und Kilian

Montenegro
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