Wir reisen, also sind wir
Wir reisen, also sind wir
vakantio.de/wirreisenalsosindwir

El Salvador: San Miguel & Perquin

Veröffentlicht: 23.03.2018

Mit dem Taxi fuhren wir zum Busterminal San Salvadors. Wir wussten nicht genau, wie das Busfahren in Salvador abläuft und liessen dies daher auf uns zukommen. Sobald wir im Terminal aus dem Taxi stiegen, wurden wir von Männern belagert, die wissen wollten, wohin wir fahren. Kaum sprachen wir «San Miguel» aus, wurde unser Gepäck gepackt, und mitsamt uns in einen Bus verfrachtet. Wir wussten gar nicht recht wie uns geschah, geschweige denn, dass wir die Gelegenheit gehabt hätten nach dem Preis, der Abfahrtszeit oder sonst irgendetwas zu fragen, schon sassen wir im Bus. Aha, so läuft das also. Der Bus stand noch eine Weile im Terminal, so dass wir wenigstens noch aus dem Fenster das Treiben beobachten und unsere Schlüsse über den öffentlichen Verkehr ziehen konnten. Wie sich herausstellte sassen wir in einem Bus «Especial», der sich von den anderen auch hier üblichen Chickenbuses unterscheidet. Der Bus sollte direkt nach San Miguel fahren und war einem Car ähnlich, die man auch bei uns antrifft. Allerdings waren die Sitzreihen so eng gestuhlt, dass ich schon Mühe hatte, meine Beine da rein zu quetschen, ihr könnt euch daher vorstellen, wie unbequem es für Jörg gewesen war. Wir fanden später heraus, dass die Especial-Busse etwa doppelt so teuer waren, wie die Chickenbuses. Wir zahlten 5 Dollar pro Person für die Reise nach San Miguel, welche ca. 4.5 h dauerte. Offenbar haben wir ein anderes Verständnis von «Direkt und ohne Halt» als die Salvadorianer, denn der Bus hielt an diversen Orten und wurde immer voller. Da es keine Chance gegeben hatte, dass Jörg und ich in der engen Sitzbank nebeneinander gepasst hätten, hatten wir dann also jeweils salvadorianische Schüler als Sitznachb
Interessant und äusserst amüsant in Salvador ist, dass es hier absolut nicht nötig ist, für seine täglichen Einkäufe in einen Laden zu fahren. Man kann gemütlich sämtliche Einkäufe einfach im Bus erledigen. Überall steigen fahrende Verkäufer zu, und bieten einem alle möglichen Waren an. Die angebotene Produktpalette umfasst jegliche Art von Gemüse (Tomaten, Zwiebeln, Gurken, Peperoni, etc.), elektronische Geräte wie Ersatzakkus, Ladegeräte, Kopfhörer und Steckleisten, alle Arten von Nüssen, Chips, Popcorn, alle möglichen Süssigkeiten, Schokolade, Kekse, Marshmallows, Milch, Käsekuchen, Sandwiches, Tortillas, Hühnchen am Spiess gegrillt, Getränke, Fruchtsäfte, Wasser in Plastikbeuteln, Unterhosen, Leggins, Hosen, Medikamente gegen Blutdruck, Fieber und Schmerzen, Zeitungen, Sonnenbrillen, etc. Eine wahrlich bunte Mischung. Der Renner waren Socken, auf die sich gleich die Hälfte der Passagiere stürzte, um eines der angebotenen Viererpacks zu kaufen. Wer kauft denn Socken im Bus? Unsere Grösse hatte es jedenfalls nicht. Es war vor allem lustig zuzuhören, mit welcher Inbrunst und Marketingtalent die Verkäufer ihre Waren anpriesen, lautstark die Vorteile und die Qualität der Sachen bewarben und immer wieder anmerkten, dass es sich hier um «Productos americanos» handle. Normalerweise kosten die Socken im Dreierpack 8 Dollar, aber nur heute seien sie im Sonderangebot 4 Paar für nur 3 Dollaritos! Wie kann man sich denn dieses Schnäppchen auch entgehen lassen? Jörgs Sitznachbar hat sich kaum halten können, bei der Wahl unter den zur Auswahl stehenden Sockenfarben.
Wir kauften unterwegs auch immer mal wieder Süssigkeiten und andere Snacks von den Verkäufern. Erstens war es meist einiges günstiger als im Laden, und zweitens scheint es mir in einem Land, wo so viele Kinder und Jugendliche in die Fänge von kriminellen Banden geraten, unterstützenswert, Dinge von jungen Leuten abzukaufen, die sich für einen ehrlichen und friedlichen Lebensweg entschieden haben. Normalerweise halten wir uns sehr zurück mit Geldspenden an Bettler, vor allem bei denjenigen, die zielstrebig nur an die Touristen herantreten. Aber gerade in solch einem armen Land haben wir auch ab und zu mal eine kleine Münze übrig, für Leute, die ohne Beine in die Busse klettern und um eine Kleinigkeit für ihre Familien bitten. Immerhin gibt es hier keine Suva, keine IV und erst recht keine beruflichen Perspektiven für behinderte Leute. Und wenn man einem solchen Mann nur 25 Rappen gibt, strahlt er einen dankbar an, und wünscht einem Gottes Segen und noch einen ganz zauberhaften Tag. Danke, den wünschen wir dir auch.

In San Miguel angekommen, schnappten wir uns ein Taxi zum Hotel. Schon nach dieser ersten Fahrt hatten wir eigentlich genug gesehen von San Miguel und waren froh, dass wir nur eine Nacht auf der Durchreise nach Perquin hier verbringen würden. Die Grossstädte von El Salvador sind wirklich nichts für schwache Nerven, und vor allem nichts für Leute, die Mühe haben mit Schusswaffen. Zum einen ist das Aufgebot an Schusswaffen noch einiges höher als wir es bisher zb. In Guatemala erlebt hatten. Während in Guatemala vor allem Sicherheitspersonal vor Shoppingcentern, grösseren Apotheken und Banken Waffen getragen hatte, war hier vor jedem erdenklichen kleinen Geschäft und Laden mindestens ein Mann mit Gewehr postiert. Zum anderen hatten die Sicherheitsleute in Guatemala die Gewehre mit einem Gurt um die Schultern gehängt und hielten sie locker in der Hand. In El Salvador allerdings haben die Leute den Finger jederzeit direkt am Abzug. Ein Zucken würde genügen und die Pump-Action würde einen ins jenseits befördern. Aber irgendwie gewöhnt man sich irgendwann wohl auch daran, hatten wir uns schliesslich auch in Guatemala irgendwann an all die Waffen gewöhnt.
Besonders eindrücklich war für mich, als Jörg plötzlich sagte, ich soll aus dem Fenster des Taxis schauen. Das Taxi stand vor einem Laden für Motor- und Fahrräder. Und dort stand, ins Gespräch vertieft, ein Mann mit einem Oberschenkelhalfter über der Jeans, er stand lässig an die Wand gelehnt und hatte den Finger am Abzug seiner Pistole. Während ich ihn überrascht anstarrte, schaute er plötzlich direkt zu mir und ich sah beinahe wortwörtlich in den Lauf der Knarre. Und ich? Ich lächelte ihn freundlich an, und er, er lächelte zurück. Mal ehrlich, was soll man denn auch sonst tun, als freundlich lächeln (und hoffen, dass der gute Mann nicht gerade Zuckungen erleidet)?
Als wir am Militärkrankenhaus vorbeifuhren, beobachtete Jörg, wie dort gerade ein Auto bei der Eintrittsschranke vorfuhr, um sich anzumelden. Der Soldat, der den Eingang bewachte, hielt den Lauf seines Sturmgewehrs direkt durch das geöffnete Fenster auf den Fahrer des Autos gerichtet. Da bleibt einem wirklich nur zu hoffen, dass man in El Salvador nicht ins Krankenhaus muss.

Jedenfalls ist uns bereits nach der ersten Taxifahrt das Interesse an San Miguel, der zweitgrössten Stadt El Salvadors, gehörig vergangen. Die Grossstädte El Salvadors sind wirklich nicht sehr anmächelig, insbesondere da hier auch die Bandenkriminalität am grössten ist. Aber dazu später mehr.
Die Busfahrt nach Perquin würde ebenfalls ungemütlich werden, es war ein weiter Weg in die Berge und es gab hier keinen «Especial»-Bus. Wir wussten auch nicht, wie die Sicherheitslage auf dem Weg dorthin aussieht, es gab sehr widersprüchliche Aussagen von den Leuten, die wir danach befragt hatten. Wie uns gesagt wurde, gibt es im Osten Salvadors überhaupt keine ausländischen Touristen, die Wenigen, die das Land bereisen, sind nur im Westen anzutreffen. Wir entschieden uns daher, uns nach einem Auto umzusehen, welches uns dorthin bringen könnte. Wir fragten im Hotel nach, und es bestätigte sich, dass El Salvador überhaupt nicht auf Touristen mit solchen Sonderwünschen vorbereitet ist. Die Frau an der Rezeption reagierte jedenfalls ziemlich verdutzt auf unsere Anfrage und meinte, da müssten wir wohl auf der Strasse ein Taxi fragen. Da schaltete sich ein weiterer Hotelangestellter ein, und meinte, er würde mal seinen Sohn fragen, ob er Zeit habe. Und tatsächlich wartete am nächsten Morgen Carlos, der Sohn des Hotelangestellten, vor dem Hotel auf uns, um uns nach Perquin zu fahren. Es war uns auch lieber, mit jemandem zu fahren, von dem wir wenigstens wussten, wo sein Vater arbeitet, als mit irgendeinem x-beliebigen Taxifahrer von der Strasse.

Mit dem Privatauto dauerte die Fahrt auch nur etwa 2h, also die Hälfte der Zeit, die wir mit dem Bus benötigt hätten. Carlos war leider nicht sehr gesprächig, daher verlief die Fahrt ziemlich ruhig. In Perquin angekommen gab er uns noch seine Natelnummer, so dass wir ihn über Whatsapp für die Rückfahrt kontaktieren könnten, wir sollten einfach 3h vorher Bescheid geben. Klar, es war für ihn ein gutes Geschäft, scheinbar schien er ja nicht viel zu tun zu haben, wenn er innerhalb von 3h wieder dort sein könnte. Und für uns war es natürlich eine angenehme und sichere Art zu reisen, also eine klassische Win-Win-Situation, würde ich sagen.

Perquin ist ein hübsches kleines Nest in den Bergen El Salvadors, nahe der Grenze zu Honduras. Der Ort wird hauptsächlich von lokalen Touristen und Schulklassen besucht. Bekannt ist er, weil er im Bürgerkrieg die Hochburg der heutigen FMLN-Partei, der Guerillas war. Vor Ort gibt es ein Museum, das über den Bürgerkrieg berichtet, sowie ein nachgebautes Guerilla-Camp.
Unser gebuchtes Hotel Perquin-Lenca war wahnsinnig hübsch, es liegt an einem Hügel im Wald und bietet neben einem guten Preis-Leistungsverhältnis ein ziemlich gutes Restaurant und Hängematten unter den Bäumen, wo man gemütlich die Tage ausklingen lassen kann.
Am Nachmittag nach unserer Ankunft besuchten wir das Städtchen und spazierten ein wenig dort herum. Und dort geschah es tatsächlich, dass wir das allererste Mal ausgeraubt wurden: Jörg hatte soeben eine Dose mit Orangenlimonade in einem Laden gekauft und wollte diese gerade trinken. Da kam ein Mann vorbei und nahm ihm die Dose aus der Hand. Ich habe es zuerst gar nicht recht mitbekommen, der Kerl faselte irgendwelches Zeugs, von wegen das seien ja gar keine echten Orangen, keine Ahnung, wir haben es nicht verstanden. Jedenfalls schnappte er sich die Dose, und machte sich damit davon. Wir standen dort wie die Esel am Berg, schauten dumm aus der Wäsche und verstanden die Welt nicht mehr, während zwei andere ältere Männer, die am Strassenrand sassen und das Geschehen beobachtet hatten, sich halb tot lachten. Naja. Minus eine Orangenlimonade. «Gschäch nüt schlemmers», wie man in der Schweiz zu sagen pflegt. «Zum Wohl», wünschten wir dem dreisten Limonaden-Dieb.

Über das Hotel gelangten wir an unseren Guide Rafael. Spät abends sandten wir ihm noch eine Nachricht und er war prompt bereit, uns am nächsten Morgen nach El Mozote zu begleiten. Rafael ist ein Kriegsveteran des Bürgerkriegs und kämpfte auf der Seite der FMLN-Guerillas. Deutliche Spuren des Kampfes zeichnen seinen Körper, mehrere Male sei er angeschossen worden. An einer seiner Hände fehlen beispielsweise sämtliche Fingerkuppen.
In El Mozote befindet sich eine Gedenkstätte für ein Massaker an etwa 900 Zivilisten (auch Frauen und Kinder), welches im Dezember 1981 durch Regierungssoldaten während des Bürgerkrieges verübt wurde. Das Massaker war der gewalttätigste Angriff der Staatsmacht auf die Zivilbevölkerung während des Bürgerkriegs und gilt als eines der größten Kriegsverbrechen in der Geschichte Mittelamerikas..
Nach El Mozote gelangten wir, um es mit Rafaels Worten zu sagen, mit «Transporte informal». Will heissen, wir marschierten mal los und hofften, unterwegs auf Bekannte von Rafael zu treffen, die uns ein Stück mitnehmen könnten. So stiegen wir ein paarmal um, von Pick-up-Ladefläche zu Pick-up-Ladefläche, während wir zwischendurch immer mal wieder ein Stück zu Fuss gehen mussten, bis wir den nächsten Bekannten trafen. Glücklicherweise mussten wir aber nur einen kleinen Teil der ganzen (ziemlich langen) Wegstrecke zu Fuss zurücklegen, man kennt sich hier eben unter Kriegsveteranen.
Die Gedenkstätte selber ist nicht wahnsinnig spektakulär. Es gibt ein Denkmal, und dahinter sind die Namen der Opfer und deren Alter in Steinplatten graviert. Ergreifender war es, den Geschichten von Rafael selber und einer Zeitzeugin und Überlebenden des Massakers zuzuhören. Männer, Frauen und Kinder wurden während dieses schicksalhaften Tages in Gruppen auf den Platz vor der Kirche geführt, und einer nach dem anderen umgebracht. Die jungen Mädchen wurden auf einen nahen Hügel geführt, dort vergewaltigt und anschliessend ebenfalls umgebracht. Es gibt ein Buch, welches über die Geschehnisse berichtet, von einer weiteren überlebenden Frau namens Rubina Amaya, welches ich vor Ort gekauft habe, und nun am Lesen bin. Da es allerdings ausschliesslich auf Spanisch verfügbar ist, dauert das Lesen etwas länger. Rubina erzählt darin jedenfalls auf herzzerreissende Weise, wie sie an diesem schrecklichen Tag von ihren 4 Kindern getrennt wurde. Es gelang ihr zu fliehen, aber sie musste ihre Kinder zurücklassen. Während sie sich versteckte, erkannte sie die Schreie ihrer Kinder, als diese getötet wurden.
Als wir beim Denkmal waren, kamen auch noch 2 Frauen vorbei, um Blumen niederzulegen für ihre Familien, die ebenfalls bei dem Massaker ums Leben gekommen waren.
Trotzdem erstaunte es uns, dass die Gegend wieder so belebt war und so viele Menschen hier wohnten. Rafael erklärte uns, dass während den Monaten November und Dezember viele Leute die Dörfer verlassen, um auf den Feldern Kaffee zu ernten. Diese Leute wurden vom Massaker verschont und kehrten anschliessend in die Region zurück, gründeten neue Familien und beteiligten sich am Wiederaufbau.
Der Bürgerkrieg in El Salvador dauerte von 1980 bis 1992, also 12 Jahre des Kampfes. Grund für den Krieg war vor allem die vorherrschende Armut der Landbevölkerung. Der Reichtum, welcher im 20 Jh. vor allem durch Kaffeeexport erzielt wurde, wurde von nur 2% der salvadorianischen Bevölkerung kontrolliert. Ausserdem schwappte zu dieser Zeit das Gedankengut und der Funke der Revolution und des bewaffneten Guerilla-Widerstands von Kuba und auch von Nicaragua herüber. Spannenderweise findet man auch in El Mozote und an vielen anderen Orten El Salvadors Bilder von unserem Freund El Commandante Che Guevara. Wir sind rückblickend sehr froh, unsere Reise in Kuba gestartet zu haben, da diese Erfahrung viel dazu beigetragen hat, ein Gefühl für das damals in diesem Teil der Welt herrschende Klima der revolutionären Guerilla-Bewegung zu bekommen.
Am 24. März 1980 wurde der um gesellschaftlichen Ausgleich und Frieden bemühte Erzbischof Oscar Romero ermordet, während er in der Krankenhauskapelle des Hospital Divina Providencia in San Salvador die Messe las. Dieser Mord hatte einen bewaffneten Aufstand zur Folge, der noch im selben Jahr in einen Bürgerkrieg mündete.
Die US-Regierung unterstützte damals die Militärdiktatur El Salvadors, wodurch das Land ein weiterer Schauplatz des kalten Krieges wurde. Neben Militärberatern und Kriegsgerät wurden auch horrende Geldsummen in das Land transferiert. Die Anti-Guerilla-Einheit, die für das Massaker in El Mozote verantwortlich war, wurde von US-Soldaten gebildet und trainiert. Ohne die Einmischung der US-Amerikaner wäre das salvadorianische Militär längst dem Untergang geweiht und der Krieg beendet gewesen, die Finanzspritze aus den Staaten hatte also eine Verlängerung des Konflikts zur Folge. Bis die Friedensgespräche 1992 zwischen der FMLN und der Regierung Salvadors abgeschlossen und ein Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte, forderte der Krieg etwa 70'000 Opfer, hauptsächlich Zivilisten.
Ein interessanter Fakt, der zum Schmunzeln anregt: Rafael erzählt uns, dass die Guerilleros ihre Waffen aus Nicaragua kauften. Und zwar vom Militär, welches diese Waffen während des Bürgerkrieges in Nicaragua aus den USA geliefert bekam. Es ist ja bekanntlich nichts Neues, dass die Amerikaner irgendwann immer wieder gegen ihre eigenen Waffen kämpfen.

Für den Rückweg aus El Mozote nahmen wir den Bus, der nur wenige Male am Tag fährt. Wir erzählten Rafael, dass wir vorhatten am Nachmittag noch das Museum und das Guerillacamp zu besuchen. Er bot sofort an, uns auch noch dorthin zu begleiten.
Das Museum ist relativ schlicht und besteht hauptsächlich aus Fotografien. Es gibt wenig Text und Erläuterungen dazu. Daher war es gar nicht schlecht, Rafael dabei zu haben.
Spannend war, dass Rafael während unseres Besuchs auch mit anderen einheimischen Museumsbesuchern ins Gespräch kam, und dabei einige hitzige Diskussionen entstanden, besonders darüber, ob die Situation denn nun überhaupt besser sei oder nicht. Jörg und ich standen daneben und versuchten angestrengt, möglichst alles zu verstehen, was die Salvadorianer unter sich sprachen, aber es war teilweise einfach zu schwierig. Trotzdem wurde klar, dass der Krieg und die damit verbundenen sozialen Fragen die Bevölkerung immer noch beschäftigen. Einer dieser Männer, die wir dort trafen, erzählte uns, dass einige seiner Onkel auf Seite der Guerillas gekämpft hätten, während andere Onkel dem salvadorianischen Militär dienten. Es war offenbar häufig, dass der Krieg auch Familien spaltete. Wir fragten ihn, wie das Klima denn heute in der Familie sei, ob es diese Konflikte immer noch gebe? Nein, sagte er, es gibt keine Konflikte mehr, es ist friedlich in der Familie, das ist alles Vergangenheit.
Was denn die Veteranen nach dem Krieg machten, fragten wir? Die meisten seien einfach wieder Bauern geworden, wie vorher, erzählte Rafael. Einige seien heute Guides, so wie er selbst.
In einem der Räume im Museum werden die Waffen der Guerilleros von damals ausgestellt. Und dort blühte Rafael so richtig auf. Jedes Gewehr wurde uns demonstriert, überall schraubte und hantierte er eifrig herum. Diese Waffen waren für lange Zeit seine Begleiter, das merkte man deutlich. Auch die anderen Herren im Raum liessen sich von seiner Begeisterung anstecken und allesamt stiessen sie bewundernde Laute aus, wenn Rafael die Kaliber nannte, und die Distanz über welche man mit dem Gewehr treffen kann, und was halt sonst noch so alles wichtig ist bei Waffen. «Ooooohhhh! Ahaaaaaaa! Woooow!»
Und ich? Ich stand halt gelangweilt daneben, für Kriegsmaschinerie kann ich keine Begeisterung entwickeln, und Handtaschen gabs dort keine zu kaufen. 😊

Anschliessend gingen wir noch mit Rafael durch das nachgebaute Guerilla-Camp. Dies ist ganz klar ein Touri-Gag, aber noch ziemlich unterhaltsam. Man kann die Zelte sehen, die die Guerillas benutzt haben, unterirdische Schutzbunker, eine nachgebaute Station des Guerilla-Radios «Venceremos», und auch hier wieder allerlei Waffen, Bomben und Kriegsplunder. Ausserdem führen einige nicht sehr vertrauenserweckende Hängebrücken durch den Wald, über die man gehen kann (wenn man sich traut). Es war ganz witzig, mit Rafael das Camp zu besichtigen. Immer wieder betonte er, dass es übrigens damals keine Spazierwege gegeben habe, da wäre man ja sofort aus der Luft aufgespürt worden!

Anschliessend brachte Rafael uns zurück zum Hotel und wir verabschiedeten uns. Es war ein spannender und unterhaltsamer Tag gewesen mit ihm.

Da es in Perquin ansonsten nicht sehr viel zu sehen gibt, bestellten wir unseren Freund Carlos für den nächsten Morgen und fuhren mit ihm zurück nach San Miguel. Er brachte uns gleich zum Busterminal, von wo wir gleichentags noch den Bus zurück nach San Salvador nahmen.

Perquin hat uns sehr gefallen. Wie wir erfahren haben, finden kaum ausländische Touristen ihren Weg hierher. Dabei ist es ein charmantes kleines Städtchen in den Bergen mit angenehmem Klima, wo man gut 1-2 Tage verbringen kann. Man sieht hier eigentlich auch keine Waffen (ausser denen im Museum), es ist sehr ruhig, sicher und gemächlich hier, und die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit (wenn sie einem nicht gerade das Getränk klauen).

Antworten

El Salvador
Reiseberichte El Salvador
#elsalvador#perquin#sanmiguel#bürgerkriegelsalvador