Wir reisen, also sind wir
Wir reisen, also sind wir
vakantio.de/wirreisenalsosindwir

3-Länder-Eck: Tabatinga (Brasilien), Leticia (Kolumbien), Santa Rosa (Peru)

Veröffentlicht: 25.08.2018

Ursprünglich hatten wir mal geplant, von Manaus direkt nach Lima zu fliegen. Vor Ort kamen wir dann aber auf die Idee, mit dem Schiff durch den Amazonas nach Peru zu fahren, hauptsächlich um Kosten zu sparen, aber auch, weil es sich ja schliesslich ganz abenteuerlich anhört, nicht wahr? Wir erkundigten uns und fanden heraus, dass es kein direktes Schiff gibt. Man musste zuerst mit einem Amazonas-Flusschiff nach Tabatinga an der Brasilianisch/Kolumbianisch/Peruanischen Grenze fahren, und von dort weiter mit dem Schnellboot nach Peru. Da man in dieser Richtung flussaufwärts unterwegs ist, dauert die Flussschifffahrt 7 Tage. Die günstigste Variante wäre dabei mit einer Hängematte auf dem Oberdeck zu schlafen, aber man kann auch eigene Kabinen mieten. Wir trafen im Internet auf Reiseberichte, die wahren Horrorstories gleichkamen, überfüllte Boote, hunderte Hängematten, die übereinander und nebeneinander hängen, geklautes Hab und Gut, von hygienischen Zuständen und Verpflegung ganz zu schweigen. Die Hängemattensache kam ohnehin von vornherein nicht für uns in Frage (sorry, aber muss ich das echt begründen?). Aber auch die Idee mit der eigenen Kabine war relativ schnell begraben angesichts der Tatsache, dass man 7 Tage auf diesem Schiff herumhängen würde und es absolut nichts zu tun gab, ausser gegen Moskitos zu kämpfen. So abenteuerlich es sich auch anhört, tausende Kilometer auf dem längesten Fluss der Welt mit dem Schiff zurückzulegen, so ist es in Tat und Wahrheit wohl eher totlangweilig (das sagen jedenfalls auch alle Locals in Manaus) und ausgesprochen mühsam. Man muss auch bedenken, dass der Amazonas stellenweise mehrere Kilometer breit ist, und man meist ziemlich weit weg vom Ufer fährt, so dass man auch überhaupt nichts sehen würde, wilde Tiere oder ähnliches. Also nein. 

Alternativ fährt auch 3x die Woche ein Schnellboot nach Tabatinga, die Fahrt dauert offiziell 36h. Wir haben am Hafen ein paar Leute angehauen und gefragt, ob wir so ein Schiff besichtigen könnten. Konnten wir. Nun, man muss es sich in etwa vorstellen wie ein Reisebus.Nur dass wir normalerweise 36-stündige Busfahrten vermeiden. Und erfahrungsgemäss dauern 36 lateinamerikanische Stunden wohl eher 40, wenn nicht noch mehr. Jörg war anfangs tatsächlich dafür, diese Fahrt mit diesem Boot anzutreten! Gerade er, der nicht einmal auf dem Sitz sitzen konnte, ohne dass seine Knie am vorderen Sitz anstanden, von der Kopflehne, die für ihn nicht hoch genug war, will ich gar nicht sprechen! Und dann gab es auch noch pro Sitzreihe je 3 Sitze links und rechts, so dass einer von uns noch in der Mitte sitzen müsste. Eingeklemmt für 40 endlose Stunden! Mir war klar, dass wir uns schon wenige Stunden nach der Abfahrt für diese Entscheidung hassen würden. Ich bin sonst immer zu haben für Abenteuer, aber hier legte ich mein Veto ein! Ohne mich! Das würde ich mir definitiv nicht antun. Es musste also eine andere Lösung gefunden werden...

Die Lösung lautete schlussendlich, dass wir von Manaus nach Tabatinga fliegen, und von dort mit dem Schnellboot «nur» 10h nach Iquitos fahren würden. Von Iquitos nach Lima musste man zwar auch wieder fliegen, aber Inlandsflüge sind sehr viel günstiger als internationale Flüge. Und gleich vorneweg: die «nur» 10h Fahrt mit dem Schnellboot nach Iquitos dauerten letztendlich 15h und es war die absolute Hölle auf Erden! Es war also eine mehr als gute Entscheidung gewesen, den Flug nach Tabatinga zu nehmen.

Es ist ein komischer Flecken Erde, dieses 3-Ländereck Brasilien / Kolumbien / Peru. Die Grenzstädte Tabatinga (Brasilien) und Leticia (Kolumbien) liegen so nahe beieinander, dass es sich genau genommen um ein und dieselbe Stadt handelt. Nur ein kleines Häuschen neben einer Querstrasse, die die Grenze markiert, deutet auf einen Grenzposten hin. Als Tourist kann man sich frei zwischen den beiden Städten hin- und herbewegen, ohne irgendwelche Grenzformalitäten abzuwickeln. Erst wenn man weiter ins Inland eines der Länder möchte, muss man offiziell Aus- bzw. Einreisen. Das «Städtchen» Santa Rosa (Peru) liegt auf einer Insel, die man aus Tabatinga mit einer kleinen Fähre erreicht. Dazu später mehr.
Das komplizierte an der ganzen Sache ist hauptsächlich die Sache mit den Währungen. In jeder Stadt gilt natürlich die jeweilige Landeswährung. Wenn man nicht von vornherein Geld in alle 3 Währungen wechseln will, kann man davon ausgehen, dass man mit Sicherheit stets die falsche dabei hat. Natürlich kann man überall mit allen Währungen zahlen, allerdings meist zu einem miesen Wechselkurs. Das bedeutet, dass es wirklich kaum möglich ist, diesen gottverlassenen Fleck Erde zu besuchen, ohne einen gehörigen Währungsverlust einzufahren.
Die zweite ungewöhnliche Tatsache war, dass man natürlich in Leticia und Santa Rosa spanisch spricht und in Tabatinga immer noch portugiesisch. Aber das kam uns eher entgegen. Es war eine wahre Freude, endlich wieder an einem Ort zu sein, wo man mit den Leuten sprechen konnte, und erst da wurde einem so richtig bewusst, wie sehr man das eigentlich schätzen muss, dass auf diesem Kontinent die meisten Leute spanisch sprechen. Wir haben schon viele Länder (va. In Asien) bereist, wo wir die Landessprache nicht konnten, und wir sind mit Englisch immer gut durchgekommen. Aber es ist eine ganz andere Qualität des Reisens, wenn man die Sprache der Menschen beherrscht, die in dem Land leben und sich mit ihnen unterhalten kann. Das ist mir während unserer Zeit in Brasilien sehr bewusst geworden.
Das letzte ungewöhnliche war die Sache mit der Zeit. Im Reiseführer hatte gestanden, dass es zwischen Tabatinga und Leticia einen Zeitunterschied von 1h gibt. Wir sind die ganze Zeit davon ausgegangen, dass das stimmt. Tatsächlich ist das aber heutzutage wohl nicht mehr so, allerdings gibt es den Zeitunterschied zwischen Manaus und Tabatinga. Irgendwann haben wir es dann aber doch geschnallt, dass wir mit der Zeit immer irgendwie falsch lagen.

Da es in Tabatinga kaum touristische Infrastruktur gibt, buchten wir unser Hotel in Leticia, und damit kamen wir wieder auf kolumbianischen Boden. Hurra! Selbst nach all den Ländern, die wir seit unserer Zeit in Kolumbien bereist haben, ist Kolumbien nämlich immer noch unser Lieblingsland. Wie schonmal erwähnt, hatten wir schon lange überlegt, in welchem Land wir in den Amazonas fahren wollten, und auch Kolumbien bzw. Leticia stand dabei zur Debatte. Lustigerweise haben wir nun mit unserer spontan gewählten Route gleich alle Fliegen mit einer Klappe geschlagen und den Amazonas gleich in 3 Ländern besucht. Warum nicht?

In den 3 Ortschaften gibt es ausser den üblichen Touren zu Dschungellodges nicht sehr viel zu sehen, und das hatten wir ja schon in Manaus gemacht. Wir trieben uns einen Nachmittag lang etwas in Leticia rum und waren pünktlich zum Sonnenuntergang im Parque Santander, um ein ganz besonderes Spektakel zu beobachten. Zu Sonnenuntergang fliegen nämlich tausende kleine Papageien in den Park ein, um für die Nacht Schutz zu suchen. Ironischerweise ist ein kleiner Park in einer Stadt für sie offenbar sicherer als ihre natürliche Umgebung im Dschungel. Und es waren tatsächlich tausende, der Himmel war schwarz von ihnen, das Gekreische war ohrenbetäubend. Und alle liessen sie sich nach und nach auf den Bäumen im Park nieder, dicht an dicht gedrängt. Auf den ersten Blick mochte man meinen bei den schwarzen Punkten auf den Ästen handele es sich um Blätter des Baums, aber nein, alles waren es Vögel.

Da das Schnellboot nach Iquitos nur alle 2 Tage fährt und ausgerechnet Montags nicht (wir kamen am Sonntag an), blieb uns nichts anderes übrig, als hier so lange zu warten. Für die Zwischenzeit stiess ich dank intensiver Recherche noch auf ein weiteres kleines Highlight. Nahe von Leticia gab es ein Schutzgebiet namens Reserva Tanimboca, wo man in einem Baumhaus übernachten konnte. Und wir hatten mal wieder Glück, trotz der kurzfristigen Anfrage hatten sie tatsächlich noch Platz. Also fuhren wir dorthin und wurden dann von einem Angestellten der Reserva eine Weile durch den Dschungel geführt, bis wir unser Baumhäuschen erreichten. Das war wirklich cool! Es war ein winziges Holzhäuschen, gut 20m hoch in einen Baum gehängt. Über eine Holztreppe konnte man hinaufgelangen. Im Häuschen gab es ein kleines Doppelbett und sogar eine Dusche und ein WC. Das war wirklich eines der spektakulärsten Klos, auf denen ich bisher gesessen habe! Mit direkter Sicht in den dichten Dschungel. Irgendwann schnallten wir auch, dass es sich bei den schrillen Pfeiftönen, die wir die ganze Zeit hörten, um Fledermäuse handelte, die unter unserem Dach hingen.
Nachmittags wanderten wir noch auf eigene Faust auf den gekennzeichneten Wanderwegen durch das Schutzgebiet.
Abends dann holte uns der Angestellte wieder ab und unternahm mit uns eine Nachtwanderung, bevor es zum Abendessen ging. Während der Tour sahen wir Insekten, Spinnen, Frösche, .
Zum Abendessen gab es eine Art Pizza aus Maniokmehl. Das war mal etwas anderes und es war auch ganz gut, allerdings waren die Portionen etwas sehr winzig.
Nach dem Essen wurden wir wieder zurückbegleitet. Es ist eben schon nicht so ganz ungefährlich, nachts durch den Dschungel zu laufen, da die meisten gefährlichen Tiere (Skorpione, Schlangen) nachtaktiv sind.
Im Spass fragten wir unseren Guide, ob es oft Schlangen in den Baumhäusern gäbe? Er antwortete leider ziemlich ernst: ja die Chance, dass es eine Schlange im Baumhaus gibt, sei etwa 90%. - Wir schluckten leer. - Und was sollten wir dann tun, wenn wir eine Schlange antreffen würden, fragten wir? - Wir sollen einfach Lärm machen, meinte er, die gehe dann schon wieder weg. – Und was, wenn sie nicht wieder weggeht? – Nun, dann bleibt sie wahrscheinlich einfach im Dach des Häusschens sitzen......aha....sehr beruhigend....zugegebenermassen fand ich die ganze Sache plötzlich irgendwie nicht mehr ganz so cool. Aber was hatte ich mir in meiner grenzenlosen Naivität denn bitte auch gedacht? Undichtes Holzhaus in einer Baumkrone im Amazonas.......natürlich gibt es da Schlangen!!!!!!!!!!!
Natürlich machte ich fleissig Radau, bevor ich nachts aus dem Bett stieg, um aufs Klo zu gehen. Zu Jörgs Pech natürlich, aber das war halt Kollateralschaden.
Wenn tatsächlich eine Schlange dort gewesen war, hatte ich sie zumindest nicht gesehen, und das war ein Kompromiss mit dem ich gut leben konnte.
Auch hier war es wieder sehr eindrücklich, wie laut es nachts im Wald ist. Unzählige Geräusche von unzähligen Tieren. Man möchte wahrscheinlich gar nicht so genau wissen, was da alles um einen herum kriecht und fliecht. Aber es ist auch ganz wunderbar, beim Einschlafen den Geräuschen der Wildnis zu lauschen.

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus zurück nach Tabatinga, um uns dort bei der Polizei den Ausreisestempel aus Brasilien zu holen. Anschliessend fuhren wir zum «Hafen», um mit der Fähre nach Santa Rosa überzusetzen. Beim Hafen handelte es sich um ein Floss, auf das man über einige im tiefen Matsch liegende Holzplanken gelangen konnte. Der «Hafen» in Santa Rosa sah genauso aus, nur dass man dort bisweilen noch nasse Füsse bekommen konnte, wenn man nicht gehörit aufpasste, da die Holzplanken teilweise im Wasser lagen. Die ganze Sache wirkte also sehr zivilisiert.
Auch hier sind wir mal wieder in eine typische Touristenfalle reingetappt, auch als Langzeitreisender ist man bisweilen nicht davor gewappnet, das muss ich immer wieder betonen. Wir hatten uns dummerweise zuvor nicht wirklich genau informiert, wo unsere Unterkunft lag, also heuerten wir einen Tuktuk-Fahrer an, und handelten mit ihm einen Fahrpreis aus, der aus unserer Sicht ok war. Wir beluden das Tuktuk mit all unserem Krempel, zwängten uns hinein, und der Fahrer gab Gas.....fuhr 100 Meter.....hielt an, und meinte, hier sei nun unser Hostel....Hahaha....

Nach unserer Ankunft mussten wir das Migrationsbüro in Santa Rosa aufsuchen, um offiziell in Peru einzureisen. Also machten wir uns auf nach Downtown Santa Rosa. Wir waren in unserem Leben und speziell auf dieser Reise tatsächlich schon an einigen Orten, die das Prädikat «Arsch der Welt» verdient hatten. Aber dieses Kaff schlägt wirlich alles bisher da gewesene um Längen. Man muss beinahe ein neues Prädikat dafür erfinden. Vielleicht gottvergessenster, hinterletzter, dreckslochartigster Arsch vom Ende der Welt? Nun, vielleicht kommt mir dann ja mal noch etwas Kreativeres in den Sinn....
Die «Ortschaft» besteht jedenfalls nur aus einer einzigen Strasse, die von ein paar Bruchbuden gesäumt ist.

Nachdem wir dann den Stempel endlich hatten, gab es tatsächlich nichts anderes zu tun, als auf die Abfahrt des Schiffs zu warten.
Im Hostel hatte man uns gesagt, dass es ganz einfach sei, zu Fuss zur Ablegestelle des Schnellbootes zu fahren. Die Strasse runter, links, 10 Minuten. Es gäbe viel Verkehr um diese Zeit, es sei nicht gefährlich!
Wenn das so einfach ist, dachten wir uns, müssen wir ja nicht unbedingt vorher schon nachsehen gehen. Wir fanden uns dann morgens um halb 4 wieder, in der Dunkelheit mit all unserem Gepäck durch einen hügeligen Acker irrend, mutterseelenallein ohne irgendeine andere Menschenseele, und fragten uns: was zum Teufel tun wir hier eigentlich?!
Irgendwann kam dann zum Glück ein Tuktuk vorbei, welches wir uns dann natürlich gleich schnappten, um zur Anlegestelle der Fähre zu fahren. Es wäre noch ein ziemlich langer Fussmarsch gewesen, soviel war klar.
Und es würde eine noch viel längere Bootsfahrt werden, soviel würde bald klar werden.....        

Antworten (1)

Fritz
Ich finde die Ausdrucksweise ziemlich respektlos gehenüber den Menschen die dort leben. Ich kenne die Orte lezicis, Tabatinga Santa Rosa u.a. und Reisen bedeutet für mich auch zu sehen wie Menschen unter anderen Umständen auch an entlegenen Orten leben, arbeiten und feiern. Aber eine Wertung steht uns verzogenen Gringo Touristen sicher nicht zu.

Kolumbien
Reiseberichte Kolumbien
#tabatinga#brasilien#leticia#kolumbien#santarosa#peru