Wir reisen, also sind wir
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Brasilien: Rio de Janeiro

Veröffentlicht: 25.08.2018

Während unseres kurzen Heimaturlaubs in der Schweiz entschlossen wir uns kurzerhand, nicht mehr nach Ecuador zurückzufliegen, da die Flüge dorthin wahnsinnig teuer waren. Alternativ wählten wir Rio, welches einer der günstigsten Hubs für Flüge ab Europa nach Südamerika ist.

Wir hatten eine Unterkunft im Stadtteil Copa Cabana gebucht, und es war auch wirklich nur ein kurzer Fussmarsch zum Strand. Natürlich fröhnten wir für einen Nachmittag dem süssen Nichtstun am Strand, mieteten uns einen Liegestuhl und mischten uns unter die Massen, die sonntags den Strand beherrschten. Baden im Meer war allerdings nicht so cool, da es einerseits gar nicht so warm war und es andererseits ziemlich hohen Wellengang gab. Also begnügten wir uns mit faulenzen, Caipirinha trinken und lesen.

Natürlich besuchten wir gleich zu Beginn unseres Aufenthalts eines der aboluten Must-See’s in Rio: den Christo Redentor. Mit einem Taxi fuhren wir zur Haltestelle der Standseilbahn, die uns zum berühmtesten Wahrzeichen Rios bringen würde. Von oben genossen wir die Aussicht auf die Stadt, und machten natürlich die üblichen Fotos, bei denen der Fotographierende am Boden liegt und der andere über ihm steht, um auch ja schön die gesamte Statue und niemand sonst im Bild zu haben (obwohl es natürlich vor anderen Leuten nur so wimmelte). Für diesen Zweck gibt es sogar extra Liegematten.
Auf dem Rückweg kamen wir noch an der Rodrigo de Freitas Lagune vorbei, ein kleiner See inmitten von Rio. Dort konnte man Pedalos mieten, entlang des Ufers spatzieren oder Sport treiben und es gab auch einige Restaurants und Imbisse, wo wir etwas assen.

Am nächsten Tag machten wir uns mit der Metro auf in die Innenstadt. Direkt neben der Haltestelle, wo wir ausstiegen, lag der Camp de Santana, ein wunderschöner Park, wo es auch viele Tiere gab. Von dort marschierten wir erstmal zum Sambodromo, wobei es sich um ein langgezogenes Open-Air-Station handelt, wo jährlich die Carnevals-Paraden stattfinden. Wenn es nicht gerade Carneval ist (was es zu der Zeit nicht war), gibt es dort ausser verlassenen Tribünen allerdings nicht viel zu sehen.
Auf unserem Weg durch die Stadt kamen wir an der Catedral Metropolitano vorbei und an den Arcos de Lapa bevor wir zur Escadaria Selaron an, ebenfalls eine beliebte Attraktion in Rio. Am Fuss der mit farbigen Kacheln geschmückten Treppen trafen wir auf ein deutsches Restaurant, wo es ein wunderbares Wienerschnitzel gab....mit Kartoffelsalat.....so ganz ohne Reis...Mmmhhh...
Vom oberen Ende der Treppe marschierten wir weiter bergauf, und gelangten so in den angeblich so schönen Stadtteil Santa Teresa. Es war ganz nett, es gab hübsche Häuser und entland der Route einige Souvenirgeschäft. Wir genehmigten uns einen Caiprinha, bevor wir mit der Bonde-Strassenbahn wieder runter ins Stadtzentrum fuhren.
Was mir an der Innenstadt von Rio am besten gefallen hat, war der Kontrast zwischen alten Bauten und schönen Kirchen und modernen Gebäuden und Hochhäusern.

Für den nächsten Tag hatten wir eine sogenannte Favela-Tour gebucht. Bei Favelas handelt es sich um wildgewachsene, slum-artige Wohnsiedlungen der Unterschicht. Allein in Rio gibt es mehrere hundert Favelas, teilweise ganz kleine, teilweise riesige. 20% der Einwohner der Stadt leben in Favelas. Unser Guide erzählte, dass die Favelas aufgrund innländischer Migration in die südlichen Städte Brasiliens entstanden sind, und dass das Problem vom Staat massiv unterschätzt wurde. So nahm man offenbar an, dass die Leute irgendwann dann einfach wieder weiterziehen und sich die Favelas wieder in Luft auflösen würden. Aber das geschah natürlich nicht und so gehören diese Wohnsiedlungen zur sozialen Realität im Land. Die Favelas gelten als gefährlich, deshalb wird einem empfohlen, sie nur mit einem Guide zu besuchen. Wobei natürlich auch nicht alle so gefährlich sind, aber Tatsache ist, dass es auch hier Banden gibt, die unter anderem im Drogen-Schmuggel-Gewerbe tätig sind.
Zunächst besuchten wir Rocinha, eine der grössten Favelas der Stadt. Hier spatzierten wir ein Stück entlang der engen Hauptstrasse, wo es viele kleine Geschäfte und Läden gibt. Ausserdem besuchten wir einen privaten Kindergarten.
Als nächstes fuhren wir in eine kleine Favela namens Vila Canoa, die als relativ sicher gilt. Die Siedlung befindet sich direkt angrenzend an ein sehr teures und elegantes Viertel Rios. Die Leute hatten sich hier einfach ein kleines Fleckchen Land zwischen den Villen und Herrschaftshäusern zu eigen gemacht und ihre eigenen Hütten gebaut. Es gäbe aber ein sehr gutes Verhältnis zwischen den Reichen und ihren Nachbarn in der Favela. Man helfe sich gegenseitig, viele der Leute aus der Favela arbeiten als Bedienstete in den grossen Häusern und die Reichen gingen in die kleinen Läden der Favela-Bewohner zum Einkaufen. Hier durften wir sogar durch die engen, verwinkelten Gassen und Treppen spatzieren udn wurden von jedermann freundlich gegrüsst.
Die Favela-Tour war zwar nicht gerade tagesfüllend und auch nicht mit touristischen Highlights ausgestattet, aber es war trotzdem sehr interessant, auch diese Gegenseite zum Trubel und der Chiceria in Cobacabana und Ipanema zu erleben.

Natürlich besuchten wir auch den Zuckerhut, ein weiteres Must auf einer Reise nach Rio. Auch von hier hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt, diesmal von der anderen Seite, so dass man auch den Cristo Redentor sehen kann.
Lustigerweise trug es sich zu, dass just während wir auf dem Zuckerhut waren, das Halbfinalspiel der WM zwischen Kroatien und England stattfand. Als ich durch einen Laden schlenderte, fragte mich die Verkäuferin woher ich stamme. Wie immer antwortete ich mit «Kroatien», worauf sie mich netterweise darauf hinwies, dass wir ja gerade spielten! Als Jörg und ich später auf einer Bank sassen und eine Zigarette rauchten, kam die Verkäuferin mit ihrem Handy aus dem Laden gerannt, um uns zu erzählen, dass Kroatien soeben ein Tor geschossen hätte! Das nennt man Service, vielen Dank! Tatsächlich gab es in einem der Restaurants einen Fernseher, wo das Spiel lief. Es hatte sich vor und im Restaurant eine grosse Menschentraube versammelt und auch wir verfolgten die letzten Minuten des Spiels. Wer hätte gedacht, dass wir, die wir überhaupt nicht an Fussball interessiert sind, tatsächlich noch auf dem Zuckerhut in Rio den Sieg «unserer» Mannschaft bejubeln würden.
Wir blieben eine Weile auf der Aussichtsplattform, so dass wir nicht nur den Sonnenuntergang, sondern auch noch «Rio by Night» bewundern konnten. Wirklich bezaubernd.

Bereits als ich den Disney-Zeichentrick-Film «Rio» zum ersten Mal sah, rief ich laut aus: das will ich auch machen! Wisst ihr wovon ich rede? Von der Szene, als der Vogel namens Blue auf dem Segel eines Delta-Seglers sitzt, um fliegen zu lernen. Delta-Segeln über Rio! Davon rede ich, seit wir die Reise nach Südamerika geplant haben, und dieser Wunsch ging nun in Erfüllung. Leider war es gar nicht so einfach den Flug zu organisieren, da es nämlich gerade als wir dort waren, eine Schlechtwetterfront gab, wodurch die Windbedingungen ungünstig waren. Der Flug musste sogar einmal abgesagt und auf den nächsten Tag verschoben werden. Als dann endlich das SMS meines Fluglehrers kam, wo die Worte «Today it’s going to happen» drin standen, war ich zum einen glücklich, zum anderen seeeeeeehr nervös. Mein Fluglehrer Karl holte uns bei der Metro-Station nähe der Landezone ab. Dort musste ich mich registrieren und den üblichen Papierkram ausfüllen. Jörg, der schon einmal mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen ist, hatte keine Lust mitzufliegen, also wartete er unten am Strand in der Landezone, um Fotos machen zu können.
Karl und ich fuhren zur Abflugrampe bei Pedra Bonita. Dort angekommen wurde das Segel aufgebaut und wir mussten das nötige Equipment anziehen. Es war meiner Nervosität nicht gerade abträglich von diesem Berg nach unten zu schauen. Mann, war das hoch! Wie wahnsinnig muss man sein, um von diesem Berg herunterzupringen? Warum tat ich das hier gleich nochmal?! Richtig! Rio! Spannenderweise erzählte Karl, dass dieser Zeichentrickfilm der Branche einen riesigen Vorteil gebracht hat. Sie hätten schon zuvor Werbe- und Dokumentarfilme über das Deltasegeln in Rio gemacht, aber nichts davon sei so wirkungsvoll gewesen wie dieser Disney-Film.
Als alles bereit war, gab mir Karl die Einweisungen. Er erklärte, dass wir gemeinsam über die schräg stehende Rampe nach unten rennen mussten. Ich sah die Rampe...sie war schräg...und unten kam nichts mehr....Konrad meinte: «was immer du tust, bleib nicht stehen! Du musst rennen! Einfach immer weiterrennen, bis wir fliegen!»
Ich nahm all meinen Mut zusammen......und rannte....und rannte....und dann....flog ich! Es war coooooooooool! Sobald wir in der Luft waren, war sämtliche Angst sofort wie weggeblasen. Es war herrlich. Das spezielle am Delta-Segeln gegenüber des Paraglidens ist, dass man waagrecht in den Seilen hängt, die Welt also tatsächlich aus der Vogelperspektive sieht. Was für ein absolut unbeschreibliches Gefühl. Ich fing an zu singen: «I belive I can fly! I believe I can touch the sky...» Und Karl stimmte mit ein. Ich habe es wahnsinnig genossen.
Leider stimmt die Realität nicht so ganz mit dem Film überein. In Realität kann man leider keine Kreise um den Cristo Redentor ziehen, man sieht ihn ehrlich gesagt nicht einmal richtig. Man kann nämlich nicht direkt über der Stadt fliegen, sondern etwas ausserhalb. Dies zum einen wegen der Windbedingungen, die einen von der Startrampe gar nicht soweit herüber brachten. In Rio gibt es nämlich so gut wie keine Thermik, so dass man im Flug nicht aufsteigen kann, es geht nur nach unten. Zum anderen befindet sich auch der Flughafen mitten in der Stadt, daher ist es wohl auch sicherer, wenn man sich dort etwas fernhält.
Aber dafür hat man einen grossartigen Blick über die Rocinha-Favela, auf die Berge, den Wald und den Strand. Da es wie gesagt keine Thermik gibt, dauerte der Flug auch nicht sehr lange, lediglich etwa 10 Minuten, bevor man in Sao Cristao Beach landet.
Aber das war mir alles einerlei. Das war das erste Mal in meinem Leben, da ich so etwas gemacht habe, und es wird bestimmt nicht das letzte Mal sein. Es war absolut überwältigend und es war der perfekte Ort, um so ein erstes Mal zu erleben. Jedesmal wenn ich in Zukunft den Film Rio schaue, werde ich mich natürlich an meinen eigenen Flug über Rio erinnern. Was gibt es besseres im Leben, als solche Erinnerungen? Dafür reisen wir schliesslich.....

Für unseren letzten Abend in Rio hatten wir noch etwas spezielles gebucht. Nämlich einen kurzen Samba-Einführungskurs mit anschliessendem gemeinsamen Ausgehen in einen Samba-Club. Der Kurs fand in Copacabana in einem Hotel statt. Allerdings wurde uns bereits während des Kurses klar: wir mochten Samba nicht besonders. Einerseits gefällt uns die Musik nicht sehr, und auch der Tanz selber war nicht so unser Ding. Salsa gefällt uns definitiv viel besser und liegt uns auch mehr. Trotzdem hat es natürlich Spass gemacht, etwas neues auszuprobieren.
Anschliessend wurden wir mit Autos zum Rio Scenarium gefahren, einem bekannten Samba-Club im Stadtteil Lapa. Es war wirklich ein hübscher Club mit einem schönen Ambiente, es gab eine Live-Band und es war auch nicht so voll. Wir genehmigten uns ein paar Drinks und versuchten uns ein wenig mit den neu gelernten Schritten.
Als sich dann nach und nach alle anderen Teilnehmer verabschiedeten und nur noch wir übrig waren, sagte unser Tanzlehrer er würde noch in einen anderen Club weiterziehen, der eher von der lokalen Jugend besucht wird, und fragte, ob wir noch mitkommen wollten. Wir wollten! Also landeten wir in einer riesigen, ziemlich überfüllten Halle, wo ebenfalls eine Liveband um einen Tisch versammelt sass und spielte. Es wurde sofort deutlich, dass es sich hier um einen viel authentischeren Club handelte und wir waren froh, mitgegangen zu sein. Die Stimmung war ausgelassen, das brasilianische Temperament, von dem immer gesprochen wird, war hier definitiv zu spüren.
Auch hier genehmigten wir uns noch ein, zwei Caipis bevor wir dann langsam ebenfalls den Heimweg antraten.

Schlussendlich verbrachten wir fast eine ganze Woche in Rio. Dies zum einen sicher, da wir uns nach unserem ziemlich stressigen Aufenthalt zuhause etwas ausruhen und auch wieder in den «Reise-Groove» kommen mussten. Zum anderen gibt es in Rio wirklich viel zu sehen und zu tun. Die Stadt gilt wohl als eine der schönsten auf der Welt, und das ist sie ganz bestimmt. Die Lage zwischen den Hügeln umringt von Dschungel und Meer ist einzigartig und atemberaubend. Hierher komme ich gerne einmal wieder zurück.     

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