ab 15.05.: Iquique & Salpeter

Veröffentlicht: 19.05.2017

15.05.

die nacht ist im vergleich zu den 2.200 bis 2.600 m höhe eine gute nacht. normales durchatmen geht wieder.
frühstück auf meiner balkonterrasse, blick in den hafen und auf das treiben auf der straße. plötzlich stutze ich:
eine schwarze wolke, die nicht enden will, zieht sich mit ca. 20 cm abstand über den pazifik hinweg. eine lebendige wolke - ich vermute hunderte von gänsen, die die bucht auf der suche nach nahrung abfliegen. dieser riesenschwarn erinnert mich an die starenschwärme in den weinbergen, die wie eine schwarze wolke in die weinberge schießen, um sich an den weintrauben zu laben.
bevor ich losfahre muss ich noch das wasser durch kühlflüssigkeit ersetzen, finde erst nach mehren anläufen eine werkstatt mit angeliedertem laden, die mir einen kanister verkauft. wasser ablassen, nachfüllen, roller bepacken und dann richtung norden. es ist hier bewölkt, aber noch nicht heiss. die vepse läuft wie in alten zeiten, beschleunigt wie neu, die ruta 1 ist leer, die lkw scheinen aus den bergen gekommen zu sein - jetzt ist keiner mehr zu sehen, der milchig blau graue pazifik links von mir, gute straße, den wind im rücken und eine vepse, die sich richtig austoben will. 90, 100, 110, fast 120 km/h. kurvenreiche straße, die in die berge führt, die in die hänge reingefräst ist und die einen tollen blick runter auf die bucht und die kräftige brandung gibt. die berge, deren erste zweidrittel von dem vom strand kommenden sand zugedeckt sind, geben ein besonderes motiv ab.

Der Sand vom Stand wird an die Berge geweht und bedeckt sie hier schon fast vollständig

tatsächlich schaffe ich die 210 km nach iquique und komme an, als die sonne noch recht hoch über dem pazifik steht.
das war seit längerer zeit eine richtig schöne und entspannende tour.
Iquique zeigt sich mondän und reich. eine vierspurige straße die an der küste entlang führt, hohe und grüne palmen in der mitte, der grünstreifen saftig grün und gemäht, hochhäuser bestimmen skyline und stadtbild, von dem ursprünglich, typischen südamerikanischen flair - so wie gestern noch in tocopilla - ist hier nichts mehr zu spüren.

die vierspurige avenida ist gesperrt, weil hier die jubiläumsumzüge stattfinden werden

immer wieder die frage, wenn ich in eine neue stadt reinfahre: will ich hierbleiben oder gleich morgen weiter? bisher bin ich eigentlich fast immer zwei nächte geblieben. mit wenigen ausnahmen.
iquique lebt vom regen hafengeschäft (erze und fischverarbeitung) und hatte die zweitgrößte silbermine nach potosi in zentralbolivien. dank des salpeterkrieges gehört es heute nicht mehr zu peru, sondern zu chile. regen gibt es hier kaum, von künstlichen bewässerungssystemen ist die rede - aber trotzdem - so wird sie beworben - eine stadt des ewigen frühlings. hier ist von herbst nichts zu spüren.

ein schönes hostel - nur wenige minuten zum strand

die ersten beiden hostels wollen fantasiepreise und haben keinen unterstellplatz für die vepse, das dritte will nur 8.500
clp in einem vierbettzimmer und hat platz für die vepse. begrüßt werde ich von einem mannheimer, der mit seiner bmw südamerika erkundet. dann lerne ich noch einen aus san pedro kennen, der mit seinem skateboard von san pedro bisher gefahren ist. die küstenstraße, die ich auch gefahren bin. mit 90 km/h! bergauf trampt er. der hammer. er hat eine videokamera auf seinen helm geschnallt und ich kann sehen, wie er die abfahrten genommen und sogar einen mega-truck überholt hat.
schöne atmosphäre, zwar dominiert wieder englisch, aber das werde ich morgen auch noch aushalten. für morgen steht umgebungserkundung an, endlich mal wieder was gesundes kochen und weitere reiseplanung.

16.05.

wer eine reise tut...

oder nach brecht: mach nur einen plan...

die wolken vom pazifik hängen noch über der stadt., ich lese über iquique und über den salpeterkrieg und die in den bergen gelegenen salpeterdörfer, die seit den 1960iger jahren verlassen daliegen. für chile war das salpetergeschäft eine ähnliche hoch-zeit wie für brasilien und im besonderen für manaus, als es durch den kautschuk nicht wohin wusste mit dem vielen geld. in beiden fällen haben findige köpfe ein synthetisches ersatzprodukt entwickelt und damit den geldfluss sowohl in chile wie in brasilien zum erliegen gebracht. ein schlimmes schicksal für die betroffenen menschen, die arbeitslos wurden und die städte zogen.
da will ich hin und mir selbst ein bild machen. und meine guten erfahrungen des gestrigen tages lassen mich übermütig werden. gen osten heisst, sich wieder auf 1000 m hoch in die berge arbeiten und wüstenwind erleben. dieter, der bmw fahrer aus mannheim, kommt runter und ich mache ihm den vorschlag, ob wir da nicht zusammen hinfahren wollen.
die vepse zieht die berge hoch wie verrückt, dieter auf seiner bmw hinterher, da ich der langsamere bin und das navi eingeschaltet habe.

und dann oben auf der bergkuppe beginnt das mir bekannte stocken wieder und sie fällt von jetzt auf gleich zurück auf 40 km/h. nun bin ich überzeugt, an den düsen kann es nicht liegen, das muss eine andere ursache haben. wir prüfen die düse und den benzinkfilter, schauen ob sie genug luft bekommt und der luftfilter versandet ist. all das können wir ausschalten und dann fällt mir das imbrovisorium von jose ein. weil die erste werkstatt, ein wichtiges teil für den vergaser verloren hat, hat jose einen ersatz gebaut, der - so meine theorie der einzige grund für das ruckeln und nicht gasannehmen wollen - sein kann.
wir lassen uns in die stadt zurückrollen und haben ein beeindruckenden blick auf die dunstige bucht, auf die rein tosenden brecher und die hochhäuser, die langsam aber sicher die kleinen zweistöckigen bunten chilenischen holzhäuser vertreiben und sich dazwischen drängen.

von dieser art des städtebaus gibt es mehrere beispiele

wenn es auch hier stadtplaner und bauämter gibt, die genehmigungen zu erteilen haben, dann sind sie allesamt korrumpiert!
im hostel angekommen finden wir hilfreiche unterstützung von caroline, der freundin unseres hostelowners, die einen schrauber kennt. wir fahren hin - erst ist er abweisend und nimmt mir allen mut, aber dann sagt er, er wolle jetzt mittagessen und wir sollen gegen 17:00 uhr wieder kommen.

so komme ich zu einer stunde strandleben, brandung und surfer beobachten, die mit schmackes die imposanten wellen als rodelbahn nutzen.

18:00 uhr sind wir bei beto - so heisst der schrauber - , er zeigt mir eine abgeschnittene feder aus meinem vergaser und das von jose gebaute alu-teil, das aluteil, das seine form durch den gebrauch verändert hat, hat er ersetzt, anstelle der verkürzten feder hat er eine längere eingebaut. Ergebnis: die vespa läuft so gut wie nie. betos zurückhalltung ist wie weggeblasen. seine nachbarin cecilia ist sein heimlicher schwarm, und er hat sich bestimmt in der vergangenheit schon viel einfallen lassen, um sie für sich zu gewinnen. er weiss, dass sie deutsch lernt und nun kommt es:

er stellt sein smartie auf videoaufzeichnung ein und ich soll auf deutsch zu ihr etwas sagen. das tue ich gerne und lobe beto für seine tolle vespa reparatur. er strahlt. wir wollen schon fahren, da bittet er mich nochmals. ich nehme meinen helm wieder ab. cecilia liebt schildkröten und ich soll etwas über schildkröten sagen, während er die vespa, das ohz-kennzeichen mit dem "D" - zeichen und dann mich wieder filmt.
morgen abend werden wir ihn hier treffen und mit ihm und caroline, die ihn mir vermittelt hat, auf die erfolgreiche reparatur anstoßen.

Blick vom dach unseres hostels aus. Bevorzugte lage mit meeresblick...

hier wirkt alles friedlich und südamerikanisch beschaulich: aber die gefahr nähert sich von hinten. die hochhäuser kommen mit macht, und in 10 jahren ist die idylle vorbei

trotzdem habe ich am nachmittag, da ist es in deutschland schon 22:00 uhr wilfried eine sprachnachricht geschickt mit buchabbildung des vergasers und ihn gebeten die erforderlichen teile zu bestellen. 13.000 km sind ein klacks, seine antwort habe ich sofort. er sitzt an der abendlichen hamme und geniest die dämmerung.

Die Teile 6,7 und 8 werden bestellt und per DHL nach arica 50 km von der peruanischen grenze entfernt, geschickt

wenn die teile da sind, werden sie dann per dhl nach arica geschickt. so habe ich sie als ersatz dabei, falls dies erforderlich werden sollte.
morgen werden wir den zweiten versuch starten, in das salpeterdorf zu fahren.

Verhaltensregeln bei Tsunami und "earthquake" (erdbeben) sind für unser Hostel sehr wichtig und hängen gleich bei der rezeption

17.05.

dieter hat noch eine nacht drangehängt. heute wollen wir nach s.humbertonstone in die verlassene salpeteranlage.
Knapp 100 jahre ist salpeter ein wertvolles exportgut für chile, das chiles wirtschaft anheizt, häfenstädte zu reichtum bringt, aber auch kriege zwischen chile, peru und bolivien entfesselt.
Wir steigen vom meeresspiegel auf 1.000 m. kein ruckeln, kein verschlucken. die langgezogenen steigungen, die uns wieder einen tollen blick auf den pazifik geben, machen ihr nichts mehr aus, ich überhole langsame lkw und busse die mich dann aber auf ebener strecke wieder einholen. die fahrt ist sehr schön, wir machen eine pause, genießen landschaft und nikotin und nach einer halben stunde sind wir da.
von schöner wüstenlandschaft keine spur. hier wütete der salpeter-riese und wer weiß wie es jetzt hier aussehen würde, hätten nicht findige wissenschaftlicher 100 jahre später dem raubbau ein ende gemacht. aber alles hat zwei seiten. menschen hatten arbeit - unter welchen umständen - lässt sich bestimmt in romanen oder abhandlungen nachlesen. soviel ist bekannt: anfang des 20. jahrhunderts gab es hier aufstände der minenarbeiter, die brutal von militär und polizei niedergeschlagen wurden.
neben den industriellen anlagen, die hier aus dem nichts aufgebaut wurden und die völlig autark in dieser abgeschiedenen gegend bergbau betrieben und salpeter abbauten, ist eine kleine stadt entstanden mit arbeiterhäuschen, werkstätten, einer großen schule, einem sportplatz und nicht zu vergessen dem wohnhaus des patrons, das auch zu besichtigen ist.