Veröffentlicht: 04.05.2019
30.04.:
geduld, geduld.
als ich morgens aus meinem kabinenfenster schaue, begrüßen mich grüne wiesen und frischgrüne pappeln bei einem bewölkten himmel. die grande san paolo fährt im schritttempo richtung hafen. eine optische täuschung lässt mich im ersten moment vermuten, dass wir über eine brücke fahren?? das kann ja wohl nicht sein. aber nachdem ich mir den schlaf aus den augen gerieben habe wird mir klar, dass wir durch eine brücke durchschwimmen, die sich für uns geöffnet hat. die unten wartenden autos haben mich irritiert. immerhin befinde ich mich mit meiner kabine im 12. stockwerk.
hat die grsp räder bekommen??
es wird noch einmal mittagessen serviert, von dem ich aus bekannten gründen abstand nehme. ich bringe meine kabine auf vordermann und beobachte dann das anlegemanöver und weiss, dass es bestimmt noch zwei bis drei stunden dauern wird, bis wir von bord können.
dann aber ist es endlich soweit.
ein van mit getönten scheiben bringt uns nach antwerpen zum imigrationoffice, wo unsere pässe ausgestempelt werden. zurück an bord, dürfen wir unsere fahrzeuge auf das hafengelände fahren und dann beginnt das warten, bis wir von einem anderen fahrzeug aus dem hafengelände heraus eskortiert werden.
die vepse hatte 5 wochen pause. wird sie anspringen? brauche ich starthilfe? sie ist noch im tiefschlaf, als ich den anlasser betätige.
aber nach dem dritten versuch besinnt sie sich ihrer aufgabe und springt an.
mittlerweile ist es 16 uhr, als ich den hinweisschildern nach antwerpen folgen kann. das wetter ist frisch, aber trocken! nach einer halben stunde bin ich in der stadt, aber noch sprachlos, da ich erst wieder mein smartie betanken muss. ich finde in einem schönen viertel der stadt ein wifi-cafe, trinke aus höflichkeit einen capuccino und besorge mir ein hotelzimmer. das navi führt mich anstandslos dort hin und um 18 uhr bin ich da. große unternehmungslust verspüre ich nicht mehr. ich esse noch in einem veganerrestaurant eine große portion salat. die vepse ist mittlerweile in einem in der nähe liegenen parkhaus geparkt. 28 euro für 12 stunden! keiner da, mit dem ich einen anderen preis hätte aushandeln können. egal. nur noch in mein zimmer, lesen und früh schlafen.
01.05.:
ein gutes frühstück mit frischen croissants, obst und müsli.
vorher möchte ich "mal eben" die vepse aus dem parkhaus holen und merke erst nach einigen flüchen, dass ich sie im falschen parkhaus suche. auch hier überall kameras und ein pförtnerhäuschen mit zig monitoren, aber kein lebender mensch. auf verdacht gehe ich die straße weiter und finde es dann 500 meter weiter. die ausfahrt aus dem parkhaus führt mich erst einmal in die falsche richtung und nur dank einer an der straßenecke geparkten vespa, die mir auf dem weg zum parkhaus augefallen ist, kann ich mich wieder orientieren.
um 10:00 uhr bin ich startklar. ich brauche eine neue zündkerze!, ruft sie mir zu, springt dann gnädigerweise dann doch an.
der angekündigte regen bleibt aus. ich möchte in quakenbrück eine übernachtung einlegen. 8 stunden über landstraße, 4 stunden über die autobahn. noch eine weitere übernachtung? ich entscheide mich für die autobahn. wohlwissend, dass in belgien und auch in den niederlanden geschwindigkeitsbegrenzungen das fahren stressfreier gestalten, als auf bundesdeutschen autobahnen. der 01. mai ist auch feiertag in belgien. nur wenige lkw und ich komme gut voran. keiner drängelt mich und so langsam kommt die vepse auf touren. der wind steht günstig und die griffheizung, die ich zum letzten mal in den anden auf 3.000 m höhe eingeschaltet habe, meldet sich zuverlässig zurück.
landschaftlich begleitet mich nur flaches land. auch in den niederlanden ändert sich das landschaftsbild nicht. der verkehr nimmt hier drastisch zu und ich muss lkw-kolonnen überholen. die vepse wird von den hinter mir fahrenden autofahrern toleriert. keiner nervt mit seiner lichthupe.
endlich kommt das hinweisschild nach meppen in deutschland. und nur etwas später unterfahre ich eine brücke, die mich mit einem herzlich willkommen in deutschland begrüßt. von jetzt auf gleich ändert sich die landschaft. buchenwälder und gelb blühende und nach honig duftende rapsfelder in der sonne (!).
ich begrüße mein heimatland mit einem hupkonzert. ein erhebendes gefühl, wieder im eigenen land zu sein.
etwas später werde ich auf die B 213 geführt, die mich nach quakenbrück bringt. die sonne hat es geschafft. zwar sehr windig, aber wollkenloser himmel und angenehm warm.
die sonne ist wieder meine freundin!
02.05.:
nach einem schönen frühstück mit schwiegervater opa erwin und schwägerin christa - mit leckerem schwarzen schwarzbrot von dem benachbarten bäcker - nehme ich die letzte etappe in angriff. ich verzichte auf die autobahn. der angekündigte regen bleibt aus. es ist kälter und der wind kommt noch immer von westen.
gegen 13 uhr bin ich an meinem ziel. das häuschen steht noch. der rasen ist gemäht, der flieder blüht in den nachbarsgärten, das haus erstrahlt in gewienertem glanz - dank der "perle" von ulli.
dank der langen schifffahrt bin ich richtig zu hause. die seele ist mitgekommen und nicht, wie bei langen flügen - auf halber strecke zurückgefallen. kein timelag. es ist fast so, als ob ich gar nicht weggewesen wäre.
anja und premek fragten mich abends bei rotwein und pesto, welcher teil der reise schöner gewesen wäre.
obwohl sie abenteuerlicher und nervenaufreibender war, des öfteren sogar der weberknecht bemüht werden musste, war der erste teil beeindruckender. ich war offen für alles neues, habe gerne den morbiden charme genossen und auch viel aus dem augenwinkel aufgenommen.
der zweite teil der tour war von einer zuverlässigen vepse begleitet. der motor lief wie am schnürchen. meine besuche bei den mechanicos hielten sich in grenzen. das fahren durch den amazonas war nicht so aufregend, wie ich mir das vorgestellt habe. ostriesische landschaften und alpenvorlandimpressionen. so schön der anblick auch ist, so ernüchternd wirkt die tatsache, dass hier noch vor jahren der regenwald wuchs. schwarzbunte rinder dösen und fressen auf den weiden.
je weiter östlich ich komme, je stärker schiebt sich die zivilisation in den vordergrund. mehr verkehr, mehr tourismus.
ich merke schon jetzt, wie alles verschwimmt. was war wo? was hat mir am besten gefallen? wo hatte ich besonders viel glück?
deswegen habe ich das tagebuch geschrieben.
jetzt bin ich wieder hier und weiss: auswandern werde ich nicht. ich weiss das privileg, hier in deutschland zu leben, mehr zu schätzen. keine tsunamis, keine erdbeben, keine klimatischen extremerlebnisse, eine parlamentarische demokratie.
viele frische farben und "aufgeräumte" städte.
den morbiden charme lasse ich gerne hinter mir.
wie wird es mir nach vier wochen gehen? bin ich infiziert vom reisefieber, vom singen der verpse und dem vorbeisausen der unterschiedlichsten landschaften?
jetzt bleibe ich aber erst einmal hier.