Veröffentlicht: 12.06.2017
10.06.
gestern habe ich mir vorgenommen, früh loszufahren, denn ich möchte ohne zwischenübernachtung in arequipa ankommen.
aber ohne frühstück geht das nicht. also nehme ich mir wie krösus ein taxi, das ich bitte, mich dort hinzubringen, wo es heissen tee und ein brötchen gibt. - meine teedame, die mir gestern einen großen teepott serviert hatte, ist noch nicht im dienst.
5 minuten später lande ich bei einer markthalle, bekomme ein brötchen mit spiegelei und an einem anderen stand den tee und sitze eine vierelstunde später wieder im taxi - einem sogenannten moto-taxi - zu deutsch motorradtaxi. es hat aber drei räder und hinter dem fahrer für zwei personen platz. diese taxen kosten nur 2 soles und nicht vier, sind genauso schnell, vielleicht nur etwas holpriger.
bei uns werden sie als werbefläche auf brücken benutzt oder um das bier darin zu zapfen, hier werden menschen transportiert...
mit zwei äpfeln, wasser und erdnüssen ausgestattet sitze ich gegen 11:00 uhr auf der vepse. das fahren in der stadt erfordert hier viel mehr rückspiegelarbeit und konzentration, als in chile und ich bin froh, als ich mich oberhalb tacnas befinde und es zügig hinter mir lassen kann. es empfängt mich wieder ödnis und ein eintöniger streckenverlauf. es liegen knapp 300 km vor mir. eigentlich nicht viel - für europäische verhältnisse, obwohl es da mehr autos auf den straßen gibt, als hier - hier sind es nicht die autos, die die durchschnittsgeschwindigkeit reduzieren, sondern später die berge mit ihren vielen kurven. der gestrige tag war bewölkt, heute ist die sonne wieder da, der himmel mit einer art federwolken wohl noch nicht entschieden, wie sich der tag entwickeln wird. vor nebel in den bergen habe ich respekt. es wird hier oben schon merklich kühler, der verkehr ist auch im vergleich zur panamericana dichter, aber ich komme gut voran.
eine unterbrechung gibt es nach einer stunde: eine zollstation, die nicht nur lkw auf ihre ladung überprüft, sondern auch kradfahrer wie mich. zuerst dienstlich und ernst, als der zollbeamte aber meinen reisepass in der hand hält, wird er freundlich und auch etwas neugierig. mein gepäck darf ich drauf lassen, gerne hätte er von mir noch einen deutschland-sticker gehabt. ein laternenpfahl ein paar meter weiter rechts von mir, ist zutapeziert mit stickern aus aller welt. er schenkt mir dafür noch eine kleine übersichtskarte von peru und zeigt mir darauf den weg nach cusco, nette verabschiedung und ich mache mich wieder auf den weg.
ich befinde mich im land des jugo natural - des frischgepressten obstsaftes - und hoffe auch eine baldige "tankstelle". ich finde zwar eine richtige und mein entsetzen über die hiesigen spritpreise verdrängt den obstsaft. knapp 4 euro pro liter. und das nicht nur hier auf der s 1, sondern auch in den städten. die ursache dafür will ich noch rausfinden. dafür treffe ich beim tanken auf zwei brüder im alter von 10 und 12, die sich interessiert die vespa anschauen und fragen woher ich komme. ich sage deutschland und verbinde das gemeinerweise mit der gegenfrage, ob sie denn wüssten, wie der kontinent hieße. der jüngere ist mit der richtigen antwort sofort da.
der ärger über die spritpreise ist verflogen, wird dieser doch kompensiert durch das recht billige leben in den städten.
hätte ich heute nicht so viele km vor mir - googlemaps sagt mir 5 stunden voraus - erfahrungsgemäß sind es dann 7 und es wird schnell dunkel - muss ich mir das fotografieren leider sparen. die berge haben eine satte rotfärbung, ich fahre auf einer hochebene und sehe von oben hinunter und bewundere den schattenwurf, den die falten erzeugen.
unterwegs kurze pause, apfel, nüsse und wasser und dann geht es
weiter. am horizont sehe ich jetzt die richtigen berge, die mir jedesmal erneut großen respekt einflößen. sie haben die dimension der 5 is 6 tausender erreicht, sind mit schneehauben bedeckt und kommen immer näher.
der wind dreht, die straße ist wieder in einem sehr guten zustand. es gab zurückliegende streckenabschnitte, die noch nicht fertig geteert waren und nur rillen aufwiesen. das ist für motorradfahrer nicht angenehm.
die schatten werden länger - fast verpasse ich eine abzweigung, die mich nach arequipe führt und dann wird es ernst.
das orientierungsschild sagt: 14 km anteigende strecke. das merkt die vespe auch später. die tachonadel hält mit knapper not die 30 km/h, fällt dann mehr und mehr ab, das bekannte ruckeln stellt sich ein. rechts bietet sich ein großer parkplatz an - ich habe einen tollen blick in die ebene gen westen - und beginne die düse zu verändern. ich komme mit zwei lkw-fahrern ins gespräch, die auf ihren kollegen warten. wir flacksen in der nachmittagssonne, ich versuche mich auf die drähte für die düse zu konzentrieren, zum glück geht beides, der zweite riesentruck kommt, auch hier nette begrüßung gleichen inhalts und dann verabschiede ich mich. die nadel bewegt sich spielend auf 50 km/h und würde auch mehr können, aber jetzt kommen enge kurven und sehr schnell haben wir uns gefühlt auf 3.000 m hochgearbeitet. die panoramen ändern sich ständig, am liebsten würde ich alle hundert meter stoppen und fotografieren, aber ich will nicht im dunkeln hier unterwegs sein.
schon von ferne fallen mir kegelfförmige, schneebedeckte berge auf, jetzt weiss ich, das sind die "hausberge" von arequipa. ich bin überrascht, wie grün die stadt ist. sie liegt an einem fluss, der für die fruchtbarkeit und das satte grün überall sorgt. eine wohltat für das auge! die drei vulkane sind jetzt deutlich zu sehen, keine wolke am himmel, sehr beeindruckend!
arequipa profitiert von dem nur 75 km entfernt liegenden pazifik, weil er für das durchgehend gute wetter verantwortlich ist, die stadt leidet auf der anderen seite unter den erdbeben - das letzte war erst 2004 -, die so wikipedia, sich bis zu durchschnittlich12 mal am tag durch mehr oder minder starke erdbewegungen in erinnerung rufen.
ein blick auf das kloster santa catalina de siena
der höhenunterschied macht sich bemerkbar - immerhin 2.400 m - ich japse bei kleineren anstrengungen nach sauerstoff, der kopf schmerzt und der wunsch nach einem bett macht sich häufig bemerkbar. meine einzige rettung, diesen tag noch einigermaßen nutzbringend zu beenden ist ein italienisches cafe. dort lasse ich mich gleich mit zwei capuccino und zwei zuckersüssen mit pudding gefüllten und in fett gebackenen "würstchen" verwöhnen und tatsächlich der energiepegel steigt wieder.
stadt in der stadt...
besonders interessiert mich das kloster santa catalina de siena, das im 16. jahrhundert in arequipa erbaut wurde und sich damals kurzerhand auf einer fläche von ca. 20.000 m2 im stadtcentrum eingemauert hat. hier bildete sich eine stadt in der stadt, die völlig autark lebte und klausurnonnen berherbergte. reiche spanische familien, die zwei töchter hatten, gaben die zweite tochter "für gott und himmelreich" mit einer mitgift von 1.000 goldpesos nach santa catalina de siena.
was für tragödien sich in diesen familien abgespielt haben müssen!
das leben der zweiten tochter ist vorbestimmt, und sie hat keine möglichkeit, sich gegen dieses familiendiktat zu wehren. sie konnte sich nur fügen und auf den christlichen vorgaben ihrer erziehung aufbauen. wenn es die denn gab und die tochter nicht nur zum handelsobjekt für "gott und himmelreich" hergegeben - oder noch schlimmer aus ihrer familie verstoßen wurde.
klöster sind wirtschaftsunternehmen, die sich über kurz oder lang selbst rechnen müssen. so gab es auch regen handel zwischen dem kloster und arequipa.
ich habe mir diese autarke stadt angesehen, die abgesehen von einigen erdbeben ihr ursprüngliches bild behalten konnte.
bis in die 70iger jahre des zwanzigsten jahrhunderts waren die pforten verschlossen. 1870 gab es zwar eine reform, die auch novizinnen in das kloster aufnehmen ließ, die keine mitgift mitbringen konnten. 1970 mussten dann umfangreiche renovierungsarbeiten durchgeführt werden, die der staunenden öffentlichkeit englische teppiche, spanische seidengardinen, edles prozellan, spitzendeckchen aus dem flämischen und polsterstühle offenbarten. ob nun rückschlüsse von der einrichtung auf das leben selbst gezogen werden können..?
enthaltsamkeit und disziplin...
das, was sich mir während des durchgangs durch das kloster offenbart lässt nicht auf ein sündiges leben schließen, sondern auf enthaltsamkeit und disziplin.
für das abendessen bringt mich der taxifahrer auf die chinesische küche, die zwar auch das weisse fleisch liebt, aber auch für den vegetarier etwas zu bieten hat.
gemüse und reis. was für eine wohltat!
für den nächsten tag steht espinar auf dem programm, aber...