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Bolivien - Stippvisite mit Superlativen

Veröffentlicht: 18.05.2018

 

Bolivien ist fast so groß ist wie Peru, aber hier leben mit 10 Mio. Einwohnern nur ein Drittel so viele Menschen wie  dort, 70 % davon auf dem Altiplano, der 700 km langen und 200 km breiten waldlosen Hochebene.  Bolivien hat mit 55 % den höchsten Indigena- Anteil an der Bevölkerung aller südamerikanischen Länder und insgesamt eine sehr junge Bevölkerung, ca. 54 % der Bolivianer sind jünger als 24 Jahre. Die Alphabetisierungsrate ist in den letzte Jahren deutlich gestiegen und liegt jetzt nach offizieller Lesart bei fast 94 %, bei den Mädchen und der Landbevölkerung aber wohl immer noch deutlich darunter.

Wir werden Bolivien nur streifen und uns auf zwei touristische Superlative beschränken; La Paz, die höchstgelegene Großstadt der Welt und den Salar de Uyuni, den größten Salzsee unserer Erde. Bolivien hat noch so viel mehr zu bieten, aber unsere Zeit wird langsam knapp und vor Allem wollen wir mit einer Tankfüllung plus 20 Liter im Reservekanister durch Bolivien kommen. Tanken ist in Bolivien nämlich gar nicht so leicht. Der Sprit ist staatlich hoch subventioniert und es gibt unterschiedliche Preise für Einheimische und Ausländer. Für Ausländer muss darüber hinaus eine komplizierte Rechnung ausgestellt werden, worauf die Tankstellenbetreiber keine Lust haben und deshalb einfach keinen Sprit an Ausländer verkaufen. Die Tankstellen werde angeblich videoüberwacht, so dass Schummeln nicht so einfach ist. Also ist die gängige Praxis, dass man sich mit dem Tankwart auf einen Preis einigt, dann von der Tankstelle runter fährt und mit Kanistern zurückkommt, um den billigen Sprit zu „tanken“ ohne dass die Videokamera ein ausländisches Kennzeichen registriert. Das ist uns echt zu aufwendig und auch zu blöd, zumal der Diesel in Bolivien einen extrem hohen Wasseranteil hat und ziemlich verdreckt ist, was wir unserem recht neuen Auto mit hochsensiblem Motor gar nicht erst zumuten wollen. Wie tanken also in Peru randvoll und wuchten einen 20 Liter Kanister auf das Dach. So gerüstet geht es über eine nagelneue Grenzanlage nach Bolivien. Wie empfohlen haben wir das Grenzformular zur Überführung des Autos bereits im Internet ausgefüllt und können dem Zöllner stolz unsere Transaktionsnummer präsentieren. Interessiert ihn aber gar nicht, im Gegenteil, der junge Mann ist ziemlich übereifrig. Er füllt alle Formulare noch einmal aus, untersucht unseren Wagen, konfisziert ein Orange und eine Tomate und übersieht dafür aber glücklicherweise die diversen Flaschen Alkohol. Er ist auch der erste, der überprüft, ob die Chassisnummer auf unserem Fahrzeugschein tatsächlich mit der Chassisnummer des Autos übereinstimmt. Nach einer Stunde ist alles erledigt und wir können weiterfahren. Aber schon nach wenigen Kilometern kommen wir in die erste Polizeikontrolle und unsere Einfuhrpapiere müssen ganz dringend noch einmal gestempelt werden, was der korrupte Polizist gegen Zahlung eines ordentlichen Bestechungsgeldes gerne übernimmt. Willkommen in Bolivien.

Unser erstes Ziel ist La Paz, eine Großstadt mit mehr als 1 Mio. Einwohner und nicht nur auf den ersten Blick ein undurchdringliches Gewirr aus modernen Hochhäusern, Kolonialbauten, Villen und Wellblechhütten. Die Stadt liegt in einem tiefen, windgeschützt Talkessel  auf ca. 3.500 m üNN und klettert noch die steilen Hänge hoch bis auf das kalte und windige Altiplano. Hier wuchert ca. 1.000 Meter über den Wohnvierteln der Wohlhabenden und der historischen Altstadt die Siedlung El Alto, Auffangbecken für die ärmere Bevölkerung und die Landflüchtlinge aus dem bitter armen Andenhochland. Oben ist es nicht nur weniger chick, sondern auch immer um die 10 Grad kälter als in der Altstadt und das Atmen fällt noch mal schwerer. 

In La Paz angekommen finden wir einen Stellplatz im Hinterhof des Hotels Oberland und haben mal wieder den ganzen Hof für uns alleine. Am nächsten Tag geht’s mit dem Taxi in die Stadt, zuerst zum Plaza Murillo, dem Zentrum der Altstadt mit dem frisch renovierten Regierungspalast, der wuchtigen Kathedrale und dem Palacio de Los Condes de Arana, dem schönsten Bauwerk der Kolonialzeit der Stadt. Aber die wirkliche Attraktion sind die Unmengen von Tauben, die diesen Platz bevölkern, wohlgenährt von den Touristen und Kindern, die bei Dutzenden von Straßenverkäufern Maiskörner für sie kaufen. Wir genießen das bunte Treiben auf dem Platz, bevor wir uns auf den Weg durch die engen und steilen Straßen der Stadt machen. La Paz gleicht einem riesigen Markt, wo jeder jedem etwas verkaufen will, es wimmelt von Straßenständen, Garküchen und fliegenden Händler. Indigene Marktfrauen mit ihren mehrschichtigen Röcken und Bowlerhüten gehören fest zum Stadtbild genauso wie geschniegelte Geschäftsleute, die in der Mittagspause ihre Zeitung lesen und sich dabei die Schuhe putzen lassen. Es ist eine bunte, kontrastreiche, lebendige aber trotzdem entspannte Stadt, in der wir uns gerne treiben lassen bis uns für heute endgültig die Puste ausgeht.

Den nächsten Tag beginnen wir mit einer kleinen Wanderung im Valle de la Luna, einem unwirtlichen Tal zwischen unserem Hotel und der Innenstadt. Erosion und Temperaturschwankungen haben hier eine Mondlandschaft aus tausenden Felsen, Spalten und Kratern geschaffen. Den Rest des Tages verbringen wir mit der Erkundung des einzigartigen und innovativen Verkehrskonzeptes der Stadt – dem Teleférico. Um dem drohenden Verkehrskollaps in den engen und steilen Straßen etwas entgegen zu setzen, wurde 2014 die erste Seilbahnstrecke von La Paz bis hinauf nach El Alto in Betrieb genommen. Heute fahren bereits 8 Seilbahnlinien und befördern täglich tausende von Fahrgäste schnell und sicher durch die Stadt. Nach seiner endgültigen Fertigstellung soll das Teleférico in La Paz das größte städtische Seilbahnnetz der Welt sein. Wir können gar nicht genug davon bekommen und fahren mit fast allen Linien. Mit der Línea Amarilla fahren wir hoch hinaus nach El Alto und knabbern Hähnchen in einem Fastfoodrestaurant mit der wohl spektakulärsten Aussicht auf die Stadt. Wir fahren den ganzen Nachmittag, in der Dämmerung und auch noch in der Dunkelheit, als die Stadt ein einziges Lichtermeer wird. Uns beschert dieser öffentlichen Nahverkehr fantastische Aussichten auf La Paz und einige nette Begegnungen in den Gondeln.

Nach drei Tagen verlassen wir La Paz und zockeln über das hier eher öde Altiplano Richtung Süden hin zum Salar de Uyuni,  mit 11.000 Quadratkilometer die größte Salzpfanne unserer Erde. Vor 10.000 Jahren war an dieser Stelle noch ein großer See – jetzt schimmert die Salzfläche strahlend weiß so weit das Auge reicht. Hier lagert genug Salz für die nächsten 100-tausend Jahre. Neugierig fahren wir sofort Richtung Salzsee und landen erst einmal in dem kleinen Ort Colchani an der Zufahrt zum See. Auf dem obligatorischen Andenkenmarkt - zwei lange Reihen bunter Stände im staubigen Nichts - werden die Teilnehmer der Touren über den See so lange ausgesetzt, bis sie aus Verzweiflung den fünften Wollpulli und den dritten buntgemusterten Rucksack kaufen. Der Rest des Dorfes ist ebenfalls nur ein großes staubiges Nichts, mitten drin ein verlassener Dorfplatz und eine kleine Schweineherde. Wir fahren weiter zum See, wollen doch mal schauen, ob wir nicht mit dem Dubs selbst auf den See fahren können. Wir parken am Rand, schauen zu, wie die Tourjeeps langsam durch die großen Wasserfurten auf die endlose weiße Fläche schaukeln und beschließen, von diesem Abenteuer Abstand zu nehmen. So viel Salzwasser wollen wir dem Dubs nicht zumuten. 

Also fahren wir in die Stadt Uyuni, um herauszubekommen, welche Touren so angeboten werden. Uyuni war ehemals einfach nur eine Militärbasis und der Ort, an dem die Maultiere mit ihrer salzigen Last ankamen. Heute kommen zwei Flieger täglich aus La Paz und spülen die Salzseetouristen in die Stadt, vor allem junge Asiaten. Es gibt ein paar geteerte Straßen, die meisten sind nach wie vor Sandpisten, ein paar Hostels und einige überteuerte Pizzarien- länger als zum Ausflugbuchen bleibt keiner in dieser trostlosen Ansammlung von halbfertigen Häusern. Wir entschließen uns, es erst einmal mit einer Nachmittagstour zu versuchen…drei Tage eingepfercht in einem Jeep mit vier Asiaten mögen wir uns nicht vorstellen. Warum Asiaten? Keine Ahnung, aber alle Tourbüros haben fast ausschließlich Plakate mit asiatischen Schriftzeichen und die Touren scheinen vor Allem von jungen Asiaten gebucht zu werden. (Wenn jemand von euch das Rätsel um diese unheimliche Häufung von Asiaten gerade in diesem Teil Südamerikas ergründen kann - wir wären an der Lösung interessiert.) Wir buchen wir erst einmal Tour von 16:00 h bis 22:00 h, essen noch fix eine der überteuerten Pizzen und sitzen kurze darauf tatsächlich mit 2 Japanerinnen und 2 Hongkongchinesinnen in einem klapperigen Wagen. Die beiden Chinesinnen haben bereits die Morgentour von 4:00h bis 10:00 h gemacht, die beiden Japanerinnen haben sich grade erst kennengelernt und schnatten ununterbrochen miteinander. Zuerst geht es zur Gummistiefelsammelstelle und wir tauschen unsere Schuhe gegen kniehohe Gummistiefel. Dann fahren wir auf den Salzsee, zuerst durch die salzigen Furten, dann quer über das unendliche Weiß. Der Fahrer orientiert sich mit GPS und wir sind froh, nicht mit dem Dubs hier herum zu irren. Das Ziel ist eine Fläche in der tatsächlich Wasser steht, was natürlich fantastische Spiegelungen und somit großartige Fotos möglich macht. Außer unserem stehen noch drei weitere Jeeps hier und alle sind ausschließlich mit jungen Asiaten besetzt. Die jungen Menschen sind in keiner Weise an der unbeschreiblichen Natur oder an Wissenswertem über den Salzsee interessiert, das Ziel dieser Tour ist ausschließlich das Fotografieren. Lustige Gruppenfotos und vor Allem Selfis beschäftigen die Leute und natürlich machen auch wir jede Menge Fotos. Zum Glück bestehen „unsere“ Asiatinnen nicht auf allzuviele "originelle" Gruppenfotos, da sie diese bereits bei der Morgentour gemacht haben, und so können wir in aller Ruhe den Sonnenuntergang genießen. Der Sternenhimmel auf dem Salzsee ist wegen der völligen Dunkelheit und der absolut klaren Luft wirklich einzigartig und so macht es uns auch wenig aus, dass „unsere“ Chinesinnen noch mal gut 45 Minuten brauchen, um mit ihren perfekten Kameras und ihren perfekten Stativen das perfekte Sternenhimmelbild zu machen. Unsere Füße waren sowieso schon perfekte Eisblöcke, dann wird’s ja nicht mehr schlimmer.

Die Tour hat schon Spaß gemacht und „unsere“ Asiatinnen waren auch wirklich nett, aber für mehr als diese Tour reicht unser Enthusiasmus für den Salzsee dann doch nicht. Wir übernachten am Straßenrand in einer Sackgasse genau vor einer Kaserne, informieren den Posten am Eingangstor von unsere Anwesenheit und schlafen friedlich und sehr gut bewacht ein.

Am nächsten Tag verlassen wir die deprimierende Stadt und fahren weiter Richtung Argentinien. Das öde Altiplano verwandelt sich mit jedem Kilometer mehr in eine farbenfrohe Felsenlandschaft und wir halten oft an, um zu fotografieren oder einfach ein paar Schritte zu laufen. Leider endet die gut ausgebaute Strasse irgendwann und die offizielle Umleitung führt durch ein Flußbett. Endlich können wir auch mal testen, wie sich der Dubs (und wir) bei der Durchfahrung von Furten so anstellen, denn anders als beim Salzsee haben wir hier keine Wahl. Ist aufregend, klappt aber überraschend gut. Allerdings kostet uns diese kilometerlange Umleitung im Schrittempo so viel Zeit, dass wir erst bei Dunkelheit an der Grenze ankommen. Diese ist diesmal mitten in der Stadt an einem Fluss, vor der Brücke raus aus Bolivien, nach der Brücke rein nach Argentinien. Wir lernen einen netten jungen argentinischen Grenzer kennen und Sergej erledigt völlig unbürokratisch alle Grenzformalitäten für uns. Glück muss man haben! In der argentinischen Grenzstatt angekommen reicht unsere Energie gerade noch bis zur nächsten YPS Tankstelle, an der wir dann übernachten.

Bolivien war schon was Besonderes und wir hätten gerne mehr Zeit hier gehabt. Wir haben das Land ja kaum kennengelernt, sondern uns nur in zwei touristischen Hochburgen aufgehalten. Den korrupten Polizisten verbuchen wir einfach mal unter Folklore, es gibt ja kaum ein klassischeres Stereotyp über dieses Land. Aber darüber hinaus haben wir nur nette Begegnungen mit Bolivianern gehabt. Uns haben die Dörfer am Wegesrand gefallen, das bunte Leben auf den Straßen, dass tatsächlich jeder versucht irgendetwas zu verkaufen, dass die Autofahrer völlig entspannt zu sein scheinen und anders als in Peru ihre Hupe kaum benutzen. Aber genau wie in Peru ist das Reisen mit dem Dubs hier schon sehr anstrengend und vorerst sind wir froh, wieder nach Argentinien zu kommen. Auch wenn uns das tolle Obst und Gemüse aus Peru und Bolivien hier bestimmt schnell fehlen wird.

Antworten (1)

Barbara
Ilse: Aber hallo, was für ein toller Bericht und was für tolle Bilder. Liebe Grüße von daheim!