Veröffentlicht: 11.05.2018
Unser nächstes Ziel heißt Cusco, oder Q'osqo was auf Quechua der Nabel der Welt bedeutet, die einstige Hauptstadt des Inkareichs. Als Pizarro 1533 nach der Ermordung des Inkafürsten Atahualpas kampflos die Stadt einnahm, lebten dort ca. 15.000 Menschen. Die Spanier rissen die Gebäude der Inka ein und benutzen die Steine zum Bau von Kirchen. Sie trugen die unermesslichen Gold und Silberschätze der Stadt zusammen, schmelzten sie ein und nutzen auch sie zur Verzierung der Kirchen und zur Demonstration ihrer Macht. In der Folgezeit gab es mehrere erfolglose Indianeraufstände und mit der Zeit wurde Cusco immer bedeutungsloser, da sich die Aktivitäten der Spanier mehr auf die Pazifikküste konzentrierten, wo Lima zur neuen Hauptstadt avancierte. Erst mit der Wiederentdeckung Machu Picchus endete der Dornröschenschlaf von Cusco und mit der Anbindung an den regelmäßigen Flugverkehr Mitte des 20. Jhs erblühte die Stadt zum dritten Mal, diesmal als Touristenhochburg. Heute gehört Cusco mit seinen vielen Kirchen, präkolumbischen und kolonialen Sehenswürdigkeiten zu den schönsten Städten Perus.
Wir finden einen Stellplatz auf einem Campingplatz etwas oberhalb der Stadt und beschließen, in die Stadt hinunter zu laufen. Auf halbem Weg kommen wir an der Kirche San Cristóbal vorbei und da wir diesmal in Sachen Kultur unterwegs sind und eine Pause auch ganz gelegen kommt, besichtigen wir diese Kirche am Rande der Altstadt. Es gibt ein Ticket, welches uns gleich Zutritt zu mehreren Kirchen gewähren wird und voller Tatendrang greifen wir zu. In allen Kirchen Perus ist das Fotografieren streng untersagt, so dass wir keine Fotos der barocken Pracht, bzw. des sog. Mestizenbarocks haben. Die Hauptaltäre nehmen in aller Regel die gesamte Front ein, sind aufwendig geschnitzt und komplett vergoldet. Um die „heidnischen“ Einwohner, die des Lesens nicht mächtig waren, schnell und eindrücklich vom Christentum zu überzeugen, waren Bilder mit biblischen Motiven sehr gefragt. Der europäische Markt war schnell erschöpft, deshalb wurden einheimische Künstler mit dem Kopieren bekannter Werke beauftragt. Bald schon schufen diese Künstler eigene Werke und es entwickelte sich die sog. Cuscoer Schule. Personen mit eindeutig indigenen Zügen tauchten in diesen Werken genauso auf wie Traditionen und Gebräuche der Ureinwohner. Unser Favorit: das letzte Abendmahl zu dem lecker Meerschweinchen serviert wird.
Die Kirchen der Stadt sind schon beeindruckend, auch wenn die übertriebene Pracht in Kombination mit den kitschigen Plasikfiguren der heiligen Familie, den Kunstblumen, die in jedem Seitenaltar zu finden sind und den flackernden Elektrokerzen für das mitteleuropäische ästhetische Empfinden etwas schwer zu verdauen sind. Aber die Cuscoer lieben ihre Kirchen, setzen dem Jesukind auch gerne mal eine traditionelle Inkamütze auf und bekreuzigen sich, wenn sie an ihren Kirchen vorbeigehen.
Auch ansonsten hat Cusco viel zu bieten und in den romantischen steilen Gassen gibt es viel zu entdecken….wenn man die Nerven behält. Auf den Strassen wimmelt es von zumeist Frauen, die billige Andenken, Schmuck, Kalabassen, bunte Bänder, Bilder, Süßigkeiten und was auch immer verkaufen wollen und ein“ No, Gracias“ einfach nicht akzeptieren. Mehrfach in der Minute wird man schon fast aggressiv oder zumindest sehr rigoros angesprochen und, wenn man nicht deutlich ablehnend reagiert, penetrant belästigt. Das haben wir so noch nie erlebt und es verleidet uns den gesamten Stadtbesuch. Es ist einfach ermüdend, sich permanent abgrenzen zu müssen und so belassen wir es bei zwei Tagen in dieser Stadt und fahren schließlich weiter Richtung Titicacasee.
Wir halten noch mal einem Supermarkt und füllen unsere Vorräte auf, dann geht es nach Andahuaylillas. Hier wollen wir eine Kirche besichtigen, welche als die Sixtinische Kapelle Perus bekannt ist. In dem kleinen unspektakulären Dorf steht tatsächlich eine der schönsten Kirchen, die wir bisher gesehen haben. Aber auch leider hier…keine Fotos erlaubt. Wir genießen diesen wunderschönen Ort ungefähr eine halbe Stunde ganz für uns allein, dann fahren mehrere Reisebusse auf den Dorfplatz, die vorher geschlossenen Holzbuden öffnen ihre Läden und der Rummel geht los. Wir suchen das Weite und sind einmal mehr froh, viele Sehenswürdigkeiten individuell besuchen zu können und nicht auf die Tourveranstalter angewiesen zu sein.
Um die Reihe „Kirchen in Peru“ abzuschließen können, fehlt uns noch die Kirche von Lampa, hier gibt es die Nachbildung der Pieta von Michelangelo zu sehen. Wozu nach Rom fahren und sich das Original ansehen, wenn es doch in den Anden eine solch beeindruckende Kopie gibt, noch dazu, wenn diese auf eine Art Mausoleum prall gefüllt mit Skeletten steht? Diesmal werden wir weder am Eingang noch mittels Schild auf ein Fotografieverbot hingewiesen, so dass wir zumindest von dieser gruseligen Attraktion ein paar Bilder machen können.
Nach der ausgiebigen Kirchentour steht als nächstes der Titicacasee auf dem Plan. Nach den Erfahrungen mit Cusco und dem Rummel dort zweifeln wir jedoch tatsächlich daran, ob wir dieses touristische Highlight wirklich besuchen sollen. Da der See jedoch auf der Route nach Bolivien liegt, beschließen wir, einfach mal vorbei zu fahren. Also rauf auf den Altiplano, auf die riesige Hochebene und damit auf bis zu 4.000 Höhenmetern. Das sind noch mal 600 Meter höher als Cusco und wir sind mal gespannt, wie wir und der Dubs das verkraften. Wir finden einen Stellplatz an einem Hostel 12 km von Puno entfernt, dem touristische Zentrum am peruanischen Ufer des Sees. Und was für eine Überraschung; Puno ist eine unspektakuläre, lebhafte und normale kleine Stadt mit ein, zwei schönen Plätzen, auf denen wir lange sitzen und das Leben um uns herum beobachten. Es ist weniger wissenschaftliches Interesse an der Stadtbevölkerung als vielmehr pure Atemnot, die uns auf den Parkbänken fesselt. Wir werden nicht wirklich Höhenkrank, aber Atemnot, etwas Schwindel und Müdigkeit sind jetzt unsere ständigen Begleiter.
Nach einem entspannten Tag in der Stadt entschließen wir uns, auch den touristischen Höhepunkt, einen Ausflug zu den schwimmenden Schilfinseln zu wagen. Hier lebt das Volk der Uros seit Hunderten von Jahren treibend auf dem See. Mit einem alten Kathamaran werden wir zusammen mit ca.15 anderen Touristen auf eine angeblich authentische Insel gebrach. Was dann folgt ist nur peinlich. Auf der Insel stehen eine handvoll winziger Schilfhütten und ebenso viele Frauen und einige Kinder. Uns wird erklärt, wie die Schilfinseln gebaut werden und dass die Familien hier leben. Dann werden wir von den Frauen in „ihr Zuhause“ eingeladen, in winzige Hütten, in den außer einer bunten Decke auf dem Boden absolut kein Anzeichen von Leben ist. Hier wohnt definitiv kein Mensch. Aber wie von Geisterhand stehen plötzlich Verkaufsstände mit bunten Andenken vor jeder Hütte und aus Dankbarkeit für die „Gastfreundschaft“ wird man doch wohl etwas davon kaufen. Ein Paar aus Rumänien verteilt völlig ergriffen und gönnerhaft billige Süßigkeiten an die "armen Menschen" und dann werden wir alle auf ein "traditionelles" Boot (mit Plastikflaschen als Auftriebshilfe) geschupst. Die Frauen singen zum Abschied „Vamos a la playa“ und tanzen dazu und wir überlegen uns, ob wir den Weg zum Hafen nicht schwimmend zurücklegen können. In der Ferne sehen wir auf einer der wenigen, tatsächlich bewohnten Inseln, große Hütten mit Wellblechdächern, Zisternen, Stromaggregate, Satelitenschüsseln und daneben Motorboote. Ein informatives Freilichtmuseum hätte uns deutlich besser gefallen - so bleibt nur ein unangenehmes Gefühl und nach wie vor wenig Wissen um die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft dieses einzigartigen Volkes.
Nach dieser Erfahrung haben wir kein Interesse mehr an weiteren organisierten Exkursionen, erkunden noch einen Tag auf eigene Faust das peruanische Seeufer und bereiten uns dann auf unsere Weiterfahrt nach Bolivien vor.
Insgesamt hat uns Peru sehr gut gefallen, auch wenn das Reisen mit dem Wohnmobil dort ungleich anstrengender ist als in Argentinien oder Chile. Die fehlende Infrastruktur ist das eine, die völlig chaotisch - anarchistische Fahrweise der peruanischen Autofahrer das andere. Bei unserer Routenplanung durch Peru haben wir die Höhen völlig außer acht gelassen und mussten uns deshalb mehrfach akklimatisieren. Wir haben auch völlig unterschätzt, was das Reisen in so großer Höhe bedeutet, aber zum Glück blieb uns die Höhenkrankheit erspart und der Dubs hat sich fantastisch gehalten. Anders als viele andere hatten wir selbst auf den höchsten Höhen kein Problem mit der Gasverbrennung und dementsprechend immer eine Heizung - nicht unwichtig bei Minusgraden in der Nacht - und auch der Kühlschrank hat gearbeitet. Einzig unsere Feuerzeuge wollten nicht so recht, aber wir hatten ja Streichhölzer dabei.
Entschädigt für die Strapazen haben uns die Begegnungen mit vielen freundlichen und warmherzigen Menschen, die spannenden Städte - allen voran Arequipa, das Erlebnis Machu Picchu, aber auch die vielen Kleinode am Wegesrand, das Entdecken einer fremden, sehr leckeren Küche, die bunten lebendigen Märkte und zumindest das Betrachten und Beobachten der uns doch fremden Kultur der indigenen Bevölkerung.
Völlig ausgelassen haben wir den peruanischen Dschungel. Wir müssen also noch einmal wiederkommen und freuen uns schon jetzt darauf.