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Vom Kap bis KwaZulu-Natal

Veröffentlicht: 25.11.2018

Zurück in Südafrika machen wir erst mal eine "Genuss-Pause" in Franschhoek, einem der bekannten Städtchen im südafrikanische Weinanbaugebiet. Wir haben eine nette kleine Wohnung mit Balkon etwas außerhalb, aber noch in Laufnähe zum Zentrum. Wir genießen, dass es hier so sicher ist, dass wir auf das Auto verzichten und den ganzen Tag durch das Städtchen bummeln können. Die Orte hier im Weinanbaugebiet sind alle hübsch. Viel gemütliche kapholländische Architektur und das ganze Touristenprogramm mit netten Cafes, vielen kleinen Läden und Galerien, guten Restaurants.  Wir bummeln über die Hauptstraße und entdecken dann, dass zur Zeit an mehr als 20 Orten im gesamten Stadtzentrum Kunstausstellungen stattfinden. Wir besorgen uns einen Plan und machen uns auf eine "Kult-tour" durch die kleine Stadt. So viel Kunst und Kommerz tun richtig gut nach so viel Flora, Fauna und Landschaft. Und natürlich probieren wir auch diverse Weine, ganz gemütlich bei einem leckeren Essen. Unser Favorit des Abends ist eindeutig ein Pinotage.

Wir haben jetzt so richtig Lust auf Stadt bekommen und freuen uns auf unser nächstes Ziel, Port Elizabeth. Hier gibt es den drittgrößte Hafen des Landes, tolle Strände und hier war ein wichtiger Schauplatz der Anti - Apartheidsbewegung. Wir wollen uns auf jeden Fall den Walk 67 ansehen, 67 Kunstwerke in der Innenstadt und vor Allem im Donkin Reserve, die an Nelson Mandelas Kampf gegen die Apartheid und an die ersten freien Wahlen 1994 erinnern. Aber schon bei der Lektüre im Reiseführer kommen uns Zweifel, ob das eine so gute Idee ist. Die Stadt wird als gefährlich beschrieben, vor Alleingängen wird gewarnt. Auch die Vermieterin unseres Apartments warnt eindringlich davor und nachdem wir beim Durchfahren der Stadt gesehen haben, wie die Häuser hier gesichert sind, mit hohen Mauern, Gittern, Stacheldraht und Elektrozäunen, geben wir unseren Plan auf. Hier in P.E. wird uns  so richtig bewußt, wie tief die Kluft zwischen Schwarz und Weiß, wie brisant die soziale und politische Situation noch immer oder schon wieder ist. Wir buchen eine geführte Tour bei einem Anbieter, der auf fairen Tourismus setzt. Die Tour führt zu den touristischen Highlights aber auch durch ein Township, zu einem Handwerksmarkt und in eine Grundschule. Die Hälfte des Unkostenbeitrags geht an Projekte in dem Township. Unser Guide ist ein dunkelhäutiger Mann, im Township geboren und aufgewachsen. Neben uns gibt es nur noch zwei weitere Gäste, Vater und Sohn aus Hamburg. Die touristischen Highlights sind schnell erledigt: ein altes Fort, ein paar hübsche viktorianische Gebäude, ein großes Mosaik und eine Skulptur zur Erinnerung an die langen Schlangen vor den Wahllokalen 1994. Bei der Fahrt durch die riesigen Außenbezierke und die verschiedenen Townships erfahren wir eine Menge über das Leben dort. Über den Versuch der Apartheidregierung die schwarze Bevölkerung zu spalten und somit besser zu beherrschen, indem die unterschiedlichen Stämme in getrennten Homelands und Townships zusammengefasst wurden. Über die Pufferzonen zwischen den einzelnen Gebieten, damit man sich bloß nicht zu nahe kam, über Widerstand, Kampf, Gefängnisse und Folterkeller, in denen unter anderem Steven Biko zu Tode gefoltert wurde. Über das "1.000.000 Häuser Programm" von Nelson Mandela, ein kleines Haus, nicht mehr als 30qm für jede Familie um die ärgste Wohnungsnot zu lindern. Wir erfahren, dass es auch im Township eine Mittel- und eine Oberschicht gibt, dass auch Ärzte und Rechtsanwälte nicht in die Viertel der Weißen ziehen, sondern in ihrem Township bleiben. Wir sehen deren schicke, große Häuser, auch diese sind umzäunt wie Hochsicherheitstrakte. Wir sehen und hören, dass noch immer eine große Zahl von Menschen in Bretterhütten ohne Strom, ohne Toiletten, ohne Wasser haust und auf ihr "Mandela-Haus" wartet. Wir sehen ein großes Museum, eine öffentliche Bücherei, ein Atelier, erbaut mit schwedischen Spenden und nie eröffnet, weil die Bewohner der Hütten aus Ärger, dass man ihnen noch immer nicht  die versprochenen Häuser gebaut und stattdessen diese Gebäude errichtet hat, die Inbetriebnahme gewaltsam verhindert haben. Jetzt verrotten die Gebäude inmitten der Bretterslums. Die ganze Umgebung ist so trostlos aber auch so bedrohlich, dass wir froh sind, bald bei der Grundschule anzukommen, die von einer resoluten Direktorin mit viel Engagement und Herzblut geleitet wird. Mehr als 1.000 Kinder von der ersten bis zur siebten Klasse werden hier unterrichtet, 40 Kinder in jeder Klasse. Seitdem es morgens ein Frühstück gibt, kommen die Kinder pünktlich und auch das kostenlose Mittagessen fördert den regelmäßigen Schulbesuch. Unter der Woche putzen der Kinder ihre Klassenzimmer  selberund die Direktorin achtet darauf, dass auch die Jungen ihren Teil erledigen. Am Wochenende putzen die Eltern gründlich, die Mütter helfen täglich in der Küche mit und bereiten das Mittagessen zu. Das Geld ist knapp, die von der Regierung zur Verfügung gestellten Materialien reichen vorn und hinten nicht, vieles in den Gebäuden ist marode. Coca Cola hat Wasserleitungen gesponsort, so dass die Schule jetzt wieder über fließendes Wasser verfügt. Bildung sei der einzige Weg raus aus dem Elend und hin zur Demokratie, sagt die Direktorin. Und dass ihr besonders die Mädchen am Herzen liegen, die seien  in Afrika diejenigen, die alles am Laufen halten und an die Zukunft denken. 

Wir verlassen Port Elizabeth und verbringen 2 Tage an der Wildcoast. Eine winzige Ökolodge, Selbstversorung, nur wenige Stunden Strom am Tag, Mülltrennung und viele Einrichtungsgegenstände upgecycelt (was für ein "denglisch"). Wir sind die einzigen Gäste und genießen die Ruhe, die Abgeschiedenheit, Spaziergänge am Strand und durch das winzige Xhosa-Dorf. Alles sicher hier, hat unser Gastgeber gesagt, wie in einer Blase. Wir merken wie uns die Atmosphäre von PE in den Knochen hängt, die permanente Anspannung, die Angst und Unsicherheit. Jetzt erst mal Durchatmen. 

Trotz der Erfahrungen in PE wollen wir auch Durban besuchen, werden aber ausschließlich im Auto bleiben und uns nur die touristischsten Hotspots ansehen. Wir haben ein kleines Apartment im Stadtteil Morningside gebucht und Cornè, unsere Vermieterin begrüßt uns herzlich. Auch hier, in einem der besten Stadtteile von Durban bestehen die Staßen vor allem aus hohen Mauern, die Häuser sieht man gar nicht. Auf allen Mauern tront noch mal 1 bis 2 Meter Elektrozaun. Trotzdem sind zusätzlich alle Türen und Fenster vergittert, hat jedes Haus einen Vertrag mit einer Sicherheitsfirma. Leben wie im Gefängnis. Wir wollen zu einem der bekannten indischen Restaurants in der Nachbarschaft laufen, aber Corné erklärt, dass wir nach Einbruch der Dunkelheit die paar Hundert Meter nicht zu Fuß gehen können. Viel zu Gefährlich. Der Inder hat sowieso keinen Tisch mehr und Corné bucht uns einen Tisch bei ihrem Lieblinginder, der  zu weit weg zum Laufen ist. Corné merkt, wie erschreckend das alles für uns ist und läd uns spontan für den nächsten Tag zu einem Braai, einem afrikanischem Grillabend ein. Was dem Argentinier sein Asado, ist dem Südafrikaner sein Braai. Wir freuen uns sehr, besorgen Blumen und einen guten Wein und genießen den Abend mit Corné und ihrem Schwiegervater bei Burewurst und Maisbrei. Wir erfahren viel über das Leben hier, über die korrupte Regierung Zumas, den massiven Anstieg der Kriminalität, über schlimme Gewaltverbrechen, Massaker an weißen Farmerfamilien, über weiße und schwarze politische Scharfmacher, die Gewalt propagieren, hetzen und spalten. Aber auch von der Liebe der Südafrikaner zu ihrem Land, von dem Wunsch, dass Mandelas Traum von einer Rainbow-Nation wahr werden kann, von der Hoffnung in den neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa.

Wir versuchen unser Touriprogramm so sicher wie möglich zu gestalten, spazieren am belebten Strand entlang, machen eine Stadtrundfahrt (zusammen mit einer Gruppe afrikanischer Nonnen, was soll da noch passieren), besuchen den Zentralplatz mit Rathaus und etwas Touristenmarkt und verbringen einen schönen Nachmittag im Aquarium. Alles tagsüber und mit gesicherten Rucksäcken. Fotos gibt es wenig, die Kamera bleibt im Hochsicherheitstrakt zuhause.

Nach soviel Stadt und Aufregungt brauchen wir mal wieder was Entspannendes und beschließen, die nächsten Tage in zwei Nationalparks zu verbringen. St. Lucia ist ein perfekter Ausgangspunkt um die Wetlands zu besuchen, ein riesiges Feuchtgebiet bekannt für Krokodiele und Flußpferde. Und auf einer Flußfahrt sehen wir jede Menge davon. 

Der Hluhluwe-iMfoloze Nationalpark ist dem berühmten Krüger NP ebenbürtig, landschaftlich aber schöner und außerdem leichter zu erreichen. Auch wenn wir im Etosha NP ja nun schon alles gesehen haben, verbringen wir zwei Tage in diesem Park, der vor Allem für seinen Schutz der Nashörner berühmt ist. Und da hier gerade Frühling ist, sehen wir jede Menge "Buschbabys".

So, dieser Blog ist etwas schwierig, aber so ist es hier für uns auch. Traumhafte Landschaften, faszinierende Natur, viele Begegnungen mit netten Menschen, aber auch Angst, Unsicherheit, Misstrauen und dennoch die Hoffnung,  dass dieses Land der Welt zeigen möge, dass ein Zusammenleben in Frieden und gegenseitigem Respekt  möglich ist. 

Antworten (1)

Christa
Das ist schon beeindruckend und bedrückend. Von diesen Spannungen (vermutlich sehr gelinge ausgedrückt) bekommt man hier ja nicht so richtig etwas mit. Zugegeben, Südafrika ist auch nicht das, womit man sich täglich beschäftigt, oder was ständig in den Nachrichten ist. Auch wenn Afrkia in Zusammenhang mit Raubkunst behandelt wird, geht es in der Regel nicht um das Leben in Town-Ships. Das mit den gut gesicherten Häusern der weißen aber auch der schwarzen Oberschicht habe ich zwar gekannt, aber man hat ja nur durch Text keine richtige Vorstellung, wie es ist und wie es sich anfühlt. Ich beneide Euch um Eure so sinnlichen Erfahrungen. Passt weiterhin gut auf Euch auf und wagt auch ruhig mal etwas. So netten Ladies passiert (hoffentlich) so schnell nichts. Im übrigen freue ich mich auf eure Rückkehr. Weiterhin gute Erlebnisse beim Endspurt auf der Erlebnisbahn eines Sabbatjahres. Herzlichst Christa