Nächtliche Gelüste

Ich nenne ihn den Zweitonvogel (sein Repertoire ist auf zwei Töne beschränkt) und er kündigt den Frühling an. Die Tage werden länger, die Schneeflocken weniger, die Sonne scheint öfters und schmilzt das Eis auf dem Highway. Für mich heisst dass, weniger Schweissausbrüche und mehr Speed auf meinem Arbeitsweg. Ich beginne sogar die nächtlichen Fahrten zu geniessen und brettere mit 100km/h durch endlos dunkle Wälder. Manchmal geben die Wolken den Himmel frei und das fahle Mondlicht hilft meinen altersschwachen Scheinwerfern die Strasse zu beleuchten. Aus den Lautsprechern scheppert die Musik meiner einzigen CD Celtic Myst und Nomen ist Omen, denn die Lieder sind wirklich mystisch kitschig. Der Kopf ist frei von und mein Herz weit offen. Das einzige, was meine Seelenruhe stört, sind die Idioten, die mir mit Volllicht entgegenkommen. Nach einigen Flüchen tauche ich wieder in meine grenzlose Zufriedenheit ab und fahre meditierend meinem Bett entgegen. Um mein nächtliches Glück vollkommen zu machen, werde ich das Opfer meiner Gelüste und kaufe beim Inder mit dem Turban an der Tankstelle eine Tafel Schokolade. Ich teile sie nie. 

Das mit dem nächtlichen Highway ist wie mit dem Leben. Obwohl man nur 50 Meter (bei meinem Dodge sind es eher 30 Meter) weit sieht, vertraut man darauf, dass da eine Strasse ist, die weiterführt. Und so folgt man trillernd dem Mittelstreifen ins Unbekannte und freut sich auf Schoggi.