Die Wildsau von Vancouver

Alles in der Natur ist Zyklen unterworfen. Was bedeutet mehr Natur als das Auf- und Untergehen der Sonne, das Wiederholen der Jahreszeiten, das Wachstum und der Zerfall von allem Lebendigen. Und so scheint ein weiterer Kreis geschlossen zu sein, in dem ich von der unbändigen Wildnis in das urbane Chaos von Vancouver zurückgekommen bin. In dieser Megacity, wo meine Reise seinen Anfang nahm und in der ich nun doch wenigstens für ein kurze Zeit an der Naturschule unterrichten darf. Die Metropole ist eingebettet in die Wildnis, die in Form von riesigen Pärken tief in die Stadt hineingreift. Wenn der Mensch als Naturwesen angesehen wird und die Wildnis nicht als Zustand, sondern als ursprünglicher Prozess verstanden wird, dann kann auch von einer inneren Wildnis gesprochen werden. Ist nicht gerade in der modernen westlichen Welt durch das Fehlen der Naturbeziehung und durch das Streben, alles kontrollieren zu wollen, die innere Wildnis abhanden gekommen? Seine innere Wildnis zu entfalten heisst nicht unbedingt sich wie ein pubertierender Rebell oder eine schrille Esotante zu benehmen. Mit innerer Wildnis ist die persönliche Ebene gemeint, in der man wild sein kann. Wild sein ist nichts Statisches, sondern ist eine dynamische Entwicklung (wir müssen uns ent-wickeln, weil wir ver-wickelt sind). Unvorhergesehene und ungeplante Ereignisse (Coronavirus lässt grüssen) schreien nach einer wilden Antwort sein Leben mit Mut, Freiheit, Kreativität und Lebendigkeit zu leben, damit sich die natürliche Ordnung entfalten kann. 

Der bewusste Aufenthalt in der Natur mit allen Sinnen kann dazu dienen seine innere Wildnis wieder zu finden. Vielleicht ist die Suche nach meiner inneren Wildnis der wahre Grund, warum ich von Kanada angezogen werde wie die Fliege von der Kacke. 

Ich freue mich in den nächsten zwei Wochen mit den Vancouver Kids durch die Stadtpärke zu jagen und dabei meine innere Wild-sau ausleben zu können.