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England: Devon & Ich

Veröffentlicht: 15.05.2018

Seit drei Wochen bin ich mittlerweile schon in Devon und ich muss leider sagen, dass Jan recht behält, landschaftlich ist Devon sehr viel schöner als Leicestershire. Letzteres ist eher flach und grau (wohl auch zwecks fehlender Sonne), während Devon satt grün daherkommt, warm und hügelig, mit großartigen Aussichtspunkten und Dschungelartigen Waldwegen. Ich bin bei Anthony und Patricia untergekommen, die in einem kleinen Dorf nahe der Südküste ein kleines Bed&Breakfast betreiben. Mit im Haus lebt Anthonys Vater Raymond, der leider vor einigen Jahren an Demenz erkrankte und nun ein bisschen Unterstützung benötigt. Raymond hat das wunderschöne Haus in den Siebzigern erstanden, nachdem es jahrelang Urlaubsziel der Familie war, und es an Anthony weitervererbt. Die Arbeit für mich beinhaltet diesmal vor allem Gartenarbeit, Raymond Gesellschaft zu leisten und die Zimmer sauber machen. Ant & Pat haben einen großzügigen Garten mit Panoramablick auf die Bucht, welche wenige Kilometer weiter südlich ins offene Meer mündet. Hinter der Bucht erstreckt sich ein grüner Hügel mit Kühen und Schafen. An den Seiten des Grundstückes hat Raymond breite Beete angelegt, die ich in den letzten Tagen von Unkraut befreit habe. Mit ihm komme ich gut klar, er ist -natürlich seiner Krankheit entsprechend- sehr vergesslich aber sonst in guter Verfassung. Er spaziert mehrmals täglich durch den Garten oder führt seinen Hund Raffa aus, einen kleinen Westie. Er erzählt viel, wenn man ihn fragt, man muss nur damit leben können dieselbe Geschichte in einer Stunde dreimal zu hören. Dafür merke ich sie mir aber auch. Pat & Ant haben drei Zimmer im B&B, die ich auch schon alleine sauber mache und was mir viel Freude bereitet. Sonst heißt es Unkraut jäten, fegen und harken, Hühner ausmisten, Zäune und Gartenmöbel  streichen. Bei Pats Mutter habe ich die Markisen am Haus gereinigt und ab und zu koche ich Abendessen für Raymond oder bereite seinen Tee vor. Viel Zeit verbringe ich mit Spaziergängen und Wanderungen mit Raffa. Bei Ebbe laufen wir durch die Bucht und bei Flut den Weg durch die Wiesen und Felder an der Bucht entlang. Am Ufer der Bucht sind alte und teilweise restaurierte Kalksteinöfen, die genutzt wurden um Dünger herzustellen, der auf den Feldern verteilt wurde. Pat und Anthony haben nächste Woche Geburtstag und planen eine Piraten-Party, für welche wir schon zwei Piraten aus Stroh gebastelt haben. Von seinem 'Beware the mother-in-law'-Schild konnte ich Anthony nach viel Diskussion allerdings abbringen und rühme mich quasi damit eine Familienfehde verhindert zu haben. Muhaha.

Gleich am ersten Tag habe ich Ants und Pats Freunde kennengelernt, was ein großer Spaß war. Alle sind in Rente (viele Engländer ziehen für den Ruhestand an die Englische Riviera) und genießen hier das schöne Leben mit viel Lachen und viel Alkohol. Sie sind sehr gastfreundlich und weil das fröhliche drink'n'chat durch das Dorf rotiert habe ich bereits an Buchclubs, Grillabenden und Dorfabenden im Pub teilgenommen. Das habe ich alles sehr genossen, denn alle sind freundlich, aufgeschlossen, erzählen mir viel von sich und sehr interessiert an meinen Reisen. Die royale Hochzeit stößt (zumindest hier) auf eher wenig Interesse. Alle haben es im Fernsehen verfolgt und überall sind Parties, aber es interessiert niemanden... Am Sonntag nach meiner Ankunft sind wir mit dem Boot nach Salcombe gefahren, einer kleinen Hafenstadt circa 25 Minuten Fahrt entfernt. Dort war Krabbenfest, wo ich mir mit einem Eis in der Hand die Stadt angesehen habe. Salcombe ist seit Jahrhunderten eine Seefahrerstadt, die vor allem für Schiffsbau und später für Fruchthandel berühmt wurde. Im Hafenbecken der Stadt liegt ein Schiffsfrack aus der Bronzezeit, eines von dreien in ganz England. Die Schönheit hat allerdings auch seinen Preis, Salcombe hat nach London und Dorset die dritthöchsten Immobilienpreise Großbritanniens. Ich hab mir ein kleines Cottage für 1.2 Millionen herausgesucht.

Einige Tage danach bin ich mit Raffa nach Torcross gelaufen, das circa zwei Stunden Fußmarsch entfernt liegt. Torcross ist ein winzig kleines Dorf, an sich nicht sonderbar reizvoll, aber es liegt halt am Meer und als ich barfuss am Strand stand war es das schönste Dorf in ganz England. Etwas weniger beeindruckt hat mich Plymouth, auch wenn ich große Erwartungen hatte. Mein erster freier Tag seit ich in Devon angekommen war habe ich gleich genutzt um die Stadt zu besuchen. Doch abgesehen von den Mayflower Steps hat Plymouth erstaunlich wenig Sehenswürdigkeiten zu bieten. Umso mehr hat mich gefreut, dass ich Zeit hatte um ins Mayflower Museum zu gehen, das direkt neben den Stufen liegt, von welchen 1620 die ersten Pilger auf der Mayflower nach Amerika aufbrachen. Die Stufen kann man nicht übersehen, mit einem steinernem Tor und flankiert von der englischen und amerikanischen Flagge und hunderten von Gedenktafeln kann man sich gut vorstellen wie die Pilger das Schiff betraten um in ein neues Leben zu starten. Das Museum ist klein und niedlich kuratiert. Es ist vor allem für Kinder und Klassen ausgelegt, was mich nicht daran gehindert hat die Kostüme auch anzuprobieren.

Am schönsten unter meinen Ausflügen hat mir allerdings Dartmouth gefallen, eine kleine Stadt an der Mündung des Flusses Dart. Ant und Pat haben mich spontan mitgenommen und so konnte ich Greenway besichtigen, das Sommerhaus von Agatha Christie. Dartmouth an sich ist eine hübsche, perfekt aussehende Stadt. Ich habe mich gefühlt wie auf einer Eisenbahnplatte. Die Häuser sind in tadellosem Zustand fein sorgfältig um die Bucht gesetzt und auf dem Wasser schwimmen saubere Privatjachten und nicht allzu überfüllte Fähren, welche die Touristen an noch schönere Orte fahren. Als ich die alte Eisenbahn hab durch das Tal fahren sehen musste ich über diese surreale Perfektion doch lachen. Über Dartmouth thront das Royal Naval College, auf welchem Prinz Philipp seine Ausbildung zum Marineoffizier absolvierte und wo die heutige Queen Elizabeth und er das erste Mal aufeinandergetroffen sind. Eisenbahromantik quasi. Umso mehr ein Grund für mich das Ganze zu genießen, denn zugegeben, Eisenbahnplatten haben doch was friedliches.

Mit der Fähre bin ich nach Greenway gefahren, auf welchem Agatha Christie seit den Fünfzigern mit der Familie ihre Sommer verbrachte. Das Haus ist in Besitz des National Trust, der mehrere Naturdenkmäler, wie Gärten oder auch Häuser und Wälder ersteht und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Dank Raymonds Mitgliedschaft im National Trust konnte ich mir sogar die 14 Pfund Eintritt sparen (yay!). Das Haus auf dem riesigen Anwesen ist als Museum in fast exakt derselben Form erhalten wie Agatha Christie und ihr Ehemann Max Mallowan es noch erlebt haben. Die Familie waren allesamt große Sammler und entsprechend viel hat sich in dem großen Haus über die Generationen angesammelt. Max Mallowan war Archäologe und besaß eine große Sammlung an Artefakten von seinen Reisen und zusammen mit Agatha Christies Büchern ergab das eine ganz schöne Sammlung (ich schätze deswegen das große Haus...). Das Museum ist offen gestaltet, rein theoretisch konnte man alles anfassen. Deswegen habe ich auch auf dem Klavier im Wohnzimmer das eine Stück von Yann Tiersen gespielt, dass vom jahrelangen Klavierspielen noch einigermaßen übrig war und das war schon sehr cool (Klavier spielen war erlaubt, ich hab mich nicht strafbar gemacht oder so...). Das Haus ist umgeben von einem riesigen Anwesen, ein Tennisfeld, Gewächshaus, mehrere Gärten, ein Folly und Ställe eingeschlossen. Angelegt sind Nutzgärten für Gewürze, ein Kameliengarten, ein Steingarten und Rhododendron-Garten. Alles mit einer phänomenalen Aussicht auf den Fluss Dart. Also ja, ich habe viel Zeit dort verbracht und die Aussichten und Blumen genossen. Zum Anwesen gehört auch das Bootshaus, in welchem der rätselhafte Mord in "A Dead Man's Folly" spielt. Das Buch ist das letzte Abenteuer ihres  berühmten Detektivs Hercule Poirot und der tatsächliche Spielfilm mit David Suchet  wurde 2013 in Greenway gedreht. Ich bin jetzt stolze Besitzerin des kleinen Taschenbuchs, mit Original Greenway-Stempel. Das kommt in die Vitrine!

Und somit endet ein weiteres kleines Kapitel in meinen Reisen, denn morgen geht das Flugzeug nach Irland. Dort wartet Dublin auf mich und ich hoffe viele neue Erinnerungen.


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