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Valparaíso - auf die Cerros

Veröffentlicht: 31.10.2018

Rom hat 7 Hügel, Bamberg auch, aber wieviele sind es in Valparaíso? Eine Quelle nennt 42! Muss man nicht alle kennen, aber mich reizen die Ausblicke. Es gibt diverse Standseilbahnen auf einige dieser Hügel, früher sollen es sogar 30 gewesen sein und sogar dampfbetrieben! In Betrieb sind noch ein paar. Wozu einen Aufzug (Ascensor) nehmen, wenn man gesunde Beine hat? So war meine Devise bis gestern. Der Cerro Artilleria ist in der Nähe. Die Standseilbahn soll außer Betrieb sein, doch ja, sie geht wieder! Ein wunderbares altes Ding in Betrieb. Ich schaue in das Kassenhäuschen und sehe, es kostet ganze 300 Pesos hinauf (38 €Cents) und es war wunderbar, vor allem weil man eine Wahnsinns Aussicht während der Fahrt hinauf hat. Es geht steil hinauf, ca. 60 Meter nur, aber dabei immer der freie Blick auf das blaue Meer. Zwischen dem schmierölgetränkten Seilmechanismus und den Bahnschienen blühen bunte Blumen. Kurioserweise wird erst oben abkassiert. Dazu nicht etwa ein Automat, sondern eine Frau, die erst nach Bezahlung das Drehkreuz aus Gußeisen freigibt. Das Marine- und Seefahrtsmuseum ist noch geschlossen, sodass ich in Ruhe die Aussicht genießen kann. 

Das Museum, als es dann mal aufmachte, war schon sehr interessant, weil es thematisch einen sehr weiten Bogen spannt: bietet nicht nur Militärisches, sondern auch viel über die Seefahrt im Allgemeinen und die Geschichte Chiles. Das Schicksal einiger Helden aus verschiedenen Kriegen wird ausführlich dargestellt, vor allem aus dem Salpeterkrieg (1879 bis1883), auch tragische Schicksale, wie das des deutschen Segelschulschiffes Pamir. 9 Jahre lang transportierte sie Salpeter von Chile nach Europa. 1949 umrundete die Pamir als letzter Windjammer ohne Hilfsmotor Kap Hoorn und sank 1957 auf tragische Weise im Atlantik, wobei 80 Seeleute ertranken, davon 45 im Alter von 16 bis 18 Jahren.

Jede Menge Schulklassen füllten das Museum zunehmend: so soll wohl einerseits die Geschichte Chiles plastisch vermittelt werden, andererseits vielleicht früh Interesse für eine Karriere beim Militär geweckt werden. Doch ob diese Rechnung aufgeht, bezweifle ich, denn die Lehrer hatten Mühe die temperamentvollen Kinder einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Der vor dem Eingang auf einer Messingtafel geforderte Respekt fehlt. Kanonen und Seeminen im schönen Innenhof scheinen die Kinder wenig zu beeindrucken. Das Museumspersonal drückt die Augen zu, als Jungs die Mechanismen von Richtkanonen praktisch erproben.

Schließlich schwebe ich mit dem Ascensor wieder hinab Richtung Hafen. Erst mal einen Fisch essen in einem der vielen Restaurants am Hafen -hmm (Merluza=Seehecht). Ruhig hier - bis wieder eine Schulklasse die Lokalität enterte.

Der Aufstieg zum Haus des Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda (1904 bis 1973) war etwas langwierig und anstrengend - aber man muss halt auch mal etwas leiden - um der Kunst willen. Das Haus hatte er wohl durch Zufall gefunden und es liegt so, dass er eine wunderbare Aussicht über die gesamte Bucht genießen konnte. Es hat 5 Etagen, aber wenig Grundfläche. Es ist nicht groß, aber zweckmäßig gestaltet und sehr stilvoll eingerichtet, mit viel Liebe zum Detail. Neruda war Sammler und meinte, dass der Spielsinn auch für Erwachsene wichtig ist - genau! Der Audioguide erzählt nette Anektdoten - sehr unterhaltsam. Neruda lachte gerne, konnte aber selbst keine Witze erzählen. Nerudas "Sebastiana" (so nannte er da Haus) ist echt einen Besuch wert, aber es kann eng zu gehen drin. Ich kaufe mir eines seiner Frühwerke " Veinte poemas de Amor y una canción desperada" (20 Liebesgedichte und ein verzweifetes Lied). Der Eintrittspreis war mit 7000 Pesos relativ stolz, aber sein Geld wert. Warum die Dame an der Kasse so unfreundlich war? Umständlich tippte sie im Computer herum, bis sie schließlich 3 Zettel produzierte, die auch noch abgestempelt werden mussten. Ich frage nach und erlaubte mir die Bemerkung, dass das ja wohl etwas kompliziert wäre - eiserne Miene. Danach folgte ich gemütlich der wohl einzigen Straße in Valparaíso, die horizontal am Hang entlang läuft, der "Avenida Alemania". Immer wieder grandiose Ausblicke. Der Wind frischte ganz schön auf, dafür blauer Himmel und eine klare Sicht auf die Bucht. So gewinnen Farben und Kontraste -perfekt für noch mehr Fotos. Ich besuche unterwegs noch eine sogenannte Bodega, die eigentlich ein ziemlich gut sortierter Getränkeshop ist. Ich habe bemerkt, dass es in anderen Shops keinen Alkohol gibt. Zum Abendessen gehe ich erst gegen 21 Uhr noch ein wenig den Berg hinauf. Das Lokal hatte ich mir vorher schon ausgesucht. Über all gute Musik. Es ist Halloween und es begegnen einem schräge Gestalten, teils mit selbst gebastelten Masken.

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