Into the Unknown
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Ein fröhliches Volk mit traurigen Liedern

Veröffentlicht: 09.12.2020

English version below.

Eines abends sitzen wir mit Bünyamin, unserem Gastgeber, zusammen und lauschen der Melodie, die er auf einem Saiteninstrument spielt. Das Lied klingt traurig, wie so viele kurdische Lieder. Bünyamin sagt das läge daran, dass seinem Volk so viele traurige Dinge widerfahren sind. Sie wurden verjagt, ihre Sprache verboten, sie wurden verfolgt und getötet. Seine eigene Familie ist davon glücklicherweise verschont geblieben, aber in den kurdischen Gemeinden kennt jeder jemanden, der in der Vergangenheit irgendwen verloren hat.

Trotzdem scheinen die Kurden ihre Lebensfreude nicht eingebüßt zu haben. Das Leben hier findet auf der Straße statt. Man lädt Nachbarn, Freunde oder vorbeikommende Bekannte zum Tee ein (eine feine Sitte, die wir sehr genießen), Kinder spielen vor der Haustür und die Menschen scheinen insgesamt viel miteinander zu reden, zu scherzen und zu lachen.

Als wir abends gegen zehn Uhr – es ist längst dunkel draußen – vom Balkon des Hauses blicken, sind immer noch Leute unterwegs und das Spiel der Kinder dauert an; in Deutschland wäre ein Wohngebiet um diese Uhrzeit regelrecht leergefegt. Auch kommen wir schnell mit Leuten ins Gespräch. Viele fragen nach Stefans Verletzung und bekunden ihr Mitgefühl.

Was uns außerdem an Mardin gefällt, ist die friedliche Atmosphäre, die in der Stadt herrscht. Das deutsche auswärtige Amt warnt davor, in diese Region, nahe der syrischen Grenze, zu reisen. Doch hier leben Türken, Kurden, Araber, Syrer und Armenier schon seit Jahrhunderten friedlich zusammen. Früher war die Stadt ein wichtiger Knotenpunkt an der Seidenstraße und die Altstadt von Mardin scheint bis heute in dieser Epoche stehen geblieben zu sein. Die Gassen sind labyrinthisch und eng, die Gebäude scheinen aus dem alten Orient zu stammen und wenn man von den Dachterrassen der Teestuben und Restaurants ins Tal blickt, erwartet man fast, eine Karawane in der Ferne zu erspähen.

Das Umland der Stadt wird diesem Bild jedoch nicht gerecht. Achtlos weggeworfener Müll säumt wirklich jede Straße und der Staub, den der Wind vor sich hertreibt, ist unser steter Begleiter. So freuen wir uns bereits, als wir abends wieder in das gastliche Heim von Bünyamins Familie eintreten, die uns für einige Tage beherbergt. Seine Mutter tischt jeden Tag neue Spezialitäten auf und umsorgt uns von vorne bis hinten. Das ist uns schon ein wenig unangenehm, aber wir sind Gäste und dürfen nicht mithelfen. Auch Bünyamin lehnt es strikt ab, dass wir ihm zumindest mal einen Restaurantbesuch spendieren. Zumindest können wir uns damit revanchieren, dass wir seinem jüngeren Bruder Wesir ein bisschen Englisch beibringen.

Nach drei Tagen ist jedoch auch schon wieder die Zeit des Abschieds gekommen. Bünyamin und seine Familie wünschen uns alles Gute, eine sichere Heimkehr und dass wir uns eines Tages einmal wiedersehen werden. Wir sind zutiefst gerührt. Mit so viel Gastfreundschaft hatten wir nicht gerechnet. Dankbar für alles, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, ziehen wir weiter. Und eines steht für uns auf jeden Fall fest: Auch wir wollen die Gastfreundschaft, die wir hier erfahren haben, eines Tages erwidern.


Mardin: town by the Silk Road

One evening we are sitting in Bünyamin‘s room, listening to a Kurdish song he is playing on his string instrument. It sounds gloomy as do many Kurdish songs. When we ask Bünyamin, our host in Mardin, about it he explains that Kurds have experienced lots of tragedies. They were chased away, prosecuted, forbidden to speak their language and some were killed.

Nevertheless they do not seem to have lost their will and zest for life. Mostly life is spent outside on the streets here. Friends, neighbours and acquaintances are invited for tea when passing by (a custom we greatly appreciate), kids play outside on the street and people seem to interact, laugh and talk much more than citizens back in Germany. As we look outside at 10pm, night has already fallen, there are still people outside and children are playing happily.

We also enjoy the peaceful atmosphere in the city of Mardin. The German ministry of foreign affairs has issued a warning for travellers not to enter the region due to political tensions. But we experience a multicultural town where Turks, Arabs, Kurds, Armenians and Syrians live together peacefully and have done for the bigger part of the last centuries. In former times the town was a significant trade hub by the Silk Road. The old town still seems to resemble this era with its labyrinthian and narrow streets and the buildings might originate from the ancient orient. When sitting on one of the rooftop terraces, in a restaurant or a café to drink tea, you can just imagine a caravan making its way towards the city.

The outskirts of Mardin, however, paint a different picture. Carelessly discarded litter lines the streets and a hot dusty wind blows continuously. Thus we're happy when we arrive back at Bünyamin‘s family home, our shelter for the time here. His mother outdoes herself everyday cooking local specialities for us. Guests are treated like royalty here and we're not even allowed to pay for Bünyamin‘s food, when we visit a restaurant. (Eventhough we sneakily still do.) His brother Wesir is also very interested into us and we play card games with him and teach him a little English.

After three wonderful days it’s time to say goodbye and Bünyamin and his family give us their wishes for a safe journey and we all hope to see each other again one day. We are very touched by their friendliness and hospitality and are determined to take their example and open our home to travellers one day.

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