Into the Unknown
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Zu Besuch in der Wiege der Kultur

Veröffentlicht: 09.12.2020

English version below.

Urfa. Wie kann man diese beeindruckende Stadt beschreiben? Enge Straßen zwischen hohen, alten Häusern, offenbar ohne Hilfe eines Stadtplaners konstruiert. Ein Konglomerat aus Gebäuden; selbst Google Maps hilft nur bedingt bei der Orientierung. Kinder sowie Erwachsene treffen sich zum Spielen und Quatschen auf der Straße, kleine Läden verkaufen leckere Früchte und man kann Süßigkeiten und aufgeschäumten Ayran probieren. Im Gegensatz zu den Regionen entlang des Mittelmeers, die bereits sehr verwestlicht sind, wirkt diese Stadt sehr orientalisch auf uns.

Urfa soll der Geburtsort Abrahams (Ibrahims) sein und ist somit der fünftheiligste Ort des Islams. Die Abende hier sind malerisch, mit beleuchteten Moscheen und dem See mit heiligen Fischen. Diese dürfen nicht gefangen werden und werden daher enorm groß. Ein Mädchen tanzt mit einem Luftballon, Familien machen Fotos und füttern die Fische mit Futter, das in kleinen Schalen verkauft wird. Wir sitzen in einem etwas höhergelegenen Café mit Blick auf die Moschee, den See und die Zitadelle auf dem gegenübergelegenen Berg. Das Abendgebet wird aus der Moschee nach draußen übertragen. Gesungen von zwei Vorbetern, untermalt es die friedliche Atmosphäre; ein Kontrast zu den Polizeipatrouillen, die mit Gewehren im Anschlag umhergehen.

Die Kinder in Urfa wirken auf uns sehr authentisch. Noch sind sie offenbar nicht überschüttet von Medien und sehr direkt in ihren Reaktionen. Sie freuen sich, wenn wir sie treffen und mit uns ihnen reden und drücken Besorgnis und Überraschung aus, wenn sie Stefans Finger-Trainingsgerät sehen. Als wir nach dem Besuch des gut gemachten Mosaikmuseums draußen in einem Restaurant sitzen, werden wir von fünf Kindern angesprochen. Stefans verletzter Finger ist eine exzellente Gesprächseröffnung und nachdem eine Weile die schlimmsten Verletzungen, Brüche und Schusswunden von ihnen und ihren Verwandten thematisiert worden sind, fragen sie uns nach Essen. Nach kurzer Überlegung beschließen wir, alle auf eine Suppe einzuladen und so sitzen wir gemeinsam am Tisch und die Kinder versuchen uns Worte in ihrer Muttersprache beizubringen. Nach dem Essen zeigen die fünf uns ihr Können, indem sie Radschlag, Purzelbaum und weitere Tricks vorführen. Noch wollen sie uns aber nicht entlassen und plündern kurzerhand und sehr zu unserer Verlegenheit das städtische Rosenbeet, um sich bei uns zu bedanken. Schlussendlich trennen sich aber unsere Wege, nach zahlreichen Verabschiedungen und einer kleinen Fotosession.

Am nächsten Tag mieten wir ein Auto und fahren über staubige Straßen nach Göbekli Tepe, Ausgrabung des ältesten Tempels der Menschheit. Wir bewundern die bis zu 6 Meter hohen Säulen, welche mit Tieren verziert sind und stellen uns vor, wie es wohl vor 12.000 Jahren hier gewesen ist, als die Nomadenstämme dieses Monument erreichtet haben.

Auf dem Weg nach Harran kommen wir an einer Stelle vorbei, wo kleine rote Paprikaschoten auf einer riesigen Fläche getrocknet werden. Es riecht sehr intensiv. Hier kommt also unser rotes Paprikagewürz her.

Als wir in Harran ankommen werden wir sofort von Machmut, einem Touristenführer begrüßt. Er zeigt uns die Ruinen der historischen Universität, das Schloss und die sogenannten Bienenstockhäuser. Diese Konstruktionen aus Lehm und Stroh haben durch ständigen Luftaustausch eine natürliche Klimaanlage und sind so ausgesprochen gut geeignet für das extrem heiße Klima hier. Sehr zu unserer Überraschung berichtet Machmut aber, dass das Land hier früher, zur Zeit der großen Gewürzkarawanen, sehr fruchtbar und grün war. Aber tatsächlich befinden wir uns ja auch im ehemaligen Mesopotamien, dem fruchtbaren Halbmond. Leider ist hier Landwirtschaft heutzutage nur noch aufgrund des massiven Atatürk Staudamms möglich, der zwar für diese Region einen Segen darstellt und 10% des Stroms in der Türkei erzeugt, jedoch nur noch eine limitierte Menge an Wasser durch den Euphrat nach Syrien fließen lässt.

Was also nehmen wir mit nach unserem Besuch in dieser Gegend, wo die Menschheit begann sich anzusiedeln, wo die gemeinsamen Wurzeln der drei Weltreligionen liegen? Es ist eine Region voller Kontraste. Gemeinsame Wurzeln, aber andauernde Konflikte, große Freundlichkeit aber auch Armut und der tägliche Kampf Geld zu verdienen sind spürbar. Ein reiches kulturelles Erbe, gut erhalten und geschützt, aber dennoch bedroht von ökologischen Katastrophen.

Der Besuch in Urfa stimmt uns nachdenklich. Wir wären gerne noch länger geblieben, aber die nächste Station unserer Reise wartet schon auf uns.


Visitng the cradle of our culture

As we travel further east, we arrive in the city of Urfa. How to describe this impressive town? Narrow streets between high, old houses, no city planner seemed to have a say when they were constructed. It’s a conglomerate of houses and even maps only get you so far. Children and adults meet outside. Small shops sell delicious fruits and you can try sweets and try frothed Ayran on most street corners. The town seems very oriental to us, not having given way to westernisation.

The place is believed to be prophet Abraham’s (Ibrahim’s) birthplace and said to be Islam’s 5th most sacred site. In the evening it is very picturesque with the buildings and the lake with the holy fish, which are not to be caught and therefore grow impressively big. A little girl is dancing with a balloon, families taking pictures by the lake or while feeding the fish. We sit in a cafe on a hillside, viewing the mosque, the lake and the citadel on the opposite hill. The evening prayer is broadcasted to the outside of the mosque. Sung by two men it contributes to the seemingly peaceful atmosphere; a contrast to the police patrols carrying machine guns at the ready.

The children in Urfa seemed strangely authentic to us, not yet spoiled by the overuse of media and very direct in their reactions. They show real joy when meeting and openly express concern and surprise when seeing Stefans highly sophisticated finger-training device. After our visit to the well-constructed and kept mosaic museum the next day we are approached by five children while sitting in a restaurant. They talk to us, Stefan’s finger device serving as an excellent opener, and after a while ask us for food. We decide to buy them all some soup, so they sit with us and after trading stories of various injuries, with reference to Stefan’s finger, teach us some words in their mother tongue. After finishing the meal, they do cartwheels, somersaults and various other tricks to thank us, but do not want to go separate ways just then. To further show their gratefulness they start picking roses from a communal flower bed next to a Main Street for us. At last we do part ways after many goodbyes and taking photos.

The next day we rent a car and drive over dusty roads to Göbekli Tepe, the excavation site of the oldest monument of humankind. We marvel at the 6-metre-high pillars, decorated with various shapes of animals and wonder what the place looked like 12,000 years ago, around the time it was built by nomadic tribes.

On our way to Harran we pass by many cotton fields and a huge area where small red peppers are dried. It looks like an ocean of red and smells very intense. So, this is where our red pepper spice comes from.

As we arrive in Harran, we are promptly greeted by tourist guide Machmut who shows us the old university, castle and the beehive houses. These, made from straw and clay, have natural air conditioning and stay cold in the extreme summers. To our surprise Machmut tells us that once the surrounding lands had been lush green and full of trees. It is after all the area of the fertile half-moon, old Mesopotamia. Sadly, now it more likely resembles a desert and farming is only possible due to the water from the massive Atatürk dam. As great an achievement it might be for the region it only allows a certain amount of water flow through the river Euphrat into Syria and thus causes draughts there.

So, what do we take home after visiting the sites where mankind started settling, where the common roots of the three world religions lie? It is an area of contrast. Common roots, but ongoing conflicts, great hospitality and friendliness but also poverty and daily struggle to make a living. A rich cultural heritage, well preserved but endangered by ecological hazards.

The visit to Urfa certainly leaves us thoughtful. We would have loved to stay much longer, but our next destination awaits.

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