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Neapel - mehr als nur Pizza Margherita (26. Stop)

Veröffentlicht: 03.08.2021

Wir werden von der Athmosphäre der Großstadt geweckt und starten mit einem leckeren Frühstück, das wir in unserer Unterkunft bekommen. Es beinhaltet einen Korb mit Biscotti, Zwieback, Marmelade und Nutella. Dazu gibt es für jeden ein frisches Cornetto mit roter Marmelade und Saft bzw. Capuccino. Vor der Free Walking Tour versuchen wir noch unseren Nachtzug für die Fahrt nach Hause zu buchen. Am Schalter verweist sie uns allerdings auf die ÖBB, da sie anscheinend das Buchungssystem für Trenitalia gesperrt haben. Dann möchten wir uns ein U-Bahn Ticket holen. Die einen Automaten hatten keine Tickets für die Linie 1, die anderen waren kaputt, also bleibt nur der Schalter. Leider steht hier schon eine ziemlich lang Schlange, und wir haben nicht mehr so viel Zeit. Trotzdem müssen wir uns anstellen und nach ein paar Minuten halten wir tatsächlich unsere Tagestickets für die Öffis (3,50€) in der Hand. Der Bahnsteig ist schon ziemlich voll, vor allem aber weil er sehr klein ist. Platzangst darf man hier unten nicht haben.

15 Minuten nach Beginn der Tour kommen wir am Dante-Platz an. Wir hoffen, dass sie nach italienischer Uhr arbeiten und deshalb noch warten. Tatsächlich finden wir die Free Walking Tour und können noch dazu stoßen. Viel verpasst haben wir vermutlich nicht.
Neapel ist mit knapp 1 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Italiens und ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Süditaliens. Die ursprüngliche griechische Siedlung hieß Neapolis (Neustadt), später geriet sie unter römische Herrschaft. Vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert gehörte Neapel zu den größten Städten Europas. Neben vielen Zeiten der Fremdherrschaft war die Stadt außerdem Hauptstadt einiger süditalienischer Reiche. Unsere Tour führt uns durch die Altstadt, welche 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Unsere Tourguide erklärt uns, dass sich die Altstadt an drei großen, parallelen Straßen (Plateia) ausrichtet. Durch rechtwinklig kreuzende Nebenstraßen entstehen sogenannte Parzellen. Dieses hippodamische Schema ist typisch für die griechische Antike.
Vom Dante-Platz gehen wir durch die Port'Alba zum Piazza Bellini (Künstlerplatz), der mitten im Studentenviertel liegt. Hier stoßen wir auch schon auf die ersten griechischen Mauern. Diese und alle weiteren Ausgrabungen prägen das Stadtbild Neapels. Wir setzen unseren Weg in der Via dei Tribunali fort, auch bekannt als die "Pizza-Straße". Wir freuen uns, dass unsere Erwartungen erfüllt werden, und wir jetzt über Pizza sprechen. Pizza ist natürlich wichtig, da die bekannteste Pizza Margherita in Neapel erfunden wurde. Sie steht für die drei Farben der italienischen Flagge - grün für Basilikum, weiß für Mozzarella und rot für Tomaten. Sie empfiehlt uns, entweder eine Margheriata oder Marinara (Tomaten, Knoblauch, Olivenöl und Oregano) zu essen. Alle anderen Pizzen seien nicht typisch italienisch - vor allem nicht die mit Ananas belegt. Außerdem erzählt sie auch von frittierter Pizza. Doch nicht nur die Pizza wird hier frittiert, auch alles andere. Sie legt uns nahe, in einer der älteren Pizzerien in dieser Straße zu essen, weil hier alle zum Pizza-Essen hin gehen - auch die Einheimischen.
Außerdem geht es mal wieder um Kirchen. Unsere Guide meint, dass es nur im Centro Storico von Neapel über 500 Kirchen gäbe. Holla, wie soll das denn gehen? Waren doch in Ohrid schon (keine) 365....? Natürlich sind davon nicht mehr alle in Benutzung, manche sind auch verborgen. Sie verdeutlicht uns dieses Phänomen an der Basilica di San Paolo Maggiore, die auch in der Pizza-Straße steht. Dort war in der Antike der Hauptplatz gelegen, und der griechische Tempel der Dioskuren. Säulen diesen Tempels sieht man noch in dem Turm einer ehemaligen byzantinischen Kirche, der vor der neuen Basilika steht. So hat man schnell mal 3 Kirchen an nur einem Platz. Wir gehen weiter und entdecken eine Kirche, deren Fassade Totenköpfe schmücken. An dieser Stelle war bzw. ist ein unterirdisches Massengrab. Der Erbauer der Chiesa di Santa Maria delle Anime del Purgatorio ad Arco wollte, dass auch für diese Seelen gebetet wird, und errichtete sie zu diesem Zwecke. Die Kirche selbst ist auch UNESCO-Weltkulturerbe.
Wir wechseln in die obere Plateia, wo wir nochmal über archäologische Funde sprechen. Es gibt 2 antike Amphitheater in Neapel, wovon eines erst in der letzten Zeit entdeckt wurde. Eine Familie in ihrem kleinen Appartement im Erdgeschoss (Basso) hat dieses zuvor lang gesuchte Theater beim Ausbau gefunden. Jetzt kann man Teile davon als Museum besichtigen, wobei man über die Wohnung eintritt.
Während wir durch die Straßen laufen, wundern wir uns über die vielen roten Pepperoni an Schmuck, Deko etc. Unsere Guide klärt uns darüber auf: Erstens ist es ein Horn und keine Pepperoni, zweitens sind es wichtige Glücksbringer für die abergläubischen Neapolitaner. Sie sind aber nicht nur abergläubisch, sondern auch sehr gläubig. Bekannt ist Neapel nicht umsonst für die Krippenkultur. In der Vico figurari bekommen wir einen kleinen Eindruck davon. Hier wird auch jetzt im August alles mögliche verkauft, was für eine Weihnachtskrippe dienen könnte, von klassisch bis völlig abgefahren. Von Holzschnitzerei bis Puppenspiele, jede Krippe muss einzigartig sein, weshalb man in der Vorweihnachtszeit hier keine Chance hat, einen Schritt zu machen. Eine Figur, die u.a. auch in den Krippen ihren Platz hat, ist Pulcinella aus der Comedia dell' Arte. Wer nicht weiß, wer oder was das ist, sollte sein Wissen Mithilfe Google auffrischen.
Wir beenden unsere Tour an der Chiesa di San Giorgio Maggiore. Dort ist eine große Wandmalerei vom Stadtheiligen San Gennaro, der jedes Jahr ein wichtiges Wunder vollbringt. Sein Blut, das in der Krypta des Doms aufbewahrt wird, muss am 19. September flüssig sein, damit der Stadt in diesem Jahr kein Unglück passiert. Als sie aber sogar begründet, warum Covid-19 kein Unglück für die Stadt war (weil Blut letztes Jahr flüssig), finden wir es schon sehr abstrus. Übrigens haben wir nachgelesen, dass das Blut durch Bewegung flüssig erscheint, und so das "Wunder" geschieht.

Nach der Tour schauen wir uns den Dom, Cathedrale di Santa Maria Assunta, mit der Krypta an. Endlich mal wieder eine Kirche, die keinen Eintritt kostet, und noch dazu richtig toll ist. Das sehr hohe Kirchenschiff und die Decken- und Säulenverzierungen sind beeindruckend. Das Blut übrigens nicht so.
Wir gehen die Pizza-Straße entlang auf den Hügel zu, auf dem das Castello Sant'Elmo steht. Wir wollen eigentlich die Zahnradbahn nach oben nehmen, finden sie aber nicht auf Anhieb, und dürfen uns einige Höhenmeter in der Hitze hochquälen. Die Zahnradbahn ist übrigens auch beim Öffi-Netz dabei. Wir können dank maps.me zumindest noch eine Station nach oben fahren, und dann die Burg besichtigen. Der Eintritt ist für unter 25-jährige EU-Bürger nur 2€ (Rest 2,50€) und man kann vor allem einen schönen Rundumblick genießen. In Richtung Vesuv blickt man davor auch auf das schöne Kloster San Martino, das wir aber nicht mehr besichtigen, weil wir den Zugang nicht finden. Übrigens wurden uns auch noch das Castell dell' Ovo, der Palazzo Reggia di Capodimonte und der Palazzo Reale in Caserta empfohlen. Letzterer soll sogar schöner sein als Versailles, wir konnten das leider nicht überprüfen. Das Castell dell' Ovo nehmen wir uns für den nächsten Tag vor.
Heute wollen wir noch eine Tour im Untergrund von Neapolis machen. Vorher brauchen wir aber noch einen Snack. Um unsere Liste durchzukriegen, nehmen wir eine pizza al portafoglio (zusammengefaltet) und eine pizza fritta (frittierter Teig). Das schmeckt echt besser, als wir gedacht hätten.
Außerdem wollen wir noch babà probieren, ein Gebäck aus Bierhefeteig, das in Rum getränkt ist. Ziemlich lecker, ziemlich heftig. Gut, dass wir uns noch bewegen. Als Untergundtour wurde uns die Neapolis sotterranea empfohlen. Der Eintritt kostet 8€ (Studenten, sonst 10€). Wir betreten das Bunkersystem des 2. Weltkriegs, das zuvor bis zur Cholera-Epidemie Teil des riesigen Aquädukts war, und davor zum Abbau von Baumaterial diente. Grundsätzlich wird viel über den 2. Weltkrieg gesprochen, bis wir die schmalen Passagen des ehemaligen Aquädukts betreten. Und ja, wir haben gerade so durchgepasst, auch hier sollte man keine Angst vor engen Räumen haben. Dieser Teil der Tour ist belustigend, aber auch ein bisschen merkwürdig. Das Aquädukt ist merkbar nicht zum durchwandern gebaut worden. Oberirdisch werden wir weitergeführt zu einer Krippenausstellung, wovon wir weiter gehen zum Amphitheater im Basso. Wie beschrieben gelangt man durch eine Bodenklappe zu den Ruinen. Man braucht trotzdem viel Phantasie, um sich hier ein Theater vorzustellen. Es ist einfach zu wenig freigelegt, da überall sonst noch Leute wohnen. Die andere Untergrundtour (Neapolis Sotterrata) beinhaltet die antike Agora, die wir jetzt gerne auch gesehen hätten. Wer Ausgrabungen sucht, sollte sich vielleicht nicht für sotterranea entscheiden.

Das war aber dann auch genug Sightseeing für einen Tag. Wir gehen zurück ins B&B, um noch ein paar Sachen zu organisieren, was natürlich wieder länger dauert als gedacht. Bei der ÖBB bekommen wir die Auskunft, dass alle Nachtzug dieser Woche ausgebucht sind und Schienenersatzverkehr zwischen Brenner und Innsbruck besteht. Angeblich brauchen wir für die ECs untertags keine Reservierung - da gibt es anscheinend eine Verbindung, mal sehen, ob das klappt (wir werden berichten...). Für den Vesuv gibt es erst ab mittags freie Einlasszeiten, wir brauchen eine Unterkunft in Salerno und müssen das Castell dell' Ovo reservieren...
Danach haben wir uns echt ein gutes Abendessen verdient! PIZZA! Um die Ecke gehen wir zur nächsten Trattoria und essen wie empfohlen Margherita bzw. Marinara. Dazu noch ein Glas Rotwein, das übrigens teurer ist als die pizze. Jetzt geht's uns wieder gut, Stress vergessen. Wir sind begeistert. So wenige Zutaten, so einfach, so lecker. Müde und glücklich fallen wir in unsere Betten. Morgen geht es früh weiter.

Wir haben nämlich die erste mögliche Zeit im Castell dell'Ovo gebucht. Die Metro fährt nicht. Davor hängt einfach ein Schild, dass sie bis zum 5. August erst ab Dante fährt. Achso, sind ja nur 4 Stationen. Diese Stadt scheint das Chaos echt zu lieben. Unser Zeitplan wird dadurch mal wieder durcheinander geworfen. Wir nehmen die Buslinie 151, die uns kurz vor dem Castell absetzt. So schaffen wir es nur mit wenig Verspätung, einzutreten. Die Burg ist sehr hübsch, liegt direkt am Meer und hat dadurch wieder tolle Aussicht, vor allem auf die im Hafen liegenden Fischerboote. Leider ist viel gesperrt (wahrscheinlich deshalb auch der Eintritt frei), und wir sind schon viel früher mit besichtigen fertig als gedacht. Wieder Zeitplan verkehrt. So haben wir noch Zeit uns am Hauptbahnhof nach der Reservierung für den ersten Teil unserer Heimfahrt zu erkundigen. Fragt nicht, aber das geht auch wieder schief...im Endeffekt nehmen wir für 2,80€ einen Zug nach Pompeji Scavi, um zum Vesuv zu kommen. Darüber schreiben wir noch in einem extra Beitrag.
Nachdem wir zurück sind gibt es nochmal ein großes Debakel um die Rückfahrt. Letztendlich haben wir aber zumindest bis Bologna Sitzplätze. Das kann noch spannend werden. Wir machen uns nochmal zu Fuß auf den Weg in die Pizza-Straße. Die Entscheidung fällt recht zufällig, aber wir essen wieder gut. Als Vorspeise teilen wir uns eine frittata di pasta, das sind Nudeln mit endlos Bechamel-Sauce, frittiert. Gewöhnungsbedürftig, und gut, dass wir es geteilt haben. Als Hauptspeise gibt es Gnocchi alla sorrentina bzw. eine Calzone. Da haben wir uns mal wieder beide übernommen. Pappsatt gehen wir deshalb auch wieder zu Fuß zurück, durch die Gassen der Altstadt Neapels.

Neapel hat übrigens alle unsere Erwartungen und auch einige Vorurteile erfüllt. Die Altstadt ist eher von der ärmeren Bevölkerung bewohnt. Es mangelt an Infrastruktur, viel Müll liegt am Straßenrand, die Gebäude sind teilweise sehr heruntergekommen, die Wäsche hängt über den Fußgängerzonen. Wobei, Fußgängerzonen? Durch jede noch so kleine Gasse fahren Roller und Autos über das Kopfsteinpflaster, als wäre es eine normale Straße. Wir müssen mehrmals zur Seite springen, um nicht umgefahren zu werden. Das Hupen gehört zum Flair dazu. Ein Autofahrer fängt einen Streit mit uns an, als wir für einen Krankenwagen stehen bleiben. Ist ja auch ziemlich merkwürdig....?
Die Schönheit der Stadt steckt vielleicht nicht in den Gebäuden selbst, aber in ihrer Atmosphäre und Einzigartigkeit. Abschließend können wir nur sagen, dass Neapel nicht nur wegen der besten Pizza der Welt einen Besuch wert ist.

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