Veröffentlicht: 31.07.2021
Schon bei der Anfahrt auf Bari sehen wir, wie groß diese Stadt ist. Sie ist mit knapp 330000 Einwohnern die Hauptstadt der Region Apulien und eine bedeutende Hafen- und Universitätsstadt an der Adria. Bari war schon in der mittleren Bronzezeit bewohnt. Schon 180 v. Chr. erscheint sie als bedeutender Hafen. Beim Andocken trifft unsere Vorfreude auf die griechische italienische Gemütlichkeit - es dauert ewig, bis wir aussteigen dürfen. Im Gegenzug dazu klappt die Einreise nach Italien sehr schnell. Es ist ca. 10 Uhr vormittags und schon eine Bullenhitze während wir den Pier entlang laufen. Deswegen wollen wir eigentlich schnell unsere großen Rucksäcke loswerden, aber die Gepäckaufbewahrung am Hafen kostet 4€. Das ist uns für 2 Stunden dann doch etwas zu viel. Wir gehen deshalb auf Erkundungstour mit Backpacks.
Die Altstadt (Bari vecchia) ist zum Glück nicht so groß. Durch die schönen kleinen Gassen steuern wir zuerst die große Basilika San Nicola an. Sie war die erste Kirche dieser Art in Apulien und diente zahlreichen Sakralbauten in der Region als Vorbild. Durch die hohen massiven Mauern und den wenigen Prunk wirkt sie auf uns eher wie eine Festung. Innen sind wir erstmal froh über die kühle Luft. Der Innenraum ähnelt den Kirchen, die wir von zuhause kennen, und ist eher schlicht gehalten. Trotzdem sind die Dimensionen sehr beeindruckend. Wir gehen auch in die Krypta, wo sich die Reliquien des Heiligen Nikolaus von Myra und eine kleine Kapelle befinden. Die Krypta finden wir eigentlich nur durch Zufall, weil wir einen anderen Ausgang aus dem Areal der Basilika suchen. Letztendlich gehen wir durch das gleiche Tor wieder zurück in die Gassen der Altstadt.
Unser nächstes Ziel ist das Castello Normanno-Svevo di Bari. Die mittelalterliche Festung stammt wahrscheinlich von 1132 und wurde des Öfteren zerstört und wieder aufgebaut, bzw. umgebaut. Sie wurde in der Geschichte unter anderem auch als Gefängnis und Kaserne genutzt. Wir hoffen, dass wir dort unsere Rucksäcke ablegen können, während wir die Burg besichtigen. Wir gehen am Burggraben entlang, bis wir den Eingang finden. Dort angekommen wird uns allerdings mitgeteilt, dass die Burg heute geschlossen hat - eigentlich klar, es ist ja auch Montag. Mist. An einem Brunnen erfrischen wir uns und füllen unsere Wasserflaschen wieder auf. Beim weiter durch die Gassen schlendern laufen wir an drei Frauen vorbei, die an einem Tisch sitzen und Orecchiette herstellen. Voll cool, wir haben noch nie gesehen, dass jemand an der Straße frische Pasta herstellt. An vielen Straßenständen kann man außerdem getrocknete Oricchiette und getrocknete Tomaten kaufen. Nach kurzer Zeit gelangen wir aus der Altstadt in den moderneren Teil der Stadt. In der Fußgängerzone laufen wir an unzähligen verschiedenen Markenläden vorbei, von H&M bis Prada ist alles dabei. Dabei steuern wir direkt den Hauptbahnhof Bari Centrale an.
Wir erkundigen uns nach Verbindungen nach Polignano a Mare, weil wir dort mit Yasmin verabredet sind. Yasmin ist eine Freundin von Babsi aus ihrem ERASMUS- Semester in Stockholm und wohnt in Tricase. Das Zugticket kostet nur 2,60€ für die ca. 40 Minuten Fahrt. Nach langer Zeit können wir die Tickets mal wieder an einem Automaten kaufen. Wir bleiben anfangs an vielen Bahnhöfen stehen, die zu Bari gehören. Das macht uns nochmal bewusst, wie groß die Stadt ist.
Die meisten Leute, die mit uns im Zug sitzen, steigen auch in Polignano a Mare aus. Wir können deswegen einfach der Masse folgen, um ins historische Zentrum zu gelangen. Wir gehen durch das Stadttor und finden uns gleich in schönen, belebten Gassen wieder. Die Häuser sind alle in hellen Pastelfarben angemalt. Wir gelangen auf die Hauptstraße der Fußgängerzone. Die Straße ist mit Lichterketten geschmückt, die den Text eines Gedichts abbilden. Beim Schlendern lesen wir Zeile für Zeile und übersetzen, doch erst recht spät fällt uns auf, dass wir den Liedtext eigentlich kennen: Voooooooolare! Upsi, in der Strophe waren wir wohl nicht so textsicher. Wir finden später heraus, dass der Sänger des Liedes, Domenico Modugno, aus Polignano a Mare stammt. Auf der Suche nach Focaccia barese durchforsten wir fast jede kleine Gasse der schönen Altstadt. Polignano a Mare hat heute knapp 18000 Einwohner. Sie war bereits in Frühzeiten besiedelt und der Hafen war auch bedeutsam in der Antike. Sehr schöne Häuserfassaden reihen sich aneinander, darin viele Bars, Restaurants, Läden. Am Rande der Altstadt gelangt man immer wieder zu Balkonen, auf denen man über der Adria thront. Die steilen Felswände steigen beeindruckend nach unten in die Buchten, in denen sich einerorts Badegäste, anderenorts Segelboote tummeln. Das tiefe, klare Wasser lädt auch wirklich wieder zum Baden ein!
Wir haben immernoch unsere großen Rucksäcke auf dem Rücken, und sind langsam ein bisschen skeptisch, ob wir noch Focaccia barese finden werden. Letztendlich werden wir außerhalb der Stadtmauer fündig. Das lange Anstehen lohnt sich auch. Die Focaccia ist mit Tomaten, Kräutern und Olivenöl - und verdammt lecker!! Dann heißt es erst mal warten. Yasmin hat noch Besuch von spanischen Freundinnen, und auch schon 1 Stunde Verspätung angekündigt. Nach einer Zeit wandern wir in die Bar nebenan und trinken einige LemonSoda. Eine Fanta landet leider auf Babsis Kleid. Trotzdem erfrischend. Die Hitze ist wieder ziemlich unerträglich, wir sind zu kaum einem Gedanken fähig. Auch Babsis Handy spielt nicht mehr mit, weshalb auch der Kontakt zu Yasmin kurzzeitig abbricht. Mit nur 1:45 h Verspätung treffen die Mädels in Polignano a Mare ein. Finalmente!
Nach einem großen, freudigen Wiedersehen und einer kurzen Vorstellungsrunde geht es wieder auf Essenssuche - Diesmal halt zu 7. Auch sie finden keine Focaccia, und entscheiden sich für verschiedene Pucce (Sandwichs), wir wieder für Limo. Außerdem unterhalten wir uns sehr gut. Die Mädels sind in verschiedenen Berufsgruppen, weshalb der Austausch sehr interessant ist. Eine ist auch Sonderpädagogin und arbeitet in Madrid. Die Gespräche machen auf jeden Fall viel Spaß und das Warten ist gleich vergessen. Danach drehen wir nochmal eine kleine Runde. Yasmin weist uns auf die Statue von Domenico Modugno hin, sowie ein sehr teures Restaurant in einer Grotte, in dem wohl auch einige Hochzeiten stattfinden. Dann müssen wir aber schon zum Bahnhof, weil die Spanierinnen ihren Zug zum Flughafen erwischen wollen. Einen Bahnhofsschritt haben sie aber nicht gerade drauf, und es wird ganz schön knapp. Ihre Einreiseformulare (Corona) haben sie noch dazu im Auto vergessen. Na dann, gute Reise!
Wir steigen auch ins Auto und steuern unser nächstes Ziel an: Alberobello. Yasmin hat sich den Ort ausgesucht, weil sie sich an eines unserer ersten Gespräche erinnert hat: nachdem sie Babsi im Erasmus erzählt hatte, dass sie aus Apulien kommt, war ihre erste Reaktion "DA WO DIE TRULLI SIND?!?!" XD. Ja, da wurde auch eindeutig ein Traum wahr. Schon auf der Fahrt erzählt sie uns einiges über die Trulli. Die meisten davon stehen in Alberobello. Es sind kugelförmige Steinbauten, die im 17. Jhdt. entstanden sind, um Steuerzahlungen an die königliche Regierung zu vermeiden. Das verwendete Material war massig vorhanden, und auf Zement und Mörtel wurde verzichtet, damit die Häuser bei einer königlichen Inspektion schnell verschwinden konnten. Ähnliche Steinbauten in anderen Formen gibt es auch im Rest der Region, jedoch wurden sie dort oft als Läden verwendet, während sie in und um Alberobello Wohnhäuser waren. Aufgrund dieser Vorgeschichte schämten sich die Bewohner später sehr für die Trulli. Niemand wollte mehr darin wohnen, da sie mit armen Menschen verbunden waren. Sie wurden teilweise zerstört oder zumindest jahrelang links liegen gelassen, und verfielen. 1996 wurden die Trulli in Alberobello zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt, wodurch sich ihr Blatt wieder wendete. Sie wurden nicht nur zum Touristenmagnet - Menschen kümmerten sich wieder, pflegten sie, verpassten ihnen neue Farbe, renovierten sie...und nutzen sie als neue Einkommensquelle entweder als Unterkunft für Reisende oder als Verkaufsraum. Einige wenige bewohnen sie auch wieder. Schwer vorstellbar, dass das alles mal Ruinen waren. Wir können uns gar nicht sattsehen an diesen süßen kleinen Häusern. Neben dem Zwillings-Trullo und der Trullo-Kirche ist jede Gasse eine Sehenswürdigkeit für sich. Über den Marktplatz kommt man zu einer Treppe, die mit Gedichten geschmückt ist. Sie führt zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man die Trulli-Dächer von außen bestaunen kann.
Die kurze Nacht und die vielen wunderschönen Eindrücke merken wir an unserer aufkommenden Müdigkeit. Obwohl wir hier eigentlich gar nicht mehr wegwollen, steigen wir wieder in den kleinen Fiat Panda von Yasmin und treten die Fahrt nach Tricase Porto an.
Wir brauchen nicht ganz 2 Stunden, erinnern uns auf der Reise an Stockholm, Kopenhagen und diskutieren über Politik. Yasmin möchte uns auch noch eine CD vorspielen, die sie extra für ihre ganzen Besuche gekauft hat: traditionelle Volksmusik aus der Region Salento, in der wir gerade sind. Sie ist gezeichnet von verschiedenen kulturellen Einflüssen der ehemaligen Besatzungen im Gebiet (u.a. griechische Dialekte, spanische Instrumente). In einer Art der Volksweisen geht es um die Spinne Tarantula, die mit vielen Mythen verbunden ist. Uns fällt nur noch eine ein: Mädchen, die den ihnen ausgesuchten Mann nicht heiraten wollten, täuschten vor, von einer Tarantula gestochen worden zu sein. Sie wurden davon so verrückt, dass sie immer und immer schneller hüpften und tanzten und immer schneller, höher und lauter sangen. Das kann man sich bei den Liedern bildhaft vorstellen. So geht die Fahrt recht schnell vorbei.
Wir sind alle froh, als wir im Casa Yasmin in Tricase Porto ankommen. Für Essen ist Gott sei Dank schon gesorgt: wir bekommen ein Stück Parmigiana di Melanzane (Auberginen-Lasagne mhmm) von Yasmins Oma, Frise con Pomodorini (aufgeweichtes trockenes Brot mit Tomaten und Olivenöl - ja, wir waren auch skeptisch, aber geil!), Taralli (Knabberzeugs) und ein umwerfend gutes Tiramisù von Yasmins Tante (zum Hochziehen!). Dazu gibt es einen vino pugliese rosato. Wir werden ganz schön verwöhnt. Wir sitzen noch lange auf der Terrasse zusammen und quatschen, bis wir müde werden und ins Bett fallen. Was für ein schöner erster Tag in Italien! Umwerfend! So fühlt sich Glück an.