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Supermächte im Dschungel

Veröffentlicht: 27.01.2019

Sie waren die großen Konkurrenten in der Welt der Maya: Tikal und Calakmul. Die beiden Stadtstaaten scharten in der Zeit vom 5. bis ins 9. Jahrhundert so viele Verbündete um sich wie nur möglich und bildeten Machtblöcke, so wie wir sie aus der modernen Politik kennen. Es gab "kalten" Krieg mit einem Gleichgewicht der Kräfte, blutige Schlachten, ein Buhlen um die kleineren Stadtstaaten und Stellvertreterkriege zwischen diesen Verbündeten. Tikal und Calakmul liegen bloß 100 km Luftlinie voneinander entfernt, in ein und demselben riesigen Urwald, jenem vom Petén. Dass fast drei Wochen zwischen unseren Besuchen in den beiden einstigen Supermachtzentren vergangen sind, liegt daran, dass heute Tikal in Guatemala und Calakmul in Mexiko liegen und der Urwald dazwischen nicht erschlossen ist. Wir mussten also eine weiten Kreis fahren, auf dem wir - zugegeben - auch einige Badetage in Belize einschoben.

In Tikal fand die Forschung rund 3.000 Strukturen (also Gebäudereste aus Stein) auf 16 Quadratkilometern. Calakmul war noch größer mit 6.000 Strukturen auf 25 Quadratkilometern. Das wissen wir aus unseren Büchern, sehen oder befahren kann man diese alten Großstädte aber nicht. Sie sind nämlich nur zu einem Bruchteil ausgegraben. Man spaziert also durch den Urwald und klappert die wenigen Ruinen ab, die von Vegetation und Erdreich befreit sind, wobei die Bauwerke keineswegs vollständig freigelegt sind. Man lernt mit der Zeit, dass jeder Hügel im Wald ein Maya-Bau ist, der darauf wartet, dass die Archäologen und -innen einmal ihn erwählen und ans Licht bringen. Und es gibt verdammt viele von diesen Hügeln.

In Tikal hat mich dieser Zustand der Ausgrabung unglücklich gemacht. Nur die schöne Jaguarpyramide und die ihr auf dem Hauptplatz gegenüberliegende "Schwester" sind völlig freigelegt; die anderen sind zumindest auf ihrer Hinterseite noch mit Erde und Pflanzen bedeckt. Von der allerhöchsten Pyramide (Tempel 4) ist nur das Spitzerl zu sehen - zumindest wenn man auf eine andere hohe Pyramide klettert, aber nicht vom Boden (also der Basis) aus, weil da die vielen Bäume den Blick verdecken. Insgesamt sind in Tikal auch zu wenige Bauwerke ausgegraben, als dass man das Gefühl haben könnte, sich in einer Stadt zu bewegen. In Calakmul hingegen stellt sich genau dieser Eindruck ganz leicht ein: Ein Wohnviertel folgt auf einen Platz mit Pyramiden und Tempeln, dann kommt noch ein Platz und wieder ein Wohnviertel usw. In diesen zentral gelegenen Wohnbauten aus Stein war übrigens nur die Oberschicht zu Hause. Die Häuser bestanden aus winzig kleinen, fensterlosen Räume, in denen niemals mehr als eine gemauerte Steinbank steht und die alle auf einen geräumigen Hof gehen (die Türöffnungen waren angeblich mit Baumwolltüchern verhängt). Alle anderen Menschen haben wohl in Hütten aus Holz oder anderen vergänglichen Materialien, und zwar nicht im Stadtzentrum, gelebt.

Dass man ein so gutes Bild von Calakmul bekommt, liegt auch an den exzellenten Texttafeln, die die einzelnen Bauwerke, aber auch Grundsätzliches zur Kultur, Politik und Wirtschaft der Maya erklären. In Tikal sind die Infos auf diesen Tafeln sehr rudimentär, man steht eher ratlos vor den Ruinen. Es ist also eigenartiger Weise deutlich interessanter, Calakmul zu durchstreifen. Eigenartiger Weise, weil in Tikal die elaborierteren Bauten stehen. So perfekt wie die Jaguarpyramide in Tikal ist zB keines ihrer Gegenstücke in Calakmul, wo die Hauptpyramide durch ihre Größe beeindruckt und eine interessante Dachlandschaft mit kleinerer Pyramide und Tempeln zu bieten hat, aber auch viel klobiger ist. Keine der Wohnanlagen in Calakmul kommt auch nur annähernd an Maler's Palace heran (benannt übrigens nach dem österreichischen Forscher Teobert Maler, der in einem Gebäude des riesigen Palastes sogar für einige Jahre gelebt hat), aber gerade dort habe ich mir sehnsüchtig mehr Infos gewünscht, um mir ein besseres Bild machen zu können.

Von den höchsten Pyramiden in Calakmul kann man an klaren Tagen einen der geheimnisvollsten Plätze der Maya-Welt aus dem Dschungel ragen sehen: El Mirador ist nur 30 km entfernt, schon in Guatemala und nur per Hubschrauber oder beschwerlicher mehrtägiger Trekkingtour erreichbar: eine weitere Maya-Großstadt, vergraben im Grün des Urwalds. Wir ließen uns nur erklären, wo El Mirador liegt, konnten aber im dichten Hochnebel nichts erkennen. Man möge übrigens bewundern, wie tapfer wir die hohen, steilen Pyramiden erklimmen - wir sind nämlich beide nicht schwindelfrei. In Tikal gibt es moderne Holztreppen auf der Hinterseite der Bauten, die älteren Menschen wie uns das Leben erleichtern, in Calakmul hingegen blieb uns das Herzklopfen beim Auf- und (noch mehr) beim Abstieg nicht erspart.

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#mexiko#calakmul#guatemala#tikal