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Im Sammeltaxi zum Campus

Veröffentlicht: 21.09.2018

Istanbul ist schuld. Bei meinem ersten Besuch dort habe ich mich in die wunderbare islamische Architektur sofort verliebt (vor allem in die Moscheen von Sinan) - und in die Fliesen aus Iznik, und zwar so sehr, dass wir uns vor inzwischen vielen Jahren für unser Badezimmer in Wien (einige wenige) Iznik-Fliesen aus der Türkei kommen ließen. Dass Usbekistan schon lange eines meiner Wunschziele war, liegt da auf der Hand: Die verfliesten hohen Eingangsbereiche in Moscheen und Medresen in Samarkand wollte ich schon immer einmal sehen.

Und ich bin ein Snob (oder heißt es Snobbin?). Ich mag die glatten, perfekten, aber seelenlosen und protzigen Bauten des 19. Jahrhunderts nicht. Und so war Chiva, eine hochgelobte und von der UNESCO auf die Weltkulturerbeliste gesetzte Stadt, die aber leider größtenteils aus dem 19. Jahrhundert stammt, ursprünglich nicht auf unserem Reiseplan. Nur ein (morgen anstehender) Ausflug in die Wüste hat doch dazu geführt, dass wir hergekommen sind. Zum Glück!

Den Anfang in Usbekistan hat aber keine der großen Städte gemacht, sondern wieder einmal ein minor sight. Mizdakh Khan ist ein riesiger Friedhof an der turkmenischen Grenze und beherbergt einen wahren Schatz: ein Mausoleum aus dem 12. Jhdt., dessen Innenraum mit seinem schlichten Wechselspiel von Lehmziegeln und türkis glasierten kleinen Ornamentfliesen unendlich elegant ist. Allein dieses halb unterirdische Bauwerk ist den Ausflug wert, aber auch der Friedhof, der seit 900 Jahren genutzt wird - auch heute noch.

Ausflug - das hieß immerhin von Taschkent nach Nukus fliegen (dort übernachten, Mizdakh Khan besichtigen) und dann mit dem Sammeltaxi nach Chiva fahren, zu dritt auf der Hinterbank eines nicht sehr großen Autos zusammengedrängt und in rasendem Ritt über eine Landstraße, die auch gut nach Georgien gepasst hätte. Wir fuhren ungefähr genauso oft auf der linken wie auf der rechten Straßenseite, um die Schlaglöcher zu umfahren.

Und Chiva? Einfach wunderbar. Wirklich. Bis 1800 war die Stadt unbedeutend und kam dann mit einem höchst unerfreulichen Geschäftszweig zu viel Geld: dem Sklavenhandel. Auch sonst waren die Herrscher unangenehm, und Chiva galt noch zu Beginn des 20. Jhdts. als überaus gefährlich. Zu Beginn der 1920-er Jahre verschwand es mit der Zugehörigkeit zur Sowjetunion (die die Stadt zur Sperrzone erklärte) völlig aus dem Bewusstsein der Welt und tauchte erst 1968 wieder auf: als verblüffend gut erhaltenes Relikt aus alter Zeit.

Heute wandert man wie durch eine Filmkulisse und erwartet jederzeit, Scheherazade zu treffen. Gerade heute wurde sogar tatsächlich ein historischer Film hier gedreht. Das Besondere ist, dass alle Herrscher und auch die sonstigen Würdenträger sich hier verewigt haben, indem sie zumindest eine Medrese, also eine Koranschule, errichten ließen. Manchmal kam auch noch eine Moschee dazu. Diese Medresen prägen das Stadtbild, und so hat man den Eindruck, durch einen orientalischen Campus aus dem 19. Jahrhunderts zu schlendern. Dazwischen gibt es auch noch zwei große Paläste, eine Karawanserei und eine Festung - alles umfasst von einer fast lückenlosen Stadtmauer. Es bleibt aber auch auch noch Platz für die Bewohner/innen und ihre Tiere (zB einen riesigen Hammel im Hinterhof).


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#usebekistan#nukus#mizdakh khan#chiva